Am Nachmittag des 31. Juli 1914, dem Tag der Erklärung des Zustandes der drohenden Kriegsgefahr, stellte die Reichsbank die Einlösung ihrer Banknoten gegen Gold ein. Gleichzeitig wurde die Einlösungspflicht für die Reichskassenscheine aufgehoben und die Umwechslung von Scheidemünzen in Gold eingestellt. Da die Heeresverwaltung allein für die Soldatenlöhnung in den ersten sechs Mobilmachungstagen 750 Mio. Mark benötigte, die zu den Fahnen Gerufenen sich mit den nötigen Bedarfsartikeln eindecken mussten, die Gemeinde- und Stadtverwaltungen mit der Auszahlung von Unterstützungen an die Familien der Einberufenen begannen und darüber hinaus Angstkäufe den Geldbedarf und die Warenpreise steigen ließen, stieg auch der Zahlungsmittelbedarf rapide an.
Im Aufmarschgebiet der Armee, im Ruhrgebiet, im Industrierevier Oberschlesiens und Bremens und besonderes in den Grenzregionen Elsass, West- und Ostpreußen und der Provinz Posen, wo Münzen und Banknoten vor dem Feind in Sicherheit gebracht wurden, machte sich die Zahlungsmittelknappheit besonders bemerkbar. Kommunen und größere Unternehmen schritten notgedrungen zur Selbsthilfe und gaben Notgeld aus, darunter die Emmagrube (Oberschlesien) der Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft.
Die 1914er Notgeld-Scheine wurden in großer Eile von örtlichen Druckereien hergestellt und wirken oft recht primitiv. Als Fälschungsschutz dienten meist Farb- oder Prägestempel. Die Verantwortlichen der Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft ließen sich für ihre Gutscheine der Emmagrube einen besonderen Schutz gegen Fälschungen einfallen. Sie ließen auf der freien Rückseite von Kux-Scheinen ihre Gutscheine zu einer Mark drucken.
Abb. 1.1: Die „richtigen“ 12 Gutscheine der Emmagrube zu 1 Mark ergeben einen Kux-Schein der Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft.
Abb. 1.2: Die Wertseite der 12 Gutscheine, die den kompletten Kux-Schein ergeben.
Das Grubenfeld der Emmagrube war vom preußischen Staat am 14. Oktober 1858 an Franz Stahler verliehen worden.[1] Das Bergrecht verpflichtete den Muter, das ihm verliehene Grubenfeld bergmännisch auszubeuten. Wegen der hohen Kosten war hierzu selten eine Person allein imstande. Deshalb wurde das notwenige Kapital durch Gründung bergrechtlicher Gewerkschaften aufgebracht.[2] Hierzu wurde das Unternehmen in ideelle Anteile geteilt und an Interessierte verkauft. Das Bergrecht verlangte eine Teilung nach dem Duo-Dezimalsystem, d.h. in 12 Anteilen. Da die Aufwendungen für 1/12 eines Bergwerks für einzelne Personen immer noch zu groß waren, unterteilte man dieses Zwölftel weiter in zwölf Teile usw. Die maximale Anzahl von Anteilsscheinen lag zunächst bei 128. Das preußische Berggesetz vom 24. Juni 1865 legte dann ihre maximale Zahl auf 100 fest, die durch Gewerkschaftsstatut erhöht werden konnte. Über die Anteile wurden Urkunden ausgestellt, die Kuxe genannt werden.
Erst nachdem der Unternehmer Friedrich Wilhelm Grundmann (* 26. November 1804 bei Berthelsdorf; † 30. Juli 1887 in Kattowitz) die Kux-Mehrheit an der Emmagrube erworben hatte, kam es 1883 mit dem Abteufen der Schächte „Mauve“ und „Grundmann“ zur Kohleförderung. 1892 kamen die Grubenfelder „Mariahilf“ und „Weihnachtsabend“ in Radlin hinzu, sodass das Bergwerk eine Berechtsame (Abbauberechtigungsfläche) von 2,19 km² erreichte.
Mit 598 Mitarbeitern lag die Steinkohleförderung bei nur 160.439 Tonnen. Um das Bergwerk erweitern und modernisieren zu können, wurde ein Investor gesucht, den man im Unternehmer Friedrich Friedlaender, ab 1906 von Friedlaender-Fuld (* 30. August 1858 in Gleiwitz, Oberschlesien; † 16. Juli 1917 auf Gut Lanke, Mark Brandenburg), fand. Er schuf 1903 die „Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft“. Walther Rathenau (* 29. September 1867 in Berlin; † 24. Juni 1922 ebendort) gehörte dem Vorstand des neuen Unternehmens an.
In den Jahren bis 1912 wurden die Sohlen auf 126 m, 199 m und 400 m Teufe aufgefahren und sechs Flöze der Ostrauer Schichten in einer Gesamtmächtigkeit von 14,6 m abgebaut. Wegen des hohen Methangas-Gehalts der Flöze II, IV und VI mussten spezielle Wetterschächte gebaut werden.
