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  • 17. Juni 1953: „Geldscheine“ mit Fake News und Propaganda

    In Kriegen stirbt die Wahrheit zuerst – eine allgemein gültige Feststellung. Aber auch bei Revolutionen und Aufständen war das so! Vor 70 Jahren, im Juni 1953, kam es in Ostberlin und in einigen großen und kleineren Städten der DDR zu Demonstrationen. Hauptursache war der Beschluss des Politbüros auf der 2. Parteikonferenz der SED und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Veränderungen und spürbaren Verschlechterungen der Lebensverhältnisse großer Teile der Bevölkerung. Parteichef Walter Ulbricht kündigte 1952 den „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“ an, der weiter vorangetrieben werden sollte. Die Kollektivierung der Landwirtschaft, die Umwandlung größerer privater Firmen in „volkseigene Betriebe“ und die Stärkung der Schwerindustrie wurden ebenfalls festgelegt. Außerdem beschloss man den Aufbau einer Armee. Die zum 1. Juli 1952 gebildete „Kasernierte Volkspolizei“ sollte zur Nationalen Volksarmee umgebildet werden. Die Proteste in der Bevölkerung richteten sich vor allem gegen den Aufbau der SED zur führenden Partei und Ausschaltung der Opposition, gegen den Ausbau des Ministeriums für Staatssicherheit, gegen die Verschärfung des Kirchenkampfes und gegen die Abschaffung der fünf bis dahin bestehenden Länder samt ihrer Parlamente und die Neugliederung der DDR in 14 Bezirke. Das Fass zum Überlaufen brachte die Arbeitsnormerhöhung bei den Bauarbeitern in Ostberlin. Bei unveränderter Bezahlung war das eine Lohnkürzung, sodass 80 Bauarbeiter in der Stalinallee streikten, weitere solidarisierten sich und die Demonstration wuchs auf über 10.000 Menschen an. Der Streik weitete sich auf 72 Städte und viele Ortschaften in der DDR aus. Die Geschichte ist bekannt: Streik, Widerstand und gewaltsame Niederschlagung durch sowjetische Panzer und sog. Volkspolizisten. Abb. 1: sowjetische Panzerkolonne am 17. Juni 1953 in Ostberlin. Über insgesamt 167 der 217 Kreise in der DDR wurde der Ausnahmezustand verhängt. 55 Todesopfer können durch Quellen belegt werden, etwa 20 weitere Todesfälle sind bis heute ungeklärt. Viele Demonstranten wurden verhaftet – auch Todesurteile wurden ausgesprochen und vollzogen. Insgesamt waren 16 Divisionen der Roten Armee mit rund 20.000 Soldaten sowie etwa 8.000 Angehörige der Kasernierten Volkspolizei im Einsatz. Vom 17. bis 22. Juni 1953 wurden sowjetische Standgerichte eingesetzt, von denen 19 Aufständische zum Tode verurteilt und erschossen wurden. Auch einige Volkspolizisten und Angehörige der Staatssicherheit wurden getötet und auf sowjetischer Seite soll es ebenfalls Tote gegeben haben – man geht von etwa 40 standrechtlich erschossenen Soldaten und Offizieren der Roten Armee aus, die sich einer Beteiligung an der Niederschlagung des Volksaufstands widersetzt haben sollen. Abb. 2: Plakat zum Ausnahmezustand ab 17. Juni 1953 in Ostberlin. Aus dieser Zeit ist ein interessanter geldähnlicher Beleg bekannt: ein Flugblatt in der Form eines Propagandascheins, der ein besonderes Schlaglicht auf das Verhältnis zwischen Ost und West wirft. Spionage und Desinformation im damaligen "Kalten Krieg" waren auf beiden Seiten auf der Tagesordnung. Abb. 3: Vorderseite eines Flugblatts mit einem Aufruf an sowjetische Militärs und an Deutsche zu den Ereignissen vom 17. Juni 1953. Abb. 4: 20 D-Mark/Ost, Ausgabe 1948, Vorderseite, Austauschschein, Moskauer Druck. Die Vorderseite des Flugblatts war dem 20-DM-Schein von 1948 nachempfunden (übrigens eine Austauschnote). Urheber dieser „Scheine“ war der NTS, eine in den 1920-er Jahren gegründete Vereinigung von Exilrussen. Diese Organisation (НТС = Народно-Трудовой Союз российских солидаристов= Bund Russischer Solidaristen) hatte sich dem Kampf gegen den sowjetischen Kommunismus verschrieben. Der russische Text erwähnt einen Flugblatt-Aufruf des NTS („Freunde! Brüder! 18 russische Soldaten weigerten sich, auf unbewaffnete deutsche Arbeiter zu schießen, und halfen ihnen, Gefangene zu befreien und haben dafür mit dem Leben bezahlt“) . In der folgenden Beschreibung des Sowjet-Majors Nikita Ronschin finden sich Einzelheiten: Abb. 5: Rückseite des Flugblatts in russischer und deutscher Sprache, mit rotem Stempel ОБРАЗЕЦ (= Probe) und dem Zeichen des NTS, dem stilisierten Dreizack der Kiewer Rus (russisch Трезубец, ukrainisch Тризуб = Trysub, seit dem 19. Jh. ukrainisches Nationalsymbol). Übersetzung aus dem Russischen: Soldaten und Offiziere! Am 17. Juni 1953 revoltierten die Berliner Arbeiter. Sie widersetzten sich dem kommunistischen Regime. Zwei Tage fegte der Aufstand über die Zone. Die Machthaber reagierten in Panik mit unseren Panzereinheiten gegen die Aufständischen. Nach Aufruf des NTS weigerten sich die Panzerfahrer auf die Aufständischen zu schießen. Unser Volk sympathisiert mit den Deutschen. Er hat darauf gewartet, dass du den Aufstand unterstützt und ihn in deine Heimat bringst. Die Erfahrung des Aufstands vom 17. Juni war nicht umsonst. Jetzt brodelt die Ostzone wieder vor Unzufriedenheit. Ein Volksaufstand könnte jeden Augenblick ausbrechen. Wir müssen ihn unterstützen. Erschießt nicht die Rebellen! Geht mit ihnen ein Militärbündnis gegen einen gemeinsamen Feind ein: die kommunistische Regierung. Das Bündnis deutscher Kämpfer und unserer Soldaten ist der Schlüssel zum Erfolg im Kampf für die Freiheit unseres und des deutschen Volkes. Es lebe die Volksrevolution! NTS / Revolutionsstab für Russland! Am Sonntag, dem 28. Juni 1953, wurden im Sommerlager des 73. Schützenregiments der Roten Armee nahe Magdeburg 18 Soldaten von einem Sonderkommando standrechtlich erschossen. Die Exekution fand auf einer Waldlichtung am Rande eines Massengrabs statt. Unter den Erschossenen waren der Gefreite Aleksander Shcherbina, der Soldat Vasilj Djatkowskij und der Unteroffizier Nikolaj Tjuljakov. Eine Woche nach der Niederschlagung des Aufstands wurde auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Chaussee im Westberliner Ortsteil Nikolassee ein großes Holzkreuz zum Gedenken an die Opfer und die unerschrockenen Kämpfer errichtet. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe des Zehlendorfer Kleeblattes unweit des ehemaligen Checkpoint Bravo. Der ehemalige Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ehrte im Juni 2003 dort die deutschen Toten und die hingerichteten Sowjetsoldaten. Aber: diese toten Russen hat es nie gegeben! Sie sind Phantome des "Kalten Kriegs". Auch die angeblich durch Genickschuss im ehemaligen Schlachthof Berlin-Friedrichsfelde hingerichteten 23 Rotarmisten gab es nicht! Weder der Historiker Christian Ostermann hat in CIA-Akten oder in denen des US-Außenministeriums Beweise für die Hinrichtungen gefunden. Ebenfalls erfolglos waren die Recherchen der damaligen "Gauck-Behörde" in alten Stasi-Unterlagen. Heute wissen wir, dass das 73. Schützenregiment unmittelbar nach Kriegsende aus Deutschland in die Sowjetunion zurückgeführt und schon im Januar 1947 aufgelöst wurde. So bezweifeln Historiker diese beschriebenen Hinrichtungen und sprechen von bewussten Fehlinformationen. Zu den Hinrichtungen gibt es nur eine Quelle: das Flugblatt des NTS und Major Ronschin, der nach dem Aufstand in den Westen geflüchtet sein soll. Ronschin lief aber schon im April 1953 zu den US-Amerikanern über. Beim CIA in Pullach bei München stieg er zum Kronzeugen der Geschehnisse um die Hinrichtungen auf. Bis zum Herbst 1989, der sog. "Wende" in der DDR, fanden keine Überprüfungen der Angaben von Ronschin statt. Keine anderen deutsche oder sowjetischen Zeitzeugen, noch Angehörige von den Hingerichteten haben sich gemeldet. Der Autor Hans Halter schrieb in seinem SPIEGEL-Beitrag: „Bedauernd hat J. J. Tjulpanow, der Leiter der Rehabilitationsabteilung der Militärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, der Opfer-,Vereinigung 17. Juni 1953‘ im August 2000 mitgeteilt, dass bei den Informations- und Archivbehörden der Russischen Föderation keine Angaben über die Verfolgung oder Verurteilung sowjetischer Militärangehöriger im Zusammenhang mit dem genannten Fall – die 41 Exekutionen – aufgefunden wurden. Die drei Namen von angeblich Hingerichteten finden sich überhaupt nirgendwo. ... Auch die russischsprachigen Historiker, die aus dem Westen nach Moskau ausgeschwärmt sind, konnten nirgendwo den kleinsten Beleg entdecken. Obwohl russische Archivare grundsätzlich nichts wegwerfen. Nicht einmal in der minutiös geführten Hauptchronik des sowjetischen Generalstabs fand ein Wissenschaftler des bundesdeutschen ,Militärgeschichtlichen Forschungsamtes‘ aus Potsdam irgendeinen Hinweis.