Indische Rupien – Über Nacht ungültig!
- Uwe Bronnert

- vor 11 Stunden
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Am 8. November 2016 strahlte um 20 Uhr (indischer Zeit) der Fernsehsender NDTV eine Ansprache des indischen Premierministers Narendra Modi aus, in der er in englischer Sprache zunächst die wirtschaftspolitischen Erfolge seiner Regierung herausstellte: Indien sei eine der am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt, aber nehme auch einen Spitzenplatz bei der Korruption ein. Zu oft würden Zahlungen außerhalb des offiziellen Bankensystems am Fiskus vorbei erfolgen. Dieses Schwarzgeld würde die weitere Entwicklung des Landes behindern. Zudem würde der internationale Terrorismus durch Geld aus der Schattenwirtschaft finanziert.[1] Ziel der Regierung sei daher ihre Bekämpfung.
Und dann ließ der Premierminister die Katze aus dem Sack: Über Nacht wurden alle 500- und 1000-Rupien-Banknoten (₹, INR) ungültig. Der damalige Gegenwert der Banknoten betrug je 6,89 bzw. 13,77 €.[2]




Anmerkung: Die indischen Banknoten gleichen Typs unterscheiden sich durch die aufgedruckte Jahreszahl und ggf. durch unterschiedliche Unterschriften.
Die Ankündigung Modis kam völlig überraschend. Selbst die meisten Minister seines Kabinetts hatten erst wenige Stunden vor der Ansprache davon erfahren. Die strenge Geheimhaltung und abrupte Umsetzung sei notwendig gewesen, um erfolgreich gegen Schwarzgeld, Schattenwirtschaft, Korruption und Geldwäsche vorgehen zu können,
so Finanzminister Arun Jaitey. Nicht deklariertes Schwarzgeld sollte demaskiert und entwertet werden.
Die Demonetisierung der beiden Rupien-Banknoten war ein drastischer Eingriff in die Geldwirtschaft Indiens und löste erhebliche Turbulenzen in der gesamten indischen Wirtschaft aus. 22 Milliarden Banknoten, die 86 Prozent der im Umlauf befindlichen Geldmenge ausmachten, wurden über Nacht ungültig. Sie entsprach etwa 12 Prozent des indischen Bruttoinlandprodukts.
Am folgenden Tag blieben alle Banken geschlossen, um ihnen Zeit zu geben, die für den erwarteten Massenumtausch notwendigen Banknotenbestände aufzufüllen. Als am 10. November die Banken wieder öffneten, kam es zu chaotischen Szenen. Vor allen Bankfilialen bildeten sich lange Schlangen von Personen, die ihre „alten“ Banknoten umtauschen oder auf ein Konto einzahlen wollten. Es kam zu tagelangen Wartezeiten. Während ärmere Bürger darauf angewiesen waren, selbst vor den Bankschaltern anzustehen, engagierten wohlhabende Inder häufig andere Personen, die sich stellvertretend für sie in der Schlange einreihten.
Ein Umtausch der Noten war bis zum 30. Dezember 2016 möglich.[3] Allerdings wurden bis zum 24. November 2016 pro Tag und Person nur 4.000 Rupien – etwa 55 Euro – gewechselt und bar ausgezahlt. Hierbei musste der Personalausweis vorgelegt werden. Vom Bankkonto konnten pro Tag 10.000 Rupien bzw. pro Woche 20.000 Rupien abgehoben werden.
Ein elektronischer Banktransfer (Überweisungen, Kreditkartenbelastungen usw.) sowie Einzahlungen auf Bankkonten waren dagegen unbegrenzt möglich.
Die Hauptleidtragenden der plötzlich Außerkurssetzung der höheren Banknotenwerte waren die kleinen Leute und die kleinen Händler, die auf den täglichen Bargeldverkehr angewiesen waren, um ihre Rechnungen bezahlen zu können. Dennoch war Modis Vorgehen bei der Bevölkerung erstaunlich populär und stieß auf breite Zustimmung, hatte man doch das Gefühl, dass sich große Teile der wohlhabenden Oberschicht des Landes durch Korruption und Beziehungen ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft entzögen.
Die übrigen umlaufenden Banknoten zum Zeitpunkt der Demonetisierung
der Noten zu 500 und 1000 Rupien:










Vorübergehend war die verbliebene 100-Rupien-Banknote der höchste Banknotenwert.
Die Gelddruckereien Indiens waren zwar in der Lage, monatlich 3 Milliarden Geldscheine
zu drucken, aber für den Druck von 22 Milliarden Banknoten benötigte man theoretisch mehr als sieben Monate. Die Reserve Bank of India hatte schon vor längerer Zeit mit dem Druck neuer Banknoten begonnen, allerdings reichten diese keineswegs aus, um die nun ungültigen Wertzeichen zu ersetzen. In den folgenden Monaten gab die Notenbank zwar eine neue Banknotenserie[4] aus, die auch Nominale zu 500 und 2000 Rupien umfasste, aber die Bargeldknappheit hielt monatelang an.


Verstärkt wurde das Problem dadurch, dass die Geldautomaten die neuen 2000-Rupien-Noten nicht ausgegeben konnten, da sie nicht in deren Ausgabe-Schächte passten.
Bereits am 20. Mai 2023 gab die Reserve Bank of India bekannt, dass sie die Note wieder aus dem Verkehr ziehen würde, sodass heute die 500-Rupien-Note – Wert etwa 5 Euro – die werthöchste Banknote ist.


Die übrigen derzeit umlaufenden Banknoten:










Es liegt auf der Hand, dass die Bargeldnutzung auf diese Weise sehr unhandlich gemacht wird und viele Händler und Käufer dadurch genötigt werden, auf digitales Geld umzusteigen. Auch dies war ein Ziel, das man durch die Aktion im November 2016 erreichen wollte.
Selbst in abgelegenen Gegenden Indiens ist heute die Zahlung mit der Kreditkarte nichts Außergewöhnliches mehr.
Uwe Bronnert
Anmerkungen:
[1] Studien zufolge machte die Schattenwirtschaft ein Fünftel der indischen Wirtschaft aus, somit konnten bis zu 1,6 Billionen Euro Schwarzgeld in Umlauf sein.
[2] An Flughäfen, Bahnhöfen, in Krankenhäusern, an Tankstellen sowie an Friedhöfen und Krematorien wurden die beiden Nominale noch bis zum 11. November 2016 akzeptiert.
[3] Indische Staatsbürger, die sich in der Zeit zwischen dem 9. November und 30. Dezember 20016 im Ausland – ausgenommen hiervon waren die direkten Nachbarstaaten Pakistan, Bangladesch, Nepal und Bhutan – aufhielten, konnten ihre Banknoten bei fünf Zweiganstalten der Zentralbank in Mumbai, Neu-Delhi, Chennai, Kalkutta und Nagpur
bis zum 31. März 2017 umtauschen. Inder, die dauerhaft im Ausland lebten, sogar bis zum
30. Juni 2017.
[4] Die Serie umfasste die Nominale zu 10, 20, 50, 100, 200, 500 und 2000 Rupien.




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