Die Teilung Oberschlesiens 1922 bedeutete für die Emmagrube, dass sie plötzlich in Polen lag. Deshalb wurde der Firmensitz von Berlin nach Kattowitz verlegt und die Firma in „Rybnickiego Gwarectwa Węglowego“ umbenannt. Anstelle ihres 1917 verstorbenen Vaters trat Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild, geb. von Friedlaender-Fuld, gesch. Mitford, gesch. von Kühlmann (* 17. Januar 1892 in Berlin; † 30. November 1973 in Paris) als Erbin in die Unternehmensführung ein. Während des Zweiten Weltkriegs war die Grube Teil der Gruppe Rybnik (II) der Reichswerke Hermann Göring. Von 1945 bis 1982 gehörte die Zeche, die am 27. April 1949 zu Ehren des Kommunisten Jósef Kolorz, Spitzname Marcel, der auf Emma arbeitete, umbenannt wurde, zum Unternehmen Rybnickie Zjednoczenie Przemysłu Węglowego, von 1984 bis 1988 zu Rybnik-Jastrzębie und ist heute Teil der "Polska Grupa Górnicza" (PGG). In der Nachkriegszeit wurde die Zeche modernisiert und erweitert. Der neue Schacht hat eine Tiefe von 1000 m. Durch Zusammenlegung verschiedener Felder entstand eine Berechtsame von 57,37 km². Das Bergwerk förderte im Mai 2017 mit 2868 Beschäftigten täglich 10.000 Tonnen Kohle.
Die Gutscheine der Emmagrube datieren vom 15. August 1914 und lauten über eine Mark.
Als Papier dienten unausgefüllte Kux-Scheine. Auf diesen ca. 360 x 260 mm großen Wertpapieren, die auf eine Art Büttenpapier gedruckt waren, konnten auf der leeren Rückseite 12 Gutscheine hergestellt werden. Nach Dießner wurden insgesamt 5976 Gutscheine gedruckt, dies entspricht 498 Kux-Schein-Formularen.[3] Die Formulare stammen von der Firma Riefenstahl, Zumpe & Co. in Berlin. Der spätere Aufdruck auf ihrer Rückseite erfolgte in vier Reihen zu je drei Gutscheinen, sodass jeder Schein die Größe von 120 x 65 mm hat. Mancher von ihnen weist Buchstaben-Teile eines Wasserzeichens auf. Dies lässt vermuten, dass mehre Formulare gleichzeitig auf einem Papierbogen gedruckt wurden, auf dem sich ein Firmenwasserzeichen befand.
Die Vorderseite des Notgelds besteht aus einem einfachen, schwarzen sechszeiligen Aufdruck: „Gutschein. (daneben eine sechsstellige Kontrollnummer) / Gegen Aushändigung dieses Gutscheines zahlen die Kassen der Rybniker / Steinkohlen-Gewerkschaft bis einschließlich den 15. September 1914 / Eine Mark / Emmagrube, den 15. August 1914. / Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft.“ Darunter die rotviolette Faksimile-Unterschrift des Generaldirektors der Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft, Dr. Wachsmann sowie eine handschriftliche Unterschrift. Am linken Rand ein ovaler Firmenstempel blauviolett oder rotviolett. Am unteren Rand mittig wurde der Ausgabetag gestanzt: „15.8.1914“. Die Rückseite der Scheine zeigt jeweils einen Teil des Kux-Scheins.
Mit gleichem Datum emittierte die Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft 5-Mark-Gutscheine, die auf der Rückseite von Zinsscheinbogen von 1903 über 22,50 Mark gedruckt waren.
Abb. 2.1 und 2.2: Emmagrube, Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft, 15. August 1914, 1 Mark, Vorder- und Rückseite. Hier der dritte Schein der obersten Reihe.
In der Bundesrepublik mussten die Bergrechtlichen Gewerkschaften nach § 163 Bundesberggesetz vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310) bis zum 1. Januar 1986 entweder in Aktiengesellschaften umgewandelt oder mit einer bestehenden Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaften auf Aktien bzw. Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt werden; andernfalls waren sie zu liquidieren.
Uwe Bronnert
[1] Die Angaben zur Emmagrube und der Rybniker Steinkohlen-Gewerkschaft nach Wikipedia (03.03.2021). [2] „Die bergrechtliche Gewerkschaft ist eine Vereinigung von Miteigentümern eines Bergwerkes. […] Ihr Recht ist in ziemlich einheitlichen Landesgesetzen, besonders im preußischen Allgemeinen Berggesetz (ABG) von 1865 geregelt. […] Die Mitglieder einer Gewerkschaft heißen Gewerken, ihre Anteilscheine Kuxe. Diese lauten nicht wie die Aktien auf einen bestimmten Nennbetrag, sondern einen Bruchteil am Bergbauunternehmen, z. B. 1/100, mindestens jedoch 1/10000. Kuxe sind Namenspapiere und werden wie Versicherungsaktien zu Stückkursen an der Börse gehandelt, z. B. Gewerkschaft Winterhall 3000 Kuxe; 1 Kux 81.000 DM. Die Kuxe und ihre Inhaber werden in das Gewerkenbuch eingetragen. Da sich der Kapitalbedarf nicht genau im voraus bestimmen läßt, müssen die Gewerken Zubußen leisten, wenn es nötig ist. Diese Zubußepflicht kann sich der Gewerke nur durch Preisgabe des Kuxes entziehen (Abandonrecht). An der Ausbeute (Gewinn) oder dem Verlust sind die Gewerken im Verhältnis ihrer Anteile beteiligt. Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis hat entweder der aus zwei oder mehreren Personen bestehende Grubenvorstand oder ein Repräsentant. Das Mitbestimmungsrecht verlangt in Betrieben mit mehr als 1000 Arbeitnehmern auch einen Arbeitsdirektor. Die Gewerkenversammlung […] entspricht in ihrer Rechtsstellung der Hauptversammlung der AG. Die Abstimmung erfolgt nach Kuxen. Nur Gewerkschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern müssen einen Aufsichtsrat bilden, die übrigen Gewerkschaften können einen Aufsichtsrat bilden.“ (Alfred Fritsch et al., Kaufmännische Betriebslehre, 11. Auflage, Wuppertal-Barmen 1971, S. 226 f.) [3] Hans-Jürg Dießner, Deutsches Notgeld, Band 11: Das deutsche Notgeld von 1914/15, Regenstauf 2010, S. 137 f., Kat.-Nr. 93.1.
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