“ Also handelt es sich um pure "Fake News" und um einen entsprechenden geldähnlichen Beleg – einen Propagandaschein. In der Literatur (Dr. J. Mader) werden weitere solcher Scheine genannt – z. B. mit Kontrollnummer F 17 6 1953 (die sollte für „Freiheit 17. Juni 1953“ stehen; Abb. bei www.psywarrior.com). Die Vorlage für diesen Propagandaschein war die 20-DM-Banknote mit der Kontrollnummer YA 327752 – wiederum eine Austauschnote aus der 1948-er Serie der Deutschen Notenbank Berlin. Abb. 6: Propagandaschein, Vorderseite – in Form einer geteilten Banknote zu 20 D-Mark/Ost. Der Text der Rückseite ist plump: „Genossen! Jeder gesunde Geldumlauf beginnt und endet in Moskau, hierher kommen die Protestnoten, hierhin gehen auch unsere Banknoten. Wir müssen von ihnen Abschied nehmen, kaum daß wir sie in der Lohntüte rascheln hören. Denn unsere Butter muß uns die Regierung ebenso teuer verkaufen wie ihr nacktes Dasein. Die HO verlangt vom Werktätigen mehr Schein als sein sind: koste es, was es wolle, diesen Wohlstand heißt es um jeden Preis verteidigen. Denn durch die Hilfe unserer sowjetischen Freunde hat die Ostmarkwährung eine Werthöhe erreicht, wo Schwindel unvermeidlich sind. Das kommt von der Deckung, die die Freunde unserer Regierung dafür gaben. Ohne diese Deckung wäre eben ein gesunder Geldumlauf nicht möglich.“ Der NTS hatte möglicherweise eine Vorliebe für Propaganda in Geldform. In einem Beitrag über den NTS in der Zeitung der Landsmannschaft Ostpreußen wird ein anderer Geldschein abgebildet – leider nur die Vorderseite. Abb. 7: Vorderseite eines NTS-Flugblatts in Form und Aussehen der 25-Rubel-Banknote von 1947, abgebildet in „Das Ostpreußenblatt“, Seite 4, vom 25. Dezember 1952. Die Rückseite ist ebenfalls unter www.psywarrior.com einsehbar, der Text richtet sich in russischer Sprache an „Soldat! Unteroffizier! Offizier! Bruder und Kamerad!“ und beginnt mit: „Sie haben diesen Zettel in Ihre Hand genommen. Nein, das ist kein Geld, sondern das Wort der Wahrheit. Ist es nicht wertvoller als Geld? Welchen Wert hat der Rubel in einem Land, das die Kreml-Blutsauger zum ärmsten Ort der Erde gemacht haben? Es gibt kein anderes Volk im Westen, das ärmer lebt als wir. Was bedeutet das? Das Wort der Wahrheit ist wertvoll. Und hier ist sie: Die schicksalhafte und revolutionäre Stunde naht. Der große Feind aller Zeiten und Völker – Stalin – ist bereit, Sie und das Land in das Gemetzel eines neuen und schrecklichen Krieges zu stürzen, eines Krieges, den niemand auf der Welt will, außer ihm, Stalin. Dieses Stück Mensch in Form eines Generalissimus ist verrückt und sucht unersättlich nach Macht um jeden Preis, einschließlich Ihres Blutes. ...“ usw. usf. und das NTS-Zeichen fehlte auch nicht. Der NTS hatte nach Ende des Zweiten Weltkriegs sein Hauptquartier im hessischen Flüchtlingslager Mönchehof bei Kassel eingerichtet, bevor dessen Sitz nach Limburg und später nach Frankfurt am Main verlegt wurde. In Mönchehof waren russische Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht. Aus diesem DP-Lager sind 50-Pfennig-Scheine mit der Abkürzung О.Р.Ю.Р.(O.R.U.R.) bekannt; sie steht für die exil-russische Pfadfinderorganisation Организация Российских Юных Разведчиков. Das Lager Менхегоф (kyrillische Entsprechung für Mönchehof) bestand von 1947 bis 1948. Abb. 8: 50 Pfennig, 15. III. 1948, Vs./Rs., kyrillischer Aufdruck in Schwarz, Wertbezeichnung in Deutsch. Der russischen Emigranten-Organisation NTS gehörten damals einige tausend Mitglieder an: hauptsächlich ehemalige DPs ("Displaced Persons") und frühere Angehörige der mit Hitler gegen die Sowjetunion kämpfenden Wlassow-Armee mit dem Ziel, Russland in eine Demokratie nach westlichem Muster zu entwickeln. Als Ergebnis der Unruhen in der DDR und Ostberlin ist auch die Folgeauflage der Banknoten der Deutschen Notenbank zu werten. Der Notenumlauf hatte im Februar 1954 die Menge der 1948 gedruckten 4,2 Mrd. D-Mark/Ost überschritten; die sozialpolitischen Verbesserungen des Lebensstandards machten die Ausgabe der ab 1951 nachgedruckten Banknoten unumgänglich. Diese wurden mit 7-stelligen Kontrollnummern und sog. Plattennummern nunmehr in der Leipziger Wertpapierdruckerei der DDR hergestellt. Abb. 9: 20 D-Mark/Ost, Ausgabe 1948 (1951), Vorderseite, Leipziger Druck. Abb. 10: Null-Euro-Souvenirschein 2020 „Aufstand 17. Juni“, seit 2015 in Frankreich bei Oberthur Technologies ohne Wertangabe hergestellte Scheine zeigen historische Ereignissen oder touristische Sehenswürdigkeiten (Konzept Richard Faille). Abb. 11: „Dawaitje“ (sinngemäß „haut ab“) riefen angeblich die Sowjetsoldaten aus ihrer Panzerluke den Steinewerfern in der Leipziger Straße in Ostberlin zu. 2023 jährt sich der Aufstand von vor 70 Jahren. Das Motiv des 0-Euro-Souvenirscheins ist das weltweit bekannte Foto von Simon Laird. Zwei Demonstranten werfen Steine auf sowjetische Panzer in der Leipziger Straße in Ostberlin ... und nicht auf der damaligen Charlottenburger Chaussee, der heutigen Straße des 17. Juni. Das abgebildete Straßenschild auf dem Null-Euro-Schein ist irreführend ... und peinlich. Michael H. Schöne Quellen: https://de.wikipedia.org https://pressroom.rferl.org https://sascha313.wordpress.com https://www.academia.edu https://www.grin.com https://www.lpb-mv.de https://www.n-tv.de https://www.spiegel.de (Halter, Hans: „Die Legende von den toten Russen“ 2003) https://www.psywarrior.com

  • Geldzeichen aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, Teil 2

    Am 2. August 1870 marschierten französische Soldaten der Rheinarmee unter General Frossard in die wenig geschützte preußische Grenzstadt Saarbrücken ein. Damit begann die Phase der Kriegshandlungen. Am 5. August räumte Frossard Saarbrücken wieder, da er starke gegnerische Truppenverbände in der Nähe vermutete. Damit ging die Initiative auf die drei deutschen Armeen über. Anfangs waren die Siege der deutschen Armeen mit großen Verlusten erkauft; jedoch errangen sie taktische Vorteile, sodass es den französischen Truppen nie gelang, vereint zu kämpfen. Die von der Grenze zurückgedrängten Franzosen marschierten nach Nancy und Straßburg, um sich dort neu zu formieren, während die von Marschall François-Achille Bazaine geführte Rheinarmee ihre Stellung in Metz hielt. Zwischen dem 14. und 18. August kam es hier zu drei Schlachten. Bei Mars-la-Tour (16. August) gelang es Bazaines Armee den Weg in das schwer befestigte Verdun abzuschneiden und eine Vereinigung mit der Armee Napoleons III. zu vereiteln. Nach der verlustreichsten Schlacht des gesamten Krieges in Gravelotte am 18. August zog sich die französische Rheinarmee hinter die Festungsmauern von Metz zurück und wurde von deutschen Truppen eingeschlossen. Marschall Mac-Mahon zog seine Verbände in Châlons zusammen. Sie wurden jedoch von der 3. Armee des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, dem späteren Kaiser Friedrich III., in Richtung belgische Grenze abgedrängt und in Sedan eingeschlossen. Nach starkem Bombardement kapitulierte am 2. September die eingekesselten Armée de Châlons. Mit ihr geriet auch der französische Kaiser Napoleon III. in preußische Gefangenschaft.[1] Als in Paris am folgenden Tag die Nachricht von der Niederlage eintraf, brach das bereits vorher angeschlagene kaiserliche Regime endgültig zusammen. Unter dem öffentlichen Druck gaben die Abgeordneten um Léon Gambetta nach und proklamierten am 4. September 1870 die Dritte Französische Republik. Die folgenden Monate bis zum Friedensschluss musste der entmachtete Kaiser in Gefangenschaft, in Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel, verbringen. Nach den Gepflogenheiten des Kabinettskrieges hätte die französische Niederlage bei Sedan – der größte Teil der französischen Berufsarmee geriet hier in Kriegsgefangenschaft oder war in der Festung Metz eingeschlossen – eigentlich das Ende des Krieges bedeutet müssen. Die „provisorische Regierung der nationalen Verteidigung“ in Paris sah sich jedoch außer Stande, der geforderten Abtretung des Elsass und Teilen Lothringens zuzustimmen, da dies unweigerlich zu Unruhen in Paris geführt und den Sturz der neuen Regierung bedeutet hätte. So ging der Krieg weiter. Am 9. September ergab sich Laon kampflos den Truppen des Großherzogs von Mecklenburg. Bereits am 18. September überquerte die deutschen Armeen die Marne und die Seine flussaufwärts von Paris und schlossen sich in Poissy zwischen Saint-Germain und Versailles, wo der preußische König Wilhelm und der Große Generalstab am 7. Oktober eintrafen, mit den flussabwärts gezogenen Korps zusammen. Bevor Paris am 19. September 1870 von deutschen Truppen eingeschlossen wurde, flüchtete die französische Regierung über Tours nach Bordeaux. Die massiven Festungsanlagen von Paris hielten die deutsche Heeresleitung davon ab, die Stadt erstürmen zulassen, auch fürchtete man die zu erwartenden Straßenkampfe. Moltke setzte darauf, dass die Vorräte in der belagerten Stadt nach acht Wochen aufgebraucht sein würden und die französische Regierung dann um Frieden bitten müsse. Besonders die ärmeren Schichten der Bevölkerung litten in der eingeschlossenen Stadt unter Hunger, Seuchen ((Typhus, Ruhr, Pocken) und Kälte. Der Artilleriebeschuss seit dem