Die baltischen Staaten hatten eine sehr wechselvolle Geschichte. Unter der Herrschaft des Deutschen Ordens christianisiert, erlebten sie auch durch die Hanse eine große Blütezeit, fielen dann aber 1721 an Schweden und später an das russische Zarenreich.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren Deutschland und Russland Nachbarn, die baltischen Länder und Polen existierten nicht als selbständige Staaten, sondern waren Teile Russlands.
Bereits nach der russischen Februarrevolution von 1917 war ein Estnischer Nationalrat gebildet wurden, der am 24. Februar 1918 die Unabhängigkeit des von deutschen Truppen besetzten Landes proklamierte. Diese bestand jedoch nur auf dem Papier und musste erst in einem zweijährigen Freiheitskrieg erkämpft werden, an dessen Ende Sowjet-Russland 1920 die Unabhängigkeit Estlands „auf alle Zeiten“ anerkannte.
Estland erlebte in den 1920er Jahren eine Blütezeit. Die Wirtschaftskrise von 1929 bis 1932 führte jedoch 1934 zu einem faschistischen Umsturz.
Der Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939 bot der Sowjetunion freie Hand für deren Interessen im Baltikum. Nach dem gemeinsamen Sieg über Polen kam es zum Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. September 1939, der vorerst die Interessen beider Diktaturen gegeneinander absicherte.
Am 16. Juni 1940 wurde Estland von sowjetischen Truppen besetzt. Am 6. August 1940 erfolgte unter sowjetischem Druck der Beitritt zur Sowjetunion als Estnische SSR.
Bereits kurz darauf setzten die ersten Deportationen ein.
Vom 8. bis 21. Juli 1941 wurde Estland von deutschen Truppen besetzt. Während der deutschen Besatzung nahmen nationale Kräfte Estlands aktiv am Kampf gegen die Rote Armee teil.
Die Kreditscheine der Zementfabrik „Port-Kunda“ waren vom 20. August bis zum 1. Oktober 1941 im Umlauf und konnten von Monat zu Monat bis zum 1. Januar 1942 eingelöst werden.
Der Name „Port-Kunda“ ist eine Wortschöpfung aus „Portlandzement“ und dem Standort der Fabrik in Kunda, einer kleinen estnischen Stadt zwischen der Hauptstadt Tallinn (Reval) und Narva.
Die Scheine wurden von den lokalen deutschen Besatzungs-Behörden genehmigt, damit die Zementfabrik in Kunda nach der Besetzung schnellstmöglich wieder ihre Arbeit aufnehmen konnte.
Alle Scheine tragen auf der Rückseite einen runden Siegelstempel, die Verlängerung der Einlösung wurde zusätzlich durch Gummistempel mit zweizeiligem Firmennamen und einer Unterschrift bestätigt. Es sind drei Unterschrifts-Kombinationen auf der Vorderseite bekannt.
Die Scheine liefen ebenfalls in der Brennschieferfabrik Ubja um (eine Stadt, ca. 100 km von Kunda entfernt), die die Zementfabrik mit Rohstoffen versorgte. Für die dortige Umlauffähigkeit wurden sie mit einem zusätzlichen zweizeiligen Stempel „Ubja Pölevkivi Kaevandus“ versehen.
Gerdruckt wurden die zweisprachig Deutsch/Estnisch ausgefertigten Scheine auf farbigem Kartonpapier.
Auf den Rückseiten kommen je drei Stempelvarianten vor:
Nur ein Siegelstempel der Zementfabrik "Port-Kunda"
Zusätzlicher Zeilenstempel "A/S Tsemendvabrik | "Port-Kunda" bei vertagtem Einlösungstermin mit Handunterschrift (siehe Abb. zu 5 und 25 Rubel)
Zusätzlicher Zeilenstempel „Ubja Pölevkivi Kaevandus“
Die Scheine sind auch bei deutschen Sammlern begehrt, weil sie ein Stück deutscher Besatzungsgeschichte im Baltikum dokumentieren. Man findet sie zusammen mit anderen interessanten Belegen im Katalog "Ausländische Geldscheine unter deutscher Besatzung im Ersten und Zweiten Weltkrieg".
Hans-Ludwig Grabowski
Comentários