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Arif Heralić und der „Som“ (Wels)

Aktualisiert: 26. März 2021



Wer die Geldscheine von Jugoslawien sammelt, tut dies in vielen Fällen wegen seiner Jugoslawien-Urlaube in den 1970er Jahren. Und die meisten haben einen Schein besonders in Erinnerung: Den 10 Dinar-Schein mit dem Porträt von Arif Heralić, eine der wenigen Personen, die bereits zu Lebzeiten auf einer Banknote abgebildet waren. Von den 40 bis 50 Jahren, in denen der sozialistische Vielvölkerstaat Jugoslawien

bestand, war er geschätzt 35 Jahre, also etwa zwei Drittel der Zeit, auf einer Banknote zu sehen.



Vorgeschichte

Die Geschichte dieses 10 Dinar–Scheins, der von Anfang an Som (zu deutsch „Wels“) genannt wurde, beginnt fast gleichzeitig mit der Gründung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien. Der Antifaschistische Rat der Nationalen Befreiung Jugoslawiens beschloss, vereinfacht gesagt, am 29. November 1943 die Neugründung Jugoslawiens. Dieser Tag galt fortan als Gründungsdatum des Staates der Südslawen, wie Jugoslawien übersetzt heißt, und war im Wappen des Vielvölkerstaats zu sehen: Unter dem Stern und unter den sechs Fackeln, die wie eine einzige brennt, sieht man das Datum "29∙XI∙1943". Gut erkannt man das auf dem 1000-Dinar-Schein von 1946,

damals das höchste umlaufende Nominal. Laut englischsprachiger Wikipedia lag der Nachkriegskurs für einen Jugoslawischen Dinar bei 50 Din für 1 US-Dollar, somit kann man für diesen Schein einen Vergleichswert von etwa 12 DM ansetzen.



Der 50er vom 1. Mai 1946 erinnert bereits an den späteren Zehner: Links auf der Note befand sich ein Arbeiter, rechts war die Wertangabe zu sehen. Umgeben wird das Ganze von Wertzahlen in den Ecken und einem ornamentalen Rahmen.

Von Anfang an war das Dilemma zu lösen, wie man die Banknoten im Staat der zwei Schriften, drei Sprachen, vier Rechtschreibungen und fünf Nationalitäten in sechs gleichberechtigten Teilrepubliken zu gestalten hatte: Welche Sprache soll auf der Note auftauchen? So war die Wertangabe von nun an viermal auf jeder Note zu finden: DINARA (kroatisch) sowie ДИНАРА (serbisch) links und DINARJEV (slowenisch) sowie ДИНАРИ (mazedonisch) rechts von der Wertangabe. Die beiden lateinischen und die beiden kyrillischen Währungsbezeichnungen stehen sich harmonisch gegenüber.

Die Bankbezeichnung in serbokroatischer Sprache befindet sich in lateinischen Lettern auf dem 50er und 500er, auf den anderen beiden Banknoten der Serie ist sie in

kyrillischer Schrift zu finden. Die sechs Teilrepubliken sind links und rechts in der Rahmenornamentik erwähnt.


Der gesamte Text auf der Note lautet nun:

Narodna Banka

Federativne Narodne Republike Jugoslavije

plaća donosiocu

50 Dinara.

Beograd, 1 Maj 1946,

Glavni Direktor, Guverner.


Die Nationalbank

der Bundes − und Volksrepublik Jugoslawien

zahlt dem Überbringer

50 Dinar.

Belgrad, 1. Mai 1946,

Generaldirektor, Gouverneur.



Noch eher an das klassische Design erinnert die Vorderseite einer auf 1. 5.1953 datierten Druckprobe, die um die Jahrtausendwende bekannt geworden ist. Hier sieht man in den vier Ecken bereits die künstlerisch gestaltete Wertzahl auf geriffeltem Untergrund, umrandet von einer blumenartigen Ornamentik, die später zu zwei ineinander verschlungenen Fabelwesen umgestaltet wurde. Die Unterschriften stammen vom Gouverneur sowie dessen Stellvertreter.


Die Evolution der Banknote


Vom Tausender des Jahres 1955 gab es zunächst zwei Auflagen, mit und ohne einer kleinen „zwei“ in der rechten unteren Ecke („plate #2“). Als sich im April 1963 der Staat in Föderative Republik Jugoslawien (Socijalistička Federativna Republika Jugoslavija) umbenannte, wurde auf Münzen und Geldscheinen ein neuer Bankname notwendig. Dieser Schein war im Gegensatz zu seinem Vorgänger nur etwa zwei Jahre im Umlauf.

Wieso der Schein Som (Wels) genannt wurde, darüber gibt es nur Spekulationen.

Ein Grund könnte sein, dass die Brille an zwei große Fischaugen erinnert. Und Som bedeutete einfach in der Umgangssprache irgendwann einfach 1000 einer Währung, etwa vergleichbar mit unserer Bezeichnung „Riese“ (z.B. 5 Riesen = 5000 DM).