Jahreswechsel 1870/1871 forderte weitere Opfer. Die drei neu aufgestellten, schlecht ausgerüsteten französischen Armeen sollten Paris befreien. Nachdem es der „Ersten Loire-Armee“ nicht gelang, Paris zu entsetzen, eroberten die deutschen Truppen des Großherzogs von Mecklenburg [-Schwerin] Friedrich Franz II. und des Prinzen Friedrich Karl von Preußen am 4. Dezember Orléans wieder zurück, dass zuvor bereits am 11. Oktober von bayerischen Truppen unter dem Kommando des Generals Ludwig von der Tann-Rathsamhausen genommen worden war. Die „Zweite Loire-Armee“ unter General Chanzy konnte die deutschen Truppen am 4. Januar 1871 vor Le Mans nicht aufhalten; beim Waffenstillstand hatten sie gerade Alencon und Tours aufgegeben, hielten aber immer noch Laval. Im Süden hielt General Cambriels Vogesenarmee der Armee des Generals August von Werder nicht stand. Epinal wurde am 12. Oktober 1870 von deutschen Truppen und Dijon am 30. Oktober besetzt. Nach dem Fall von Metz am 27. Oktober 1870 standen auf deutscher Seite genügend Truppen zur Verfügung, um nun gegen die ostfranzösischen Festungen vorgehen zu können. General von Tresckows 1. Landwehrdivision, die bei Straßburg gekämpft hatte, erhielt den Auftrag die weiteren Aktionen des XIV. Korps abzusichern und die Festung Belfort zu belagern. In nordwestlicher Richtung erreichte Edwin von Manteuffels Armee am 28. November Amiens und am 6. Dezember Rouen, überquerte aber nur kurz die Seine und machte vor Le Havre halt. Erst im Januar 1871 zog seine Streitmacht weiter nach Péronne und Saint-Quntin. Als am 28. Januar der Waffenstillstand geschlossen wurde, hielt die französische Nordarmee noch immer Maubeuge, Landrecies, Cambrai, Arras und Doullens, war aber seit über zwei Monaten vom Rest des Landes isoliert. Südlich der Loire zog in Bourges die Regierung der Nationalen Verteidigung eine Armee unter dem Kommando von General Charles Bourbaki zusammen, die von Garibaldis Freiwilligenkorps verstärkt wurde. Sie sollten Belfort befreien und die deutschen Armeen von ihren Stützpunkten abschneiden. Die Verschiffung der Truppen begann jedoch erst am 21. Dezember in Nevers und die Konzentration in Besancon erst am 5. Januar. In der Zwischenzeit hatte General von Werders Truppe Dijon verlassen und zog nach Vesoul hinauf, um den Belagerern von Belfort zur Hilfe zu kommen und die französische Armee daran zu hindern, den Ort zu erreichen. Eine deutsche „Südarmee“ unter dem Kommando von General von Manteuffel wurde in der Gegend von Chatillon-sur-Seine gebildet. Sie stürmte zwischen Dijon und Langres nach Osten und schwenkte dann nach Süden ab, ließ Besancon links liegen und schnitt die Reste der französischen Armee ab, die in die Schweiz flüchtete und dort interniert wurde. Die besetzten französischen Gebiete wurden von einer preußischen Militärregierung verwaltet, die sich auf die Kooperation der verbliebenden französischen Kommunalverwaltungen stützte. Zwar wurde die Zivilbevölkerung für die Unterbringung und Versorgung der fremden Truppen in Anspruch genommen, ansonsten interessierte sich das Militär aber nicht für die Wirtschaft und das Währungswesen des Landes. „Die deutschen Heere verfuhren .. im allgemeinen mit großer Billigkeit und zwar auch, was die Festsetzung des Wertverhältnisses der beiderseitigen Münzen anbelangt. Zugrunde gelegt wurde dabei der Parikurs des französischen groben Silbergelds gegenüber dem deutschen. Man berechnete also den Taler zu dem festen Satz von 3,75 Franken und den süddeutschen Gulden zu 2,15 Franken, obwohl das silberne Fünffrankenstück gegenüber der den 10. August 1870 eingeführten französischen Papiervaluta (s. unten) in der Folge ein veränderliches kleines Aufgeld genoß. Umgekehrt ließ sich Deutschland jene Taler- und Guldenstücke an der im Friedensvertrag ausgemachten Kriegskontribution Frankreichs zu dem nämlichen Kurs anrechnen.“[2] Auch wenn einzelne militärische Verbände intern eigene Zahlungsmittel verwendeten, wurde von den deutschen Armeen und Verbänden kein Besatzungsgeld ausgegeben. Abb. 1.1/2: Preußen, 1862, 1 Thaler, Vorder- und Rückseite. Abb. 2.1/2: Baden, 1859, 1 Gulden, Vorder- und Rückseite. Noch vor Kriegsende gelang es Bismarck die süddeutschen Staaten (ohne Österreich) zum „Beitritt“ zum Deutschen Reich zu gewinnen. Die Verfassung des neuen deutschen Kaiserreichs trat am 1. Januar 1871 in Kraft. In Versailles wurde dann für alle sichtbar das Deutsche Reich aus der Taufe gehoben. Am 18. Januar 1871 versammelten sich die deutschen Landesfürsten mit ihren Stäben im Spiegelsaal des Schlosses und riefen dort den preußischen König Wilhelm zum deutschen Kaiser aus. Gerade diesen symbolträchtigen Akt nahmen die Franzosen den Deutschen übel. Nicht von ungefähr musste der Versailler Vertrag 1919, der die Niederlage Deutschland 1918 dokumentierte, an gleicher Stelle unterzeichnet werden.[3] Am 23. Januar 1871 nahm die französische Regierung gegen den Willen des Innenminister Gabetta geheime Waffenstillstandsverhandlung mit Bismarck auf. Am 28. Januar ergab sich die französische Hauptstadt und es trat ein auf 21 Tage befristeter Waffenstillstand in Kraft. Der Abschluss des Vorfriedens in Versailles sah die Abtretung eines Großteils der deutsch besiedelten Gebiete des Elsass und Teilen Lothringens vor, sowie die Zahlung von Kriegsentschädigungen bis zum März 1874. Den endgültigen Friedensschluss zögerte die französische Regierung in der Hoffnung hinaus, dass andere europäische Großmächte sich zu Gunsten Frankreichs diplomatisch einschalten würden. Diese Hoffnung wurde zunichte gemacht, da innenpolitische Ereignisse umgehendes Handeln und dazu die Duldung der deutschen Armee erforderten. Die Pariser Kommune, eine radikal revolutionäre Bewegung, bedrohte die Autorität der französischen Regierung, sodass am 10. Mai 1871 in Frankfurt am Main der endgültige Friedensschluss erfolgte. Neben den Gebietsabtretungen mit den wertvollen lothringischen Eisenerzgruben musste Frankreich 5 Millionen Goldfrancs als Reparation zahlen. Bis zur vollständigen Zahlung blieben Teile des Landes besetzt. Die deutschen Soldaten machten in Frankreich vollkommen neue Erfahrungen, wenn es darum ging, Einkäufe zu bezahlen. Zwar waren auch in Frankreich eine Vielzahl verschiedener Münzen im Umlauf, aber seit dem 7. April 1795 hatte man als erstes Land in Europa eine Dezimalwährung. Statt mit Livres rechnete man mit einem Franc zu 100 Centimes. Seit 1855 prägte die Monnaie de Paris Goldmünzen zu 50 und 100 Francs, die jedoch kaum im Umlauf anzutreffen waren. Dagegen waren die goldenen „Napoleons“ bzw. „Louis“, Münzen zu 20 Francs, die „Doubles“, 40-Francs-Münzen aus der Zeit Napoleon Bonapartes, dem ersten Konsul, französischen Kaiser und König von Italien, von Louis XVIII., Charles X. und Louis-Philippe, sowie Goldmünzen zu 10 Francs („Demis“, geprägt seit 1850) und 5 Francs („Quarts“, geprägt seit 1854) im Umlauf. Natürlich wurden sie mit Beginn des Krieges von der Bevölkerung gehortet. Bei den täglichen Zahlungen wurden dagegen zunächst weiter Silbermünzen verwendet. Die Geldbörsen waren voll von Münzen zu 5 Francs mit der Abbildung des Herkules („Union et Force“) und von Napoleon III. Zusätzlich liefen die wertgleichen Münzen der Lateinischen Münzunion aus Belgien, Griechenland, Italien und der Schweiz um.[4] Aber auch Münzen von Staaten, die nie der Münzunion angehört haben, aber nach gleichem Standard prägten, waren im Umlauf anzutreffen, so z. B. die des Kirchenstaates mit der Abbildung des Papstes. Dagegen waren die Münzen zu 2 Francs, 1 Franc und 50 Centimes aus der Zeit vor 1865 (aus 900/1000er Silber) nicht mehr gesetzliche Zahlungsmittel. In den vergangenen fünf Jahren waren aber fast 26 Millionen Münzen zu 2 Francs, fast 83 Millionen Münzen zu 1 Franc, 80 Millionen Münzen zu 50 Centimes und schließlich 12,5 Millionen Münzen 20 Centimes (835/1000er Silber) geprägt worden. Der Bestand an „Sous“ und „2 Sous“, die seit 1852 geprägt und in Umlauf gebracht wurden, betrug 331.789.765 Münzen zu 10 Centimes und 504.297.197 Münzen zu 5 Centimes, wobei fast 200 Millionen Münzen zu 1 und 2 Centimes hinzukamen.[5] Abb. 3.1/2: Empire Français, 1857, 20 Francs, Vorder- und Rückseite. Abb. 4.1/2: Empire Français, 1867, 5 Francs, Vorder- und Rückseite. Nach weniger als zwei Monaten waren jedoch auch die Silbermünzen in der vom Krieg betroffenen nordöstlichen Zone vollständig verschwunden und auch im Westen und Süden des Landes wanderten viele Münzen in die berühmt berüchtigten wollenen Sparstrümpfe. Mit dem Gesetz vom 12. August 1870 wollte die Regierung dem Horten von Münzen vorbeugen. Die Banknoten der Banque de France erhielten Zwangskurs, d. h. die Bank wurde von der Pflicht enthoben, ihre Banknoten in Gold- oder Silbermünzen einzulösen. Das Notenkontingent der Bank, die seit 1848 das alleinige Emissionsrecht in Frankreich besaß, wurde auf 1.800 Millionen Francs erhöht und die Ausgabe von 25-Francs-Noten gestattet. Nur zwei Tage später wurde der Emissionsbetrag nochmals erhöht: auf 2.400 Millionen Francs.