Nach der Gründung von Mandschukuo versuchten die Japaner, ihren Einfluss auch auf die angrenzenden Gebiete auszudehnen. Eines der Gebiete, für das die Japaner ein besonderes Interesse zeigten, war Ost-Hebei mit Tianjin (天津) als wichtigster Stadt. Um ihre Ziele durchzusetzen, arbeiteten die Japaner mit chinesischen Politikern zusammen, die Japans Interessen vertraten. Einen solchen Kollaborateur fanden sie in Yin Rugeng (殷汝耕). Dieser wurde 1883 in Pingyang (平陽), Provinz Zhejiang geboren.
Als junger Mann hatte er in Japan studiert, auch hatte er eine Japanerin geheiratet, mit deren Hilfe er Kontakte zu den höchsten politischen und militärischen Kreisen Japans knüpfte.
Nach Abschluss seiner Studien kehrte Yin nach China zurück und beteiligte sich aktiv an Aktionen gegen das Qing-Kaisertum. Nach der Revolution 1911 wurde er zunächst Mitglied der Kuomintang. Dann nahm er sein Studium in Japan (Jura) wieder auf. Wieder in China, stellte er sich in den Dienst der Beiyang-Regierung und half bei der Gründung der Bank of China. 1926 nahm er an der „Nordkampagne“ von Tschiang Kai Schek teil. Später wurde er mehrfach beauftragt, zwischen Chinesen und Japanern zu vermitteln, z.B. nach dem Massaker von Shanghai.
1933 wurde Yin Rugeng Verwaltungskommissar für die entmilitarisierte „Zone Ost-Hebei“ (冀東). Die Japaner hatten vor, in verschiedenen Nordprovinzen Chinas autonome – d.h. Japan-hörige, von der Nationalregierung Tschiang Kai Scheks unabhängige – Gebiete zu gründen. Yin Rugeng war der erste, der darauf einging und das Gebiet um Tianjin, bestehend aus 22 Kreisen, am 25.11.1935 für autonom erklärte. Seither gilt Yin Rugeng bei den Chinesen als „großer Landesverräter“.
Abb. 1: Yin Rugeng auf einer zeitgenössischen Postkarte
Sitz der autonomen Regierung von Ost-Hebei war zunächst Tongzhou (通州, ein Stadtteil von Peking), aber nach dem Thongzou-Zwischenfall wurde der Regierungssitz im August 1937 nach Tangshan (唐山 ) verlegt. Als williger Erfüllungsgehilfe der Japaner tat Yin Rugeng alles, um die in „seinem“ Gebiet wohnenden Chinesen für Japan zu begeistern. So ließ er z.B. die Schulbücher dahingehend umändern, dass alle Bezüge zur Nationalregierung gelöscht und stattdessen Beiträge zur japanischen Kultur gebracht wurden. Die lokale Tageszeitung „Jìdōng Rìbào“ (冀東日報) brachte ebenfalls nur regierungsfreundliche Beiträge.
Ein autonomes Gebiet muss natürlich seine eigene Währung haben. Bereits im November 1936 wurde die „Bank von Ost-Hebei“ (冀東銀行) mit Hauptsitz in Tianjin gegründet und mit einem Kapital von 5 Millionen Yuan ausgestattet. Von der japanischen „Central Bank of Manchukuo“ wurde Personal bereitgestellt, auch logistische Hilfe wurde geleistet. Schon 1937 machte die Bank von ihrem Notenrecht Gebrauch; es wurden Münzen und Banknoten im Gesamtwert von etwas mehr als 8,3 Millionen Yuan emittiert.
Die Münzen über 1 Li, 1 Fen, 5 Fen, 1 Jiao und 2 Jiao wurden in Osaka geprägt.
Die Banknoten zeigen zwar keine Druckerei, aber es ist bekannt, dass sie in Japan durch die Druckerei des Finanzministeriums hergestellt wurden.
Abb. 2a/b: 1 Fen 1937, Vorder- und Rückseite.
Die Münzen tragen allesamt ein Datum, nämlich „Jahr 26“ = 1937. Hier sei als Beispiel die 1-Fen-Münze aus Kupfer abgebildet.
Die Banknoten, die wegen ihrer nur einjährigen Umlaufzeit ziemlich selten sind, sind nicht datiert, die Vorderseite ist graviert, die Rückseite lithographiert. Ausgegeben wurden die Wertstufen 5 Jiao, 1 Yuan, 5 Yuan, 10 Yuan, die 100-Yuan-Note scheint nicht in Umlauf gebracht worden zu sein, sie ist nur als (primäres) Muster bekannt.
