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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Ein Thüringer im Westharz und sein "Gutschein" von 1921

Aktualisiert: 26. März 2021

Als mit den Kleingeldscheinen (Notgeld in Pfennig-Beträgen) aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und danach das Sammeln von Geldscheinen in Deutschland immer beliebter wurde, war der Schritt hin zu den sog. "Serienscheinen", die nur noch für die Alben der Sammler produziert und verkauft wurden, nicht mehr weit. Neben Städten und Gemeinden gaben auch Vereine und private Geschäftsleute Serienscheine aus, die heute sogar häufig zu den selteneren Ausgaben gehören. Zu diesen gehört auch der "Gutschein" über den merkwürdigen Betrag von 60 Pfennig des Papierhändlers Fritz Croenitz aus Gandersheim am Westharz im damaligen Land Braunschweig aus dem Jahr 1921 (gültig bis 8. Mai 1922).


Grab./Mehl 405.1: Gandersheim, Fritz Croenitz, 60 Pfennig, 1921–8. Mai 1922, Vorderseite.
Grab./Mehl 405.1: Gandersheim, Fritz Croenitz, 60 Pfennig, 1921–8. Mai 1922, Rückseite.

Croenitz macht bei seinem "Gutschein" – im Unterschied zu den meisten Serienscheinen – als Alleininhaber der Firma Westharzer Papierhaus keinen Hehl daraus, dass es sich in Wahrheit um Reklame handelt und schreibt:


Dieser Gutschein unterscheidet sich

Vom Staatsnotgeld ganz wesentlich.

Für Sammler, Kunden nur bestimmt,

Weil niemand ihn in Zahlung nimmt.

Reklame muss nun einmal sein,

Deshalb erschien auch dieser Schein!

Ich grüss die Freunde im Beruf,

Für die den Schein ich auch nur schuf!

Wenn nächstes Jahr bis 8. Mai

bringt jemand diesen Schein herbei,

So zahle ich 6 Groschen raus

Reklame dieses ist dann aus.

Ich zahle sie mit meiner War,

In Reichsnotgeld selbst auch in bar.


Auf der Rückseite wird auch geklärt, warum es sich nicht um Notgeld, sondern um einen "Gutschein" handelt. Außerdem nimmt der Unternehmer hier auch Bezug zu seinen thüringischen Wurzeln, weshalb der Schein auch für Sammler von Notgeld und Serienscheinen aus Thüringen von Interesse ist. Neben der Darstellung der Stiftskirche von Gandersheim mittig oben, finden wir links oben Stadtwappen sowie zwei Ansichten (Leuchtenburg und Jenaisches Tor) seines Geburtsortes Kahla an der Saale sowie rechts oben Stadtwappen und Ansichten zum Ochsen- bzw. Pferdemarkt seines Heimatortes Buttstädt. Beide Städte sind Sammlern natürlich durch ihre eigenen Serienscheine bekannt, ganz besonders Kahla, das gleich mehrere Serien ausgab und wo auch damals schon eine Notgeldausstellung stattfand. Siehe dazu auch unseren Beitrag:



Gandersheim wird als Geschäfts-Wohnsitz seit 1910 genannt. Ein Blick in das "Deutsche Reichsadressbuch für Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft" von 1919 verrät, dass unter der damaligen Kreisstadt Gandersheim in Braunschweig mit 2.711 Einwohnern bei "Buchdruck" und "Papiergroßhandel" lediglich eine Firma

C. F. Hertel angegeben ist. Vermutlich wird diese dann von Fritz Croenitz als Alleininhaber übernommen worden sein.


Auf der Vorderseite finden sich ein Porträt des Händlers, ein patriotisches Gedicht, das unmittelbar Bezug auf die damalige Situation nach dem "Diktat-Frieden" der Entente-Mächte von Versailles nimmt und schließlich ganz unten eine kleine Übersicht über die vom Westharzer Papierhaus gehandelten Waren.


Gedruckt wurde der Schein in der eigenen Firma auf Papier ohne Wasserzeichen.

Gandersleben


Mit seinem "Reklame-Schein" war Fritz Croenitz damals nicht allein (wir kennen auch andere Serienscheine, die diesem Zweck dienten), auch nicht mit seinem Patriotismus nach dem folgenreichen Ersten Weltkrieg und dem Frieden von Versailles, der schließlich in eine Inflation ungeahnten Ausmaßes führen sollte, die Fritz Croenitz noch nicht ahnen konnte, als er u.a. schreibt:


Und wenn Parteien erst mal heller

Und fleischen sich nicht selbst entzwei,

Dann ist "Entente-Macht" vorbei!

Wir trotzen dann den lieben Herren

Und unser Geld wird sich vermehren,

Papier verschwindet immer mehr

Und unsre Mark find't mehr Begehr!


Das genaue Gegenteil trat ein, nachdem Deutschland mit der Erfüllung der immensen Forderungen des Versailler Vertrags in Rückstand geriet und französische und belgische Truppen das zum Vorwand nahmen, um 1923 das Rheinland zu besetzen. Damit begann der rasante Absturz der Mark und der Weg in die Hochinflation.


Was dieser Schein – mehr als viele andere Serienscheine dieser Zeit – deshalb ist, er ist nicht nur ein interessanter Beleg der Geld-, sondern auch der Zeitgeschichte, den uns der Papierhändler aus Thüringen hinterlassen hat, der damals sein Geschäft in Gandersheim am Westharz betrieb.


Hans-Ludwig Grabowski

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