[6] Vorsorglich hatte die Bank schon vor Ausbruch des Kriegs den Druck von 100- und 50-Francs-Noten in Auftrag gegeben. Vom 16. Juli bis zum 16. August lieferte die Druckerei der Banque de France nicht nur 500.000 Banknoten zu 100 Francs und 300.000 Noten zu 50 Francs, sondern auch rund 200.000 Banknoten zu 500 Francs und 1.000 Francs. Vom 16. August bis zum 17. November druckte sie ferner 875.000 Noten zu 25 Francs. Abb. 5.1/2: Banque de France, 11. Oktober 1870, 25 Francs, Typ Paris, Vorder- und Rückseite.[7] Obwohl die beiden erstgenannten Nominale ab Juli 1870 in viel größeren Mengen als zuvor gedruckt wurden, sind sie als normale Ausgaben zu betrachten, da die aktuellen Typen (Blaudruck) seit 1862 (geändert 1866) für 100 Francs und seit 1864 (geändert 1868) für 50 Francs geschaffen worden waren – der 50-Francs-Schein „Clermont“ ist hingegen eine Sonderanfertigung aus der Kriegszeit (siehe weiter unten). Durch die Anfang August gestiegenen Bargeldanforderungen an die Bank, fiel ihre Bargeldreserve auf 900 Millionen Francs. Dies war sicherlich auch ein Grund dafür, dass sich die Bank nicht widersetzte, als ihre Banknoten Zwangskurs erhielten. Der Rat der Bank war gezwungen ein Moratorium für Handelswechsel zu erlassen. Zwar vermied es die Bank Goldmünzen auszuzahlen, gab aber Silberbarren aus ihrer Reserve zur Münzprägung frei, um so Lohnzahlungen und Transaktionen im Kleinhandel zu ermöglichen. Dennoch fehlte immer wieder das Kleingeld. Anstelle der Banknoten zu 25 Francs ersuchte der Bankrat bei der Regierung um die Genehmigung, Banknoten zu 20 Francs ausgeben zu dürfen. Sie würden der gängigen Goldmünze entsprechen, die praktisch aus dem Umlauf verschwunden sei. Erst am 23. Dezember, als die Hauptstadt bereits seit zweieinhalb Monaten von deutschen Truppen besetzt war, konnte die Bank mit dem Druck dieser Banknoten beginnen. Sie gelangte ab Anfang Januar 1871 in Paris in Umlauf. Bis Mai 1873 wurden 49.550.000 Scheine gedruckt. Allerding wurden sie ab Ende 1872 nicht mehr in Umlauf bracht und ab Dezember 1874 eingezogen, während die 25-Francs-Scheine, deren Fälschungen frühzeitig erkannt worden waren, bereits seit Januar 1873 offiziell aus dem Verkehr gezogen wurden. Abb. 6.1/2: Banque de France, 2. März 1871, 20 Francs, Vorder- und Rückseite.[8] Ende August 1870, als Paris bereits durch den Vormarsch der preußischen Truppen bedroht war, ließ die Banque de France „Reservebanknoten“ im Wert von 300 Millionen Francs und die Klischees der Banknoten und Unterschriften zusammen mit dem Goldbestand und den Kronjuwelen abtransportieren. Die „Reservescheine“ gingen über Nantes nach Tours, wo die Regierung der Nationalen Verteidigung und einige Bankvertreter vorübergehend ihren Sitz nahmen. Später verlegten beide ihren Sitz nach Bordeaux. Die Geldkisten gelangten bis nach Bayonne und kehrten nach dem Waffenstillstand im Februar 1871 nach Paris zurück. Jedoch wurde keiner dieser Scheine jemals in Umlauf gesetzt, da der Bestand während der Zeit der Kommune eingeäschert wurde. Ebenfalls im August 1870 richtete die Banque de France eine Druckerei in Clermont-Ferrand ein, um im Falle einer Belagerung der Hauptstadt die Filialen in den nicht besetzten Departements mit Banknoten versorgen zu können. Am 13. September erreichte Ingenieur Ermel die neue Druckerei und begann umgehend mit den Arbeiten. Bereits am 8. Oktober verließen die ersten Scheine zu 25 Francs die Druckerei und am 4. November wurden 50-Francs-Banknoten in Umlauf gebracht. Diese Banknoten unterschieden sich von den weiterhin regelmäßig in Paris gedruckten Banknoten durch die Hinzufügung von drei Sternen neben bzw. über der Wertangabe bei der Banknote zu 25 Francs. Beim Wert zu 50 Francs befinden sich die Sterne vor, hinter und unter der Zeile „Banque de France“. Außerdem wurde ihre Nummerierung handschriftlich vorgenommen, während seit 1866 alle in Paris gedruckten Banknoten maschinell nummeriert wurden. Die Banknoten zu 25 Francs und 20 Francs wurden auf glattem, weißen Papier gedruckt. Banknoten auf vergilbtem Papier sind zeitgenössische Fälschungen. Die Note zu 50 Francs zeigt als Wasserzeichen einen Merkurkopf von vorne. Weniger als zwei Monate nach ihrer Inbetriebnahme hatte die Druckerei in Clermot-Ferrand bereits 400.000 Banknoten zu 25 Francs und 134.000 Banknoten zu 50 Francs gedruckt, deren Papier von einer Fabrik in Thiers geliefert wurde. Als die Druckerei Mitte Dezember stillgelegt wurde, hatte sie 440 Alphabete von Banknoten zu 25 Francs und 115 Alphabete von Banknoten zu 50 Francs gedruckt. Auch während der Belagerung arbeitete die Monnaie de Paris weiter und prägte: 1.510.300 Münzen zu 5 Francs 1.563.000 Münzen zu 2 Francs und während der Zeit der Kommune 1871: 256.410 Münzen zu 5 Francs (mit Camelinats unterschiedlichem "Dreizack") und ab Juni bei der normalen Ausgabe 237.906 Münzen zu 5 Francs 4.757.257 Münzen zu 2 Francs 2,979,881 Münzen zu 1 Franc 235.803 Münzen zu 50 Centimes aus Silber sowie 2.508.494 Münzen zu 20 Francs aus Gold. Bleibt noch zu ergänzen: Von 1872 bis 1874 stellte die Pariser Münze weitere 35 Millionen 5-Francs-Münzen und etwa 20 Millionen Teilstücke her. Die Prägung von 20-Francs-Münzen wurde 1874 wieder aufgenommen, während die Monnaie de Bordeaux von September 1870 bis Ende 1874 fast 3,5 Millionen Ecus und plus 14 Millionen Teilstücke prägte. Abb. 7.1/2: Republique Française, 1871, 2 Francs, Vorder- und Rückseite. Trotz der großen Münzproduktion und der zusätzlichen Banknotenausgaben herrschte vielerorts weiterhin ein starker Mangel an Kleingeld und Banknoten. Um Löhne und Einkäufe bezahlt zu können, musste improvisiert werden. Handelskammern, Städten und Gemeinden, lokalen Banken, Industrielle und sogar Privatpersonen emittierten „Bons de Monnaie“. Dieses Notgeld wurde unter verschiedensten Namen ausgeben, wie z. B. Bon de Circulation, Bon d’Echange, Monnaie Municipale, Bon Divisionnaire, Bon Provisoire, Monnaie Obsidionale, Bon Municipaux, Bon au Porteur, Coupure de Billet de Banque, Bons Communaux, Cheque, Bon de Grantie usw.[9] Abb.8.1/2: Ville de Lille, 17. September 1870, 20 Francs, Blankette oder Neudruck?, Vorder- und Rückseite. Abb.9.1/2: Ville de Verdun, 15. Oktober 1870, 25 Centimes, Vorder- und Rückseite. Abb.10: Decombecque Lens, 15. Oktober 1870, 1 Franc, Blankette, Vorderseite. Abb.11: Decombecque Lens, 15. Oktober 1870, 5 Franc, Blankette, Vorderseite. Abb.12.1/2: Decombecque Lens, 15. Oktober 1870, 10 Franc, Blankette, Vorder- und Rückseite. Abb.13.: Verrerie de Vauxrot Deviolaine et Cie, 1. November 1870, 1 Franc, Vorderseite. Abb.14: Ville de Saint-Quentin, o. D., 1 Franc, Vorderseite. Abb.15.1/2: Villeneuve-l'archeveque, 4. Dezember 1870, 5 Francs, Vorder- und Rückseite. Abb. 16: Banque Commerciale de Sedan, 30. Dezember 1871, 2 Francs, Neudruck, Vorderseite. Abb.17.1/2: Ville des Piceys, 1. Februar 1872, 50 Francs, Vorder- und Rückseite. In fast 50 Departements gaben etwa 400 Emittenten 1.100 unterschiedliche Scheine aus. Dabei sind zwei Ausgabeepochen zu unterscheiden. Erstens die Ausgaben von Ende 1870, die als Ersatz für die gehorteten Gold- und Silbermünzen ausgegeben wurden und zweitens die Ausgaben von Ende 1871 und Anfang 1872, die das Geld, das durch die Reparationszahlungen nach Deutschland flossen, ersetzten sollte. Sie sind eher als Kreditscheine anzusehen, die eine Erholung der Wirtschaft ermöglichen sollten. Zur letzten Gruppe gehören auch die beiden folgenden Emissionen. Abb. 18.1/2: Comptoir d'Escompte (de Paris), 16. November 1871, 5 Francs, Vorder- und Rückseite.[10] Abb. 19.1/2: Société Généraöe. 18. November 1871, 1 Franc, Vorder- und Rückseite. Im Oktober 1871 trat die Industrie- und Handelskammer Paris an die Comptoir d'Escompte mit der Bitte heran, Münzscheine auszugeben, um so der Währungskrise zu begegnen.[11] Der Rat der Bank war hierzu grundsätzlich bereit, wollte aber zu diesem Zweck eine Anleihe im Namen von neun Instituten, darunter Crédit Foncier, Crédit Agricole, Crédit Lyonnais, Banque de Paris und Banque des Pays-Bas, ausgeben und wünschte hierzu die Zustimmung der Finanzverwaltung. Zur Ausgabe gelangte ein Schein zu 5 Francs – dies entsprach immerhin dem Lohn von 15 Arbeitsstunden eines Facharbeiters – mit dem Datum vom 16. November 1871. Der Entwurf der Note stammt vom Maler Charles Camille Chazal (1825 – 1875), die Gravur besorgte Paul Dujardin (1843 – 1913) und den Druck auf Papier ohne Wasserzeichen IMP. A. CHAIX ET CIE - C. PARIS.[12] Unter dem Druck der täglich wachsenden Bedürfnisse schloss sich auch die Société Générale dem Konsortium an, gab aber eigene „Bons de Monnaie“ aus. Die Scheine zu 1, 2 und 5 Francs datieren vom 18. November 1871. Fertige Bögen lieferte die Druckerei Chaix in der Rue de Provence, wo sie mit der Serie, der Nummer und den Unterschriften des Direktors Heroin, des Hauptkassierers Lemonnier und des Kontrolleurs Voller vervollständigt wurden. Die dazu notwendigen drei Druckmaschinen, an denen der Druckereibesitzer und die Druckereibesitzerinnen arbeiteten, wurden im Erdgeschoss aufgestellt.