Auch auf den ausgegebenen Noten finden sich keine Unterschriften. Wohl aber ein rotes Siegel, es zeigt acht Zeichen in alter Siegelschrift: 冀東銀行總經理章 = Siegel des Hauptmanagers der Ost-Hebei-Bank. Wer das war, ist mir unbekannt. In der chinesischen Geschichtsschreibung kommt sein Name nicht vor, niemand soll sich an ihn erinnern.
Abb. 3: Amtssiegel auf den Banknoten.
Von allen Noten sind Specimen bekannt, von den meisten Wertstufen gibt es zwei völlig verschiedene:
Einmal „primäre“ Specimen, Blocknummer 0, Kontrollnummer 000000, auf beiden Seiten in Rot „Specimen“ in Schreibschrift und 樣本, dazu drei Lochungen, eine durch das Siegel, zwei durch die Wertangabe. Diese Muster tragen alle auf der Rückseite eine schwarze Nummer, im hier gezeigten Beispiel 000076.
Abb. 4a/b: 5 Jiao, „primäres“ Specimen, Vorder- und Rückseite.
Daneben gib es „sekundäre“ Specimen, das waren normale Umlauf-Noten, die später zu Mustern umfunktioniert wurden. Sie tragen alle Blocknummer 1 und eine gewöhnliche Kontrollnummer, dazu in Schwarz „SPECIMEN“ und 樣本. Außerdem finden sich acht Lochungen zur Entwertung. Auch diese Muster tragen eine Muster-Nummer, allerdings als Perforation.
Abb. 5a/b: 1 Yuan, „sekundäres“ Specimen, Vorder- und Rückseite.
Die Wertstufen im Einzelnen:
Abb. 6a/b: 5 Jiao, Vorder- und Rückseite.
5 Jiao: Auf der Vorderseite ist der „Shanhaiguan“ (山海關) abgebildet, ein strategisch wichtiger Pass, ein Durchbruch durch die Chinesische Mauer bei der Stadt Qinhuangdao (秦皇島市) in der Provinz Hebei. Dieser Durchgang galt lange Zeit als einzige Verbindungsmöglichkeit zwischen den Zentrum Ost- und Nordostchinas. Es fällt auf, dass die Wertangabe auf der Rückseite „50 FEN“ lautet.
Abb. 7a/b: 1 Yuan, Vorder- und Rückseite.
1 Yuan: Rechts auf der Vorderseite sieht man einen Abschnitt der Chinesischen Mauer.
Abb. 8a/b: 5 Yuan, Vorder- und Rückseite.
5 Yuan: Auf der rechten Notenhälfte findet man eine Pagode. Joe Boling (in Schwan-Boling, WWII Remembered) behauptet, es handele sich um die „Yu-Sheng Pagode“, aber eine solche kann ich nirgendwo finden. Es ist jedoch in Wahrheit eindeutig die Rándēng- Pagode (燃燈塔) in Tongzhou.
Abb. 9: 10 Yuan, Vorderseite.
10 Yuan: Diese Note bildet rechts den Eingang zu einem Haus ab, das bei Schwan-Boling „Ta Ch’eng Tien“ genannt wird, eine mir leider unbekannte Bezeichnung. Es ist jedoch sicher, dass es sich um den Eingang zu einem konfuzianischen Tempel in Tongzhou handelt.
Abb. 10: 100 Yuan, Specimen, Vorderseite.
100 Yuan: Das doppelstöckige Gebäude auf der rechten Notenhälfte ist ein der Göttin Guanyin gewidmeter Pavillon des Dule-Tempels (獨樂寺) in Kreis Ji, Tianjin.
Schon 1938 waren die Noten ungültig, sie wurden ersetzt durch Noten der Federal Reserve Bank of China (中國聯合準備銀行), eine der sog. "Puppet-Banks" der Japanischen Besatzer.
Die „Bank von Ost-Hebei“ verlor das Recht zur Notenausgabe und wurde mit der Mengjiang-Bank (蒙疆銀行, Bank für den japanischen Marionettenstaat auf dem Gebiet der sog. "Inneren Mongolei") zu einem rein kommerziellen Institut zusammengelegt.
1945, nach der Kapitulation der Japaner, wurde Yin als Landesverräter verhaftet und nach Nanjing gebracht. Vor Gericht brachte er zu seiner Verteidigung vor, seine Handlungen seien durchaus patriotisch gewesen, aber er wurde zum Tode verurteilt, der Oberste Gerichtshof bestätigte dieses Urteil am 8.11.1947. Am 1.12.1947 wurde Yin durch Erschießen hingerichtet.
Erwin Beyer
Bildnachweis:
Abb. 1, 2 und 3: Erwin Beyer
Abb. 5 und 10: www.chinazhibi.com, Erlaubnis durch Wang Jie
Abb. 4, 6, 7, 8 und 9: Yangming Auctions, Shanghai, Erlaubnis durch Cai Xiaojun
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