Möglicherweise nach französischem Vorbild – dort hat man 1959 zwei Nullen gestrichen – wurden zwei Jahre später aus 1000 alten Dinar 10 neue Dinar. Jedoch rechnete man im Alltag noch lange in alten Dinar, so wie wir auch bei uns noch lange nach der Euro-Einführung in nationale Währungen umgerechnet haben. Legt man einen Spiegel–Artikel vom 1. Februar 1971 zu Grunde, hatte der Zehner damals einen Gegenwert von etwa 3 DM, seine Kaufkraft in Jugoslawien dürfte sich demnach geschätzt im Bereich von heute 10 bis 20 € bewegt haben.

Der Schein des Jahres 1965 (eigentliches Datum der Währungsreform war 1966) unterscheidet sich nur im Nötigsten, wie Unterschrift und Nominal, von der 1963er Ausgabe. Während in Frankreich der neue Franc auch Nouveau Franc genannt wurde, blieb es bei der Währungsbezeichnung Dinar.



Wieder drei Jahre später wurde der Schein überarbeitet und erhielt nun das Aussehen, das die meisten Jugoslawien-Urlauber der 1970er und 1980er Jahre kennen. Das Design der vier Wertzahlen in den vier Ecken blieb unverändert, die fünfte, zentrale Wertzahl erhielt ein runderes, sympathischeres Aussehen. War der Bankname bisher nur serbokroatisch auf den Noten zu sehen, so erscheint er nun in allen vier Landessprachen (bzw. Dialekten des Serbokroatischen, wie man damals "politisch korrekt" sagte, um die Einheit aller Südslawen zu betonen): Zunächst in Serbisch,

dann in Kroatisch bzw. Slowenisch, schließlich erstmals in Mazedonisch. Da die Bankbezeichnung „Narodna Banka Jugoslavije“ sowohl slowenisch als auch kroatisch sein konnte, genügten hier drei Zeilen, während die Währungsbezeichnung Dinara/Dinarjev/Динара/Динари viermal auf der Note erscheinen musste.



Völlig umgestaltet wurde die Rückseite. Statt eines Bildes dominiert eine zentrale Wertangabe, flankiert von der Wertangabe „Zehn Dinar“ in den vier Sprachen des Landes und darunter viermal der obligatorische Satz „Fälschung wird gesetzlich bestraft“. Dass diese erneute Umgestaltung bereits bei der Währungsreform geplant war, erkennt man daran, dass der analog gestaltete 100er der Serie bereits gleich nach der Währungsreform von 1966 ausgegeben wurde.



Kurioserweise erinnerte die neue Rückseite an die der 10-Dinar-Note von 1951.


Im Jahre 1976 sollte die Wertstufe zu 10 Dinar durch eine Münze abgelöst werden und der Zehner verschwand vorübergehend aus dem Umlauf. Auch in den "Bankers Guides" der damaligen Zeit wurde er nicht mehr aufgeführt. Es wurden Münzen zu 10 Dinar ausgegeben, bei denen die Prägejahre 1976 bis 1981 auftreten. Der Dinar stand damals pari mit dem Schilling, 10 Dinar waren also etwa DM 1,40.


Doch dann erschien mit dem Datum 1978 eine neue Auflage des Zehners und die

Münze verschwand wieder aus dem Umlauf. Durch die Hyperinflation, die nach Titos Tod in den 1980er Jahren Jugoslawien heimsuchte, war das Ende des "Welses" jedoch endgültig besiegelt.

Der Zehner wurde wiederum durch eine Münze ersetzt und wurde durch die Geldentwertung schließlich wertlos. Der ehemals höchste Wert, war seit etwa 1970 der kleinste Schein im Umlauf und 1989 bereits das niedrigste Münz-Nominal, das bei seiner Ausgabe bereits einen Wert von nur noch wenigen Pfennigen hatte. Lediglich in Touristenregionen, insbesondere im Zahlungsverkehr innerhalb der Hotels und auf Campingplätzen traf man die von Urlaubern re-importierten alte Zehner noch an.



Nach dem Som

Schließlich gab es eine letzte Wiederauferstehung des Themas „jugoslawischer Arbeiter“ beim 20.000-Dinar-Schein von 1987. Dieser zeigt nun das Porträt des Kohlearbeiters Alija Sirotanović († 1990), der in der jugoslawischen Propaganda hohes Ansehen genoss. Er war mit dem Orden „Held der sozialistischen Arbeit“ und zahlreiche andere

Auszeichnungen geehrt worden. Der 20.000er blieb noch nach der Währungsreform von 1990 (Streichung von vier Nullen) kurzzeitig als 2-Dinar-Schein gültig, bis eine 2-Dinar-Münze kam und die Hyperinflation, der beginnende Zerfall Jugoslawiens und

und eine neue Währungsreform 1991 auch ihn Geschichte werden ließ.


Aber noch heute ist in Serbien die Bezeichnung „Som“ für 1000 Dinar, aber auch 1000 Dollar oder 1000 Euro verbreitet, während für 10 Dinar die weitaus ältere Bezeichnung „Banka“ verwendet wird. Sowohl in Kroatien als auch in Serbien sind die Banknoten zu 10 Kuna bzw. 10 Dinar nach wie vor in der gewohnten Farbe braun gehalten. Kann das Zufall sein?


Manfred Dietl

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