[13] Abb. 20: Der Druck der Bons de Monnaie[14] Die Banque de France schätzte die die Umlaufhöhe der beiden Emissionen auf 50 Millionen Francs. Da sie hierin den Versuch sah, ihr Banknoten-Ausgabemonopol zu untergraben, bat sie nun ihrerseits um Genehmigung, Hilfsbanknoten unterhalb des Wertes von 20 Francs ausgeben zu dürfen. Das Gesetz vom 29. Dezember 1871 erlaubte die Ausgabe von Banknoten zu 10 und 5 Francs und erhöhte gleichzeitig den Gesamtbetrag der Emissionen auf 2.800 Millionen Francs. Ferner verbot das Gesetz jede neue Ausgabe von Notgeld. Das von Gemeinden, Banken und Privatpersonen ausgegebene Notgeld bis 10 Francs war innerhalb von sechs Monaten einzuziehen. Damit wurde impliziert, dass die Ausgabe von lokalen Ausgaben zu 20 Francs und darüber ohnehin illegal seien, da die Bank von Frankreich seit Anfang 1871 legal Banknoten zu 20 Francs ausgab. Da zu diesem Zeitpunkt noch nicht genügend kleine Zahlungsmittel vorhanden waren, durften Gemeinden und bestimmte anerkannten Einrichtungen und Vereinigungen bis Juni 1872 weiterhin Notgeld emittieren. Für den Einzug wurde ihnen eine Frist bis Ende 1872 eingeräumt. Durch Modernisierung war die Druckerei der Banque de France in der Lage, täglich 100.000 Banknoten fertigzustellen. Der Druck der 5-Francs-Noten begann am 1. Dezember 1871. Am 8. Februar 1872 konnten bereits 1.200.000 Noten in Umlauf gesetzt werden. Bis zum 19. Januar 1874 wurden 34.000 Alphabete gedruckt, was etwa 85 Millionen Banknoten entspricht, von denen in dieser Zeit bis Mitte November 1874 allerdings nur 50 Millionen in Umlauf gebracht wurden. Die restlichen 35 Millionen Scheine wurden in Reserve gehalten und erst zu Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 ausgegeben. Abb. 21.1/2: Banque de France, 10. Juli 1873, 5 Francs, Vorder- und Rückseite.[15] Ab Mitte 1873 nahmen die Banque de France und ihre Filialen nach und nach auch die Auszahlung in Münzen im Austausch gegen ihre 100-Francs-Scheine vor, und Ende 1874 versuchte sie sogar, den Umlauf ihrer 100- und 50-Francs-Scheine einzuschränken, obwohl sich die Bevölkerung schon längst an sie gewöhnt hatte und die weitere Nutzung wünschte. Das Gesetz vom 3. August 1875 sah schließlich die Abschaffung des Zwangskurses vor, aber die Banknoten der Banque de France sollten weiterhin als gesetzliches Zahlungsmittel im Verhältnis zum Bargeld (Münzen) gelten; der Zwangskurs wurde offiziell erst am 1. Januar 1878 abgeschafft. Vor allem nach der Kapitulation von Sedan, Metz und anderen französischen Festungen schwoll die Zahl der Kriegsgefangenen an, die in rund 200 Festungen und Lagern in Deutschland untergebracht werden mussten. Bis Februar 1871 kamen 11.860 Offiziere und 371.981 Unteroffiziere und einfache Soldaten nach Deutschland.[16] Ihre Unterbringung und Versorgung stellte für das deutsche Militär eine große Herausforderung dar. In früheren Kriegen war es üblich, Kriegsgefangene noch während des Feldzuges in kurzen Abständen auszutauschen; wobei Mann gegen Mann des gleichen Dienstgrades entlassen wurde. In diesem Krieg war es anders. Während für die Mannschaftsdienstgrade eine täglich fünfstündige Arbeitspflicht bestand, erhielten Kriegsgefangene Offiziere vom Hauptmann aufwärts monatlich 25 Thaler ausgezahlt, Offiziere niederen Ranges immerhin noch 12 Thaler. Während die Unterbringung der Unteroffiziere und einfachen Soldaten „im Allgemeinen nach den für die Kasernierung preußischer Truppen im Krieg bestehenden Grundsätzen“ erfolgte, d. h. sich auf das unbedingt Notwendige beschränkte und Verpflegung und Bekleidung in natura im Rahmen der Löhnung eines preußischen Gemeinen erfolgte, konnten kriegsgefangene Offiziere und ihre Burschen Privatquartiere mieten. Voraussetzung für das Wohnen in Privatquartieren und das Tragen von Zivilkleidung war, dass sie sich durch Ehrenwort verpflichteten, nicht zu fliehen, nur über den Ortskommandanten mit der Heimat zu korrespondieren und keinerlei konspirative Aktionen zu betreiben. Während die Mannschaften so weit wie möglich von der Zivilbevölkerung getrennt wurden, nahmen Offiziere am gesellschaftlichen Leben teil, durften sogar innerhalb bestimmter Grenzen Reisen. Sie hatten auch die Möglichkeit, Geld gegen Schuldscheine zu erhalten, wie das folgende Dokument belegt. Der französischer Kriegsgefangene A. Coteaux erhielt am 12. Juni 1871 in Thorn in Westpreußen von einem Joh. Mich. Schwartz jun. 26 Thaler und 20 Silbergroschen, den Gegenwert von 100 Francs, ausgezahlt. Mit dem Betrag wurde L(Ous) Roederer, Reims, belastet. Das Haus Louis Roederer ist eine 1775 gegründete Champagner-Kellerei, die sich noch heute in Familienbesitz befindet. Abb. 22: Empfangsbescheinigung vom 12. Juni 1871 über 26 Thaler u. 20 Silbergroschen = 100 Francs, Vorderseite. Die Mannschaftdienstgrade hatten nur die Möglichkeit freiwillig bei privaten Arbeitgebern zu arbeiten, um so ein zusätzliches Einkommen zu erhalten. Dr. Keller beruft sich in seinem Katalog über das altdeutsche Papiergeld auf Günter Meinhardt, der das Papiernotgeld militärischer Einheiten zusammenstellte, darunter befindet sich auch Papiergeld für Kriegsgefangene des Deutsch-Französischen Krieges.[17] Die Repatriierung der Gefangenen begann sofort nach Unterzeichnung des Präliminarfriedens vom 11. März 1871. Der großen Mangel an Eisenbahnwaggons stellte eine erhebliche logistische Herausforderung dar. Allein in Bayern wurden für den Rücktransport der knapp 39.000 Gefangenen 32 Züge mit je 40 Waggons benötigt. Ende Juni war die Aktion hier aber abgeschlossen. Nach dem Sieg über Frankreich befand sich das neu gegründete Deutsche Kaiserreich im Siegestaumel. Bei der Siegesparade am 16. Juni 1871 jubelten die Berliner Bürger 40.000 Soldaten zu, die vier Stunden lang durch festlich geschmückte Straßen marschierten, angeführt von Generalfeldmarschall Friedrich Graf von Wrangel in Begleitung des russischen Generals Freiherr von Mierendorff und des österreichischen Generals der Kavallerie Freiherr von Gablenz. Abb. 23: Parade in Berlin am 16. Juni 1871 nach W. Camphausen[18] Die Länder Baden, Bayern, Bremen, Preußen, Sachsen und Württemberg ließen es sich nicht nehmen, den Sieg numismatisch zu verewigen. Sie ließen Erinnerungsmünzen prägen: Abb. 24: Baden, 1871, 1 Kreuzer, „Zu des Deutschen Reiches Friedensfeier“, Vorder- und Rückseite. Abb. 25: Baden, 1871, 1 Kreuzer, „Der Jugend zur Erinnerung, Karlsruhe“, Vorder- und Rückseite. Abb. 26: Bayern, 1871, 1 Thaler, Vorder- und Rückseite. Abb. 27: Bremen, 1871, 1 Goldthaler, Vorder- und Rückseite. Abb. 28: Preußen, 1871, 1 Thaler, Vorder- und Rückseite. Abb. 29: Sachsen, 1871, 1 Thaler, Vorder- und Rückseite. Abb. 30: Württemberg, 1871, 1 Thaler, Vorder- und Rückseite. Uwe Bronnert Anmerkungen [1] Einzelheiten zum Kriegsverlauf: Th. Lindner, Der Krieg gegen Frankreich und die Einigung Deutschlands, Zur 25jährigen Wiederkehr der Gedenktage von 1870/71, Berlin 1895. [2] Dr. Gustav Schöttle, Der Geldkurs in vom Feind besetzten Landstrichen, Ein geschichtlicher Rückblick, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, XV. Band, 1919, S. 53. [3] Uwe Bronnert, Vor 150 Jahren: „Seine Majestät, der Kaiser Wilhelm lebe hoch!“, , 3/2021 vom 18. O1.2021 [4] Albert Niederer, Die Lateinische Münzunion, Katalog sämtlicher Münzen der 5 Unionsstaaten mit gesetzlicher Gültigkeit in der Schweiz von 1852 – 1927, Hilterfingen 1976. [5] Victor Gadoury, Monnaies Françaises 1789 – 1975, Deuxième édition, Baden-Baden 1975. [6] Die Ausführungen zur Banque de France folgen weitgehend den Angaben bei Raymond Habrekorn, Catalogue des Papiers Monnaie Français de la Guerre de 1870 (Periode 1870 – 1873, Bulletin de la Société d’Etude pour l’Histoire du Papier-Monnaie, 10e – 11e -12e Années – 1955 – 1956 – 1957, Auxerre 1958. [7] Quelle: (22.05.2023) [8] Quelle: (23.05.2023) [9] Yves Jérémie, Les Billets de Necessité Français de la Guerre de 1870 – 1871, Collection „Histoire du Papier-Monnaie Français“, Volume 15, 2009. [10] Quelle: (21.05.2023) [11] Comptoir d’Escompte de Paris, Rapport a l’Assemblée Généraö Extraordinaire des Actionnaires, Du 31 Janvier 1872, Compte Rendu des Opérations du 1er Juillet au 31 Décembre 1871, S. 12 f. (21.05.2023) [12] (21.05.2023) [13] Société Générale, Centenare 1864 – 1964, S. 65. [14] L ‘Illustration, Journal Universel, No. 1500, 25 November 1871, Seite 4 [15] Quelle: (22.05.2023) [16] S. hierzu Manfred Botzenhart, Französische Kriegsgefangene in Deutschland 1870/71, in: Francia, Forschungen zur Westeuropäischen Geschichte, 21/3 (1994), S. 13 – 28. [17] Dr. Arnold Keller, Das Papiergeld der altdeutschen Staaten (Taler- und Guldenscheine) vom 17. Jahrhundert bis zum Jahr 1914, Berlin-Wittenau 1953, S. 106 – 113. [18] Th. Lindner.

  • Nullen auf Papier – Besuch bei einem Notgeldkünstler

    Als Sammler von badischen Notgeldscheinen hatte ich das besondere Glück, 1980 mit Professor Alfred Kusche den Gestalter einiger Scheine von St. Georgen, Karlsruhe, Weinheim sowie die der Murgtalgemeinden Gaggenau, Gernsbach und Forbach noch persönlich kennengelernt zu haben. Der Künstler war damals bereits 96 Jahre alt. Nach dem Kauf einer Sammlung mit vielen kleinen bunten Serienscheinen sagte mir 1980 der Verkäufer, dass er in der Gaststätte des Karlsruher Turmbergbads wiederholt einen älteren Herrn getroffen habe, der die dortigen Notgeldscheine gestaltet hat. Ich war aufgeregt, denn sowohl unter den Motiven der Karlsruher Scheine als auch unter denen von Gaggenau, Gernsbach und Forbach stand A. KUSCHE. „Der steht im Telefonbuch!“ lautete die Antwort des Wirts der Gaststätte. Und tatsächlich meldete sich ein Herr Kusche und wir vereinbarten einen Termin bei ihm in Karlsruhe-Durlach. Alfred Kusche war sehr erfreut, dass sich nach sechs Jahrzehnten noch jemand für die von ihm gestalteten Notgeldscheine interessierte. Als er mein Album mit den Scheinen von St. Georgen, Karlsruhe, Weinheim und denen von Gaggenau, Gernsbach und Forbach mit der Lupe aufmerksam studierte, fuhr es aus ihm heraus: „Alte Bekannte schauen mich an!“ Alfred Kusche beim Besuch 1980. „Alte Bekannte schauen mich an!“ sagte Alfred Kusche, als er die von ihm gestalteten Scheine in der Sammlung von Michael Wessel betrachtete. Foto: Helma Wessel. Der Karlsruher Künstler Professor Alfred Kusche und das von ihm gestaltete Notgeld Der Künstler Alfred Kusche (*21. 4. 1884 + 9. 7. 1984) Der freischaffende Künstler Alfred Kusche war familiär vorbelastet, denn bereits sein Vater war Mitinhaber der Kunstdruckerei Kusche & Eder in Karlsruhe. So lernte er bereits früh das Drucken und Buchbinden. Nach dem Besuch des Lehrerseminars und zwei Jahren Berufspraxis hatte er sich 1904 an der Kunstgewerbeschule Karlsruhe eingeschrieben, um Zeichenlehrer zu werden. Nach dem Examen unterrichtete er drei Jahre an der Goldschmiedeschule Pforzheim und wurde ab 1908 an die Großherzogliche Baugewerkeschule berufen. Dort brachte er Gewerbelehrern das Zeichnen, Modellieren und Metalldrücken bei. Als andere Ausbildungsstätten Kusche abwerben wollten, wurde er 1920 mit 36 Jahren zum Professor ernannt, um ihn zu halten. Vier Jahre später wurde jedoch die Ausbildung von Gewerbelehrern eingestellt und Kusche in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. So wurde er ein erfolgreicher, vielseitiger freischaffender Künstler und zählt heute zu den bedeutenden Vertretern der Karlsruher Kunstszene zwischen 1909 und 1923. Mineralwasser-Werbung von Alfred Kusche für Peterstaler Schwarzwald-Perle. "Mein heimisches Mineralwasser ist auch gesund für Sie!" Zigaretten-Werbung von Alfred Kusche für Waldorf-Astoria. Kusche zeigte mir eines seiner Auftragsbücher, in dem er jeden erledigten Auftrag fein säuberlich notiert hatte. Ich war beeindruckt von der Vielfalt und der Vielzahl und fragte, ob er noch Zeit zum Schlafen gehabt habe. Darauf erklärte er mir, dass er immer versucht habe, sehr unterschiedliche Aufträge nacheinander zu erledigen: Eine Anzeige, eine Medaille, ein Tapetenmuster, ein Vasendekor und so weiter. Durch die Abwechslung sei er nicht so schnell ermüdet und habe sehr wenig Schlaf gebraucht. Eine Fleischkarte machte den Anfang Durch gute Kontakte zum Karlsruher Oberbürgermeister bekam Kusche bereits 1917 den Auftrag zur Gestaltung einer Fleischkarte für die badische Haupt- und Residenzstadt. Er setzte seinen ganzen Ehrgeiz in die Gestaltung und so hebt sie sich von den sonst üblichen Lebensmittelkarten jener Zeit ab. Neben der Fleischkarte schenkte mir Kusche auch den Andruck der Rückseite für eine Brotkarte. Beides gewissermaßen auch eine Art "Notgeld". Karlsruhe, Stadt: Fleischkarte für die Sonderzulage April bis Mai 1917. Als gegen Ende des Ersten Weltkriegs die Banknoten knapp wurden, erhielt Alfred Kusche den Auftrag, einen Fünf-Mark-Schein für seine Heimatstadt zu entwerfen, der dann mit Datum vom 16. Oktober 1918 ausgegeben wurde. Karlsruhe, Stadt: Gutschein zu 5 Mark vom 16. Oktober 1918, Vorder- und Rückseite. Eine besondere Note haben die beiden Notgeldscheine für St. Georgen im Schwarzwald über fünf und zehn Mark die noch mit Datum 1. November 1918 mit der besonderen Bezeichnung „Kriegsgeld“ herausgegeben wurden. Auch bei ihnen wurde der Eindruck der Wertigkeit und die Fälschungssicherheit durch Prägestempel erhöht. Das Deutsche Kulturmuseum Leipzig bescheinigte seinerzeit, dass die Scheine in solch künstlerischer Weise hergestellt wurden, dass man sie in einer ausführlichen Broschüre ausdrücklich erwähnen wolle. Außerdem erkundigte man sich nach dem Künstler, denn Kusche hatte nur mit „A. K.“ signiert. Einige dieser 5-Mark Scheine wurden übrigens später – am 25. Oktober 1923 – mit dem Überdruck „10 Milliarden“ erneut in Umlauf gesetzt. St. Georgen, Stadt: Kriegsgeld zu 5 Mark vom 1. November 1918, Vorder- und Rückseite. St. Georgen, Stadt: Kriegsgeld zu 10 Mark vom 1. November 1918, Vorder- und Rückseite. Nicht ohne Stolz erklärte Alfred Kusche, dass diese Scheine anstelle der Reichsbanknoten in der Bevölkerung akzeptiert wurden, was bei einfach gestalteten Notgeldscheinen oft nicht der Fall war. Als Anfang 1919 Kleingeld wieder knapp wurde, da deren Metallwert den Nennwert übertraf und es daher „gehamstert“ wurde, veranlassten die von ihm bekannt gewordenen Scheine von St. Georgen den Bürgermeister von Weinheim an der Bergstraße, Dr. Wettstein, sich im Februar 1919 an Kusche zu wenden, um Scheine über 25 und 50 Pfennige für seine Stadt gestalten zu lassen. Wieder mit reicher Verzierung durch Ornamente und mit geprägtem Stadtwappen erschienen im diese dann April 1919. Weinheim, Stadt: Kleingeldschein zu 25 Pfennig vom 23. April 1919, Vorder- und Rückseite. Weinheim, Stadt: Kleingeldschein zu 50 Pfennig vom 23. April 1919, Vorderseite und Vergrößerung der Drucknummer. „Für die Auftraggeber war das bequem, denn dank meiner guten Beziehungen zu Druckereien überwachte ich anschließend den Druck und lieferte danach die fertigen Geldscheinbündel ab“, erinnerte sich der Senior. Er machte mich aber auch auf eine Besonderheit beim 50-Pfennig Schein aufmerksam: Nach der Nennung der Doering‘schen Kunstdruckerei Karlsruhe i. B. folgt: „133 – 1 PS“. Letzteres hatten die Stadtvorderen als Drucknummer eingeordnet. Kusche klärte sie nach der Ausgabe der Scheine aber auf, dass des sich um den Hinweis auf eine Bibelstelle handelt, die er dem Stadtrat gewidmet habe, denn da heißt es im „Segen der brüderlichen Eintracht“ im Satz 1 von Psalm 133: „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!“ Nachdem ein Jahr später auch in Karlsruhe Not an Kleingeldmünzen entstand, gestaltete er mit Ausgabedatum vom 22. April 1920 einen kleinen feuerroten 50-Pfennig-Schein. Dieser hat eine Besonderheit, auf die mich Kusche aufmerksam machte: Auf der Rückseite wird anstelle der Schraffur in Sütterlinschrift aus Goethes Faust zitiert: „Such Er den redlichen Gewinn! Sei er kein schellenlauter Tor! Es trägt Verstand und rechter Sinn Mit wenig Kunst sich selber vor. Und wenn’s euch Ernst ist, was zu sagen, Ist’s nötig, Worten nachzujagen? Ja, eure Reden, die so blinkend sind, In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt, sind unerquicklich wie der Nebelwind, Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!“ Karlsruhe, Stadt: Gutschein über 50 Pfennig vom 22. April 1920, Probedruck und Endfassung der Vorderseite. Karlsruhe, Stadt: Gutschein über 50 Pfennig vom 22. April 1920, Probedruck und Endfassung der Rückseite. Karlsruhe, Stadt: Gutschein über 50 Pfennig vom 22. April 1920, Vergrößerung der Randschrift. Auf die Frage, wie er auf die Idee gekommen sei, antwortete Kusche sinngemäß: „Es war immer ein Heidenarbeit. Nachdem der Entwurf gebilligt war, fertigte ich alle Druckplatten unter großem Zeitdruck in Tag- und Nachtarbeit selbst an. Da gönnte ich mir so eine kleine Abwechslung der teilweise monotonen Kleinstarbeit.“ 1921 meldeten sich wieder die Stadtvorderen von Weinheim und beauftragten ihn erneut mit der Gestaltung von zwei Kleingeldscheinen im Nennwert von 25 und 50 Pfennig mit Ausgabedatum 13. Juli. Auf den 25-Pfennig Schein schrieb Kusche: „Unser Geld werd nimmer schimmlich. Denn wir brauchen immer ziemlich!“ – Bis zur vorgesehenen Ausgabe der Scheine hatte jedoch die Inflation sehr an Fahrt aufgenommen und über Pfennigbeträge dachte niemand mehr nach, als sie gedruckt waren. Je ein Exemplar – noch ohne Kontrollziffer – schenkte mir Kusche bei dieser Gelegenheit. Eine kostbare Ergänzung meiner Sammlung. Weinheim, Stadt: Gutschein zu 25 Pfennig vom 13. Juli 1921 ohne Kontrollnummer und ohne Überdruck, nicht ausgegeben. Weinheim, Stadt: Gutschein zu 25 Pfennig vom 13. Juli 1921 mit Kontrollnummer und mit Überdruck zu 250 Mark. Weinheim, Stadt: Gutschein zu 50 Pfennig vom 13. Juli 1921 ohne Kontrollnummer, Vorder- und Rückseite, nicht ausgegeben Weinheim, Stadt: Gutschein zu 50 Mark vom 4. Oktober 1922, Vorderseite. Später wurden die 25-Pfennig Scheine mit dem Überdruck „250 Mark“ versehen und in großer Zahl in Umlauf gebracht. Und bei den Druckplatten für den 50-Pfennig Schein änderte diese Kusche auf das Mark-Symbol und das Datum auf 4. Oktober 1922. So erschien dieser schön gestaltete Schein doch noch im Umlauf. Nachdem die Reichsregierung nach verschiedenem Hin und Her mit Erlass vom 18. September 1922 die Herausgabe von Notgeld unter bestimmten Voraussetzungen wieder gestattet hatte, beantragten die Murgtalgemeinden Gaggenau, Gernsbach und Forbach dieses gemeinsam herausgeben zu dürfen. Am 5. Oktober 1922 hieß es In ihrer dringenden Bitte an das Innenministerium um Genehmigung: „Unsere großen Betriebe konnten heute ihre Angestellten und Arbeiter nicht ausbezahlen. Es ist daher dringend nötig, daß das Notgeld längstens nächsten Donnerstag, den 12. diesen Monats, in den Verkehr kommt.“ Am Folgetag kam ein Telegramm des Reichsfinanzministeriums: „Genehmige gemeinsame Ausgabe von 70 Millionen Mark Notgeld durch Gemeinden Gernsbach, Gaggenau, Weisenbach und Forbach. Stücke bis 1000 Mark, Laufzeit längstens 2 Monate muß aus Scheinen ersichtlich sein und bekannt gemacht werden. Gegenwert tatsächlich ausgegebenen Notgeldes ist auf gesperrtes Konto der Reichskreditgesellschaft Berlin zu überweisen“. Von den 70 Millionen Mark wurden Gaggenau 38, Gernsbach 22 und Forbach 10 Millionen zugesprochen. Gernsbach übernahm es, Weisenbach und Obertsrot mit zu versorgen. In der Zwischenzeit hatten sich die Gemeinden mit der Doering'schen Buch- und Kunstdruckerei in Karlsruhe in Verbindung gesetzt. Und so erhielt Alfred Kusche – inzwischen neben seiner Lehrtätigkeit deren künstlerischer Leiter – den Auftrag für die Gestaltung einer interessanten Serie mit Scheinen über 20, 50, 200 und 500 Mark mit einheitlichen Vorderseiten und unterschiedlichen Rückseiten. Als Ausgabemonat wurde der Oktober 1922 genannt. Gaggenau, Gernsbach und Forbach, Gemeinden: Gutschein über 20 Mark vom Oktober 1922, Vorder- und Rückseite mit Ansicht von Gaggenau. Bei der Stadtansicht von Gaggenau waren mir die sieben Schornsteine aufgefallen. Kusche erklärte mir dazu verschmitzt: „Rauchende Schornsteine galten damals als Symbol für eine florierende Industrie. Ich habe noch ein paar dazu gemogelt!“ – Als Gaggenauer Bürger beeindruckt mich, dass Kusche die Markenzeichen der großen örtlichen Arbeitgeber Benz-Gaggenau, Eisenwerke Gaggenau und Bergmanns Industriewerke und das Stadtwappen geschickt in die Darstellung integrierte. Nebenbei: Das Industriedorf Gaggenau war im Vormonat zur Stadt erhoben worden. Gaggenau, Gernsbach und Forbach, Gemeinden: Gutschein über 200 Mark vom Oktober 1922, Rückseite mit Ansicht von Gernsbach. Gaggenau, Gernsbach und Forbach, Gemeinden: Gutschein über 500 Mark vom Oktober 1922, Rückseite mit Ansicht von Forbach. Aufgefallen war mir, dass es von den Scheinen des Murgtals jeweils verschiedenartige Kontrollziffern und mehrere Wasserzeichen gab. Ich hatte dies auf unterschiedliche Auflagen zurückgeführt. Aber Kusche erklärte mir, dass in der Eile alle in dem Moment verfügbaren Maschinen und alle greifbaren Papiere verwendet wurden. Ich war erneut sehr erfreut, als mir Alfred Kusche dann Musterbögen der Doering'schen Buch- und Kunstdruckerei Karlsruhe schenkte, auf denen einige dieser Murgtalscheine aber auch solche für St. Georgen, Weinheim und Karlsruhe – die allermeisten ohne Kontrollziffer – waren. Welch ein Glücksfall für einen Sammler! Die Scheine der Hochinflation Ein Notgeldschein von Alfred Kusche sorgte im Februar 1923 für Schlagzeilen und war in aller Munde: Der Notgeldschein für die Landeshauptstadt Karlsruhe vom Februar 1923 – jetzt schon über 10.000 Mark. Unverfänglich war noch die Vorderseite mit Schiffen auf dem Rhein und einem Lastenkran sowie Lagerhäusern und die Karlsruher Pyramide im Hintergrund. Dazu der Spruch: „Wo einst der Rhein uns lautres Gold bescheert – schafft heute Fleiß uns Goldes Wert“. Und auf der Rückseite mit dem Motiv „Goldwäscher am Rhein bei Karlsruhe um 1800“, war der Spruch zu lesen: „Gold des Rheines münzten einst die Väter hier. Enkel drucken heute Nullen auf Papier.“ Soweit so gut. Aber auf dem Kübel eines Goldwäschers war zudem „L M A 2“ zu lesen, obwohl weder die Buchstaben noch die Zahl in der Vorlage, ein bekanntes Gemälde von …………, enthalten waren. Die Aufregung war in Karlsruhe und darüber hinaus groß, als dies auffiel. Karlsruhe, Stadt: Gutschein zu 10.000 Mark vom Februar 1923, Vorder- und Rückseite. Karlsruhe, Stadt: Gutschein zu 10.000 Mark vom Februar 1923, Ausschnitt-Vergrößerung des Kübels auf der Rückseite mit "L M A 2". Dazu erklärte mir Kusche verschmitzt, er habe sich zu einer Wette mit dem Karlsruher Oberbürgermeister hinreißen lassen, dass er sogar in sechs statt der bisherigen ohnehin schon knapp bemessenen zehn Tagen die fertigen Scheine liefern werde. „Bis die Städte ihre Scheine bezahlten, hatte das Geld nur noch einen Bruchteil ihres Wertes. Das ärgerte mich zusätzlich, während ich Tag und Nacht arbeitete. Da mogelte ich „L M A 2“ auf den Kübel. Ich gewann die Wette, die Scheine wurden schnell ausgegeben und die Aufregung war groß, als die Beschriftung des Kübels auffiel!“ Einem Kritiker schickte Kusche aus seinem Urlaub in Tirol danach das folgende Gedicht, das ebenfalls in der Tageszeitung veröffentlicht wurde: Zeitungsausschnitt mit dem Gedicht von Alfred Kusche. Als Zufall bezeichnete es Kusche hingegen, dass bei näherer Betrachtung einer der Goldwäscher am Galgen hängt, wenn man den Schein gegen das Licht hält. Es war der durchschimmernde Kran der Rückseite. Auch die Städte Gaggenau und Gernsbach hatten sich aufgrund erneuter Zahlungsmittelnot im Februar 1923 wieder die Genehmigung geben lassen, auch Tausender und Fünftausender ausgeben zu dürfen. Sie wurden wieder von Kusche gestaltet, aber eigenartigerweise wird wieder Oktober 1922 als Ausgabemonat genannt. Bei diesen Scheinen wurde jedoch auf der Vorderseite die Stadt Gaggenau oder die Stadt Gernsbach besonders hervorgehoben. Aber auch die anderen beiden Murgtalgemeinden wurden wieder genannt. Gaggenau, Gernsbach und Forbach, Städte: Gutschein über 10.000 Mark vom Oktober 1922, Vorderseite. Gaggenau, Gernsbach und Forbach, Städte: Gutschein über 5.000 Mark vom Oktober 1922, Rückseite. Gaggenau, Gernsbach und Forbach, Städte: Gutschein über 1.000 Mark vom Oktober 1922, Vorderseite. Gaggenau, Gernsbach und Forbach, Städte: Gutschein über 5.000 Mark vom Oktober 1922, Rückseite. Bei den folgenden Gaggenauer Scheinen über eine und zwei Millionen Mark vom August 1923 im Vergleich zu den zuvor verausgabten ist anzumerken, dass sie unter größerem Zeitdruck entstanden sein mussten, denn die Texte und Ziffern waren weitgehend gesetzt und nicht mehr gezeichnet. Die beiden anderen Murgtalgemeinden wurden nicht mehr aufgeführt. Gleiches gilt für spätere Scheine über 20 und 50 Milliarden vom Oktober 1923. Bei Letzterem reichte die Zeit offensichtlich nicht aus, die vorgesehenen Kontrollziffern einzusetzen. Gaggenau, Stadt: Gutschein über 1 Million Mark vom August 1923, Vorderseite. Gaggenau, Stadt: Gutschein über 2 Million Mark vom August 1923, Rückseite. Gaggenau, Stadt: Gutschein über 20 Milliarden Mark vom Oktober 1923, Rückseite. Gaggenau, Stadt: Gutschein über 50 Milliarden Mark vom Oktober 1923 ohne Kontrollnummer, Vorderseite. Anders im September, Oktober und November für Gernsbach. Hier zeigte Alfred Kusche erneut sein besonderes künstlerisches Talent und seinen Ideenreichtum: Auf einem Gutschein der Stadt Gernsbach vom September über 10 Millionen Mark mit geprägtem Wappen und geprägter Ziffer 10 ist nach einem Stahlstich von Frommel mit dem Schloss Eberstein unter anderem ein Ritter beim sogenannten Grafensprung, dann der Markgraf mit einem Weinkelch und der damalige Verwalter Heinrich Würtenberger nur mit einem Krug Murgwasser zu sehen. In einem geschwungenen Band ist zu lesen: „Den Ebersteinern half der edle Schloßbergwein – dagegen uns nur noch der Nullenschein“. Und weiter heißt es beginnend beim Grafensprung hoffnungsvoll: „Der Sprung zur Tiefe rettet‘ einst den Grafen kühn – wann wird der Marksprung aufwärts uns aus der Papierflut zieh’n?“ Gernsbach, Stadt: Gutschein über 10 Million Mark vom September 1923, Vorderseite. Gernsbach, Stadt: Gutschein über 10 Milliarden Mark vom Oktober 1923, Rückseite. Gernsbach, Stadt: Gutschein über 10 Milliarden Mark vom Oktober 1923, Rückseiten-Detail mit Flickenhose. Der rasche Geldwertverfall wird auch daran deutlich, dass im folgenden Oktober ein gleichartiger Schein mit anderen Farben als 10-Milliarden-Schein erschien. Zu diesem Schein wies mich Kusche darauf hin, dass er den Schloss-Verwalter Würtenberger nicht leiden konnte. Daher habe er ihm bei einem weiteren Druck Flicken auf die Hose gesetzt. Gernsbach, Stadt: Gutschein über 100 Milliarden Mark vom November 1923, Vorder- und Rückseite. Einen Monat später folgte der Notgeldschein über 100 Milliarden Mark – ebenfalls wieder aufwendig gestaltet. Als Motiv wählte Kusche den Storchenturm. Dazu schrieb er in den Nullen der Hundert: „Froh lebt der Storch in seinem Turm – wenn’s kalt wird fliegt er weiter“ und „O Mensch vertrau! – Nach jedem Sturm wird’s Wetter wieder heiter“. In seiner Heimatstadt Karlsruhe hatte man, nachdem zwischenzeitlich auch zwei andere Künstler beauftragt worden waren, im August 1923 Alfred Kusche offensichtlich verziehen, denn er wurde auch in den folgenden drei Monaten, also bis zum Ende der Hochinflation, mit der Gestaltung von mehreren Scheinen beauftragt. Auch sie sind wieder ein Beleg seines besonderen Könnens. Karlsruhe, Stadt: Gutschein über 500.000 Mark vom 9. August 1923, Vorder- und Rückseite. Den Anfang machte am 9. August ein Schein über 500.000 Mark mit vier Stadtansichten mit dem Gotischen Turm, dem Nassauischen Palais, dem Durlacher Tor und dem Ettlinger Tor. Karlsruhe, Stadt: Gutschein über 5 Milliarden Mark vom 23. August 1923, Vorder- und Rückseite. Der Sprung in die Milliarden wurde noch im gleichen Monat mit einem Schein über fünf Milliarden vom 23. August gemacht. Er zeigt den Rondellplatz um 1855 nach einem Stich. Karlsruhe, Stadt: Gutschein über 5 Millionen Mark vom 25. August 1923, Vorder- und Rückseite. Auf 5 Millionen lautete dann trotzdem nochmal ein weiterer Schein mit Ausgabedatum 25. August 1923 mit dem ersten Bahnhof von Karlsruhe 1855. Aber ab Oktober gab es nur noch Scheine auf Milliarden-Beträge. Alfred Kusche erinnerte sich dazu sinngemäß: „Dem Oberbürgermeister habe ich damals spaßhalber einen Schein auf Gummi gedruckt und ihm gesagt, den könne man langziehen wie man wolle und so viele Nullen draufdrucken wie nötig.“ Karlsruhe, Stadt: Gutschein über 20 Milliarden Mark vom 1. Oktober 1923, Rückseite. Karlsruhe, Stadt: Gutschein über 50 Milliarden Mark vom 1. November 1923, Vorderseite. Für den 20-Milliarden-Schein vom 1. Oktober verwendete Kusche ein Stahlstichmotiv von 1855 mit der katholischen Kirche und dem Ständehaus. Und der Einfachheit halber wiederholte er beim Schein über fünfzig Milliarden Mark vom 1. November nochmals die Ansicht mit dem Rondellplatz, die er bereits für den Schein über 5 Milliarden verwendet hatte. Ohne schmückende Stadtansicht und ohne aufwendigen Prägestempel musste dann im November noch eine Schein über 100 Milliarden Mark auskommen. Eine Zahl mit elf Nullen! Karlsruhe, Stadt: Gutschein über 100 Milliarden Mark vom November 1923, Vorderseite. Ein Notgeldschein von Alfred Kusche erlebte den von ihm auf dem 10-Milliarden-Schein von Gernsbach erhofften Marksprung: Mit Datum vom 15. November 1923 gab die Stadt Gaggenau von ihm gestaltete „Spargutscheine für Gas und Wasser über Fünfzig Goldpfennige“ heraus. Damit hatte Kusche insgesamt 44 Notgeldscheine gestaltet. Gaggenau, Stadt: Spargutschein für Gas und Wasser über 50 Goldpfennig vom 15. November 1923, Vorderseite. Notgeldscheine für Waldorf-Astoria Bereits seit 1909 pflegte Alfred Kusche Kontakte zur Zigarettenfabrik Waldorf-Astoria, nachdem er bei ihnen den 2. Preis bei einem Preisausschreiben gewonnen hatte, und wurde zwanzig Jahre deren künstlerischer Berater. Für sie entwarf er 1923 drei Notgeldscheine über 5, 10 und 20 Millionen Mark mit Ausgabemonat September, die dann mit Überdruck zu 5, 10 und 20 Milliarden aufgewertet wurden. Auch sie erscheinen durch ihren Ornamentenreichtum und einen Prägestempel wertig. Außerdem gestaltete Alfred Kusche auch einen Gutschein über 1 Goldmark vom Oktober 1923 von Waldorf-Astoria. Stuttgart, Cigarettenfabrik Waldorf-Astoria: Gutschein über 5 Millionen Mark vom September 1923, Vorderseite. Stuttgart, Cigarettenfabrik Waldorf-Astoria: Gutschein über 10 Millionen Mark vom September 1923 mit Überdruck zu 10 Milliarden Mark, Vorderseite. Stuttgart, Cigarettenfabrik Waldorf-Astoria: Gutschein über 1 Goldmark vom Oktober 1923 ohne Kontrollnummer, Vorderseite. Ausstellung zum 100. Geburtstag Aus Anlass seines 100. Geburtstags würdigte das Badische Landesmuseum Karlsruhe vom 14. April bis 1. Juli 1984 in Anwesenheit des Künstlers dessen Lebenswerk mit einer Ausstellung. Gezeigt wurden insbesondere seine Keramiken, Treibarbeiten und Grafiken aus der Zeit von 1908 bis 1923. Im Begleitheft wird die große Bandbreite des künstlerischen Schaffens von Alfred Kusche deutlich. Alfred Kusche spricht anlässlich der Ausstellung zu seinem 100. Geburtstag. Wenige Tage nach Ende der Ausstellung starb Alfred Kusche am 9. Juli 1984 nach einem erfüllten und von seinem Schaffen geprägten Leben, wie es in der Trauerkarte heißt. Michael Wessel Quellen/weitere Informationen Alfred Kusche zum 100. Geburtstag – Keramiken, Treibarbeiten, Graphik 1908 bis 1923, Begleittext zur Ausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe vom 14.4. bis 1.7.1984. Das Papiergeld von Baden – 1949-1948, Günter Rupertus, Ludwigshafen, 1988. Deutsches Notgeld, Band 3: Das deutsche Großnotgeld 1918-1921, Anton Geiger, Regenstauf, 2010. Deutsches Notgeld, Band 4: Die Notgeldscheine der deutschen Inflation, Manfred Müller, Regenstauf, 2010. Stadtarchiv Karlsruhe: 1. Mappe mit Vorarbeiten von Kusche zu Notgeldscheinen (Zeichnungen, Probedrucke etc.) – 2. Text von Kusche zu seinem 10.000-Mark-Schein (Zeitgeschichtliche Sammlung).

  • Die drei Währungsreformen vor 75 Jahren in Deutschland

    Am 8. Mai 1945 streckte die Deutsche Wehrmacht ihre Waffen und kapitulierte in Berlin-Karlshorst vor den vier Alliierten: Das Deutsche Reich war geschlagen und wurde von den Truppen der Siegermächte besetzt – im Juni 1945 wurden die vier Militärregierungen eingerichtet. In der Mitteilung vom 2. August 1945 über die Dreimächtekonferenz von Berlin (= Potsdamer Abkommen) vereinbarten die alliierten Staatsführer Truman, Churchill und Stalin im Abschnitt B/Wirtschaftliche Grundsätze, Punkt 14: »Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Mit diesem Ziel sind gemeinsame Richtlinien aufzustellen hinsichtlich: ... e) der Währung und des Bankwesens ...«. Abb. 1: Aufteilung des verbliebenen Deutschlands nach der letzten Fassung der Zonenprotokolle vom 13. August 1945: grün = britische Zone/britischer Sektor, rosa = sowjetische Zone/sowjetischer Sektor, gelb = französische Zone/französischer Sektor, violett = US-amerikanische Zone (mit der Enklave Bremen/Bremerhaven)/US-amerikanischer Sektor. Das Bestreben, gemeinsame Bestimmungen für die zukünftige Verwaltung der vier Besatzungszonen und der vier Berliner Sektoren auszuhandeln und einzuhalten, scheiterte an den unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen der jeweiligen Militärregierungen. Spätestens seit der Rede von Winston Churchill am 5. März 1946 in Fulton (Missouri) zerstritten sich die vier Siegermächte, die in den beiden Währungsreformen in West und Ost gipfelten. Der stark zerrütteten Reichsmark stand nur eine geringe Warenproduktion gegenüber; Nahrungsmittel und Rohstoffe waren streng rationiert, Schwarzmarkt und Naturalhandel bestimmten den Alltag der Bevölkerung. Eine Währungsreform mit einer gemeinsamen neuen deutschen Währung war erforderlich. Die sowjetischen und französischen Regierungen zeigten jedoch wenig Interesse an einer Reform. Sie benötigten viel Geld für den Unterhalt ihrer Truppen und gaben große Mengen an alliierter Militärmark aus. Dennoch einigten sich die Großen Vier auf Entwürfe neuer Geldscheine mit entsprechenden Probedrucken. Im März 1948 wurden die Bemühungen um eine gesamtdeutsche Währung aber endgültig beendet. In Vorbereitung auf den kommenden „Tag X“ (Tag des nötigen Geldumtauschs) hatten die Westalliierten schon 1947 beschlossen, Geld für eine separate Währungsreform zu drucken; im Mai 1947 reiften erste Pläne darüber und im September 1947 erteilte die US-amerikanische Staatsdruckerei BEP erste Druckaufträge an die privaten Wertpapierdruckereien Forbes LMCo., Tudor Press Co. und die American Bank Note Co. Die ersten Auslieferungen an das BEP erfolgten Mitte November 1947. Mit dem Frachter „American Farmer“ kamen die ersten neuen Banknoten am 25. November 1947 in 4.800 Holzkisten über Bremerhaven nach Deutschland. Auf den Scheinen stand die neue Währungsbezeichnung „Deutsche Mark“. Währungsreform West Am 18. Juni 1948 verkündeten alle Rundfunkstationen in den Westzonen den bevorstehenden Währungsaustausch zum 20. Juni 1948. Zuvor waren im sog. „Konklave von Rothwesten“ nahe dem hessischen Kassel alle technischen und geldpolitischen Erfordernisse geregelt worden. Mit der Einführung der D-Mark am 21. Juni 1948 wurden Löhne, Gehälter, Renten und Mieten im Verhältnis 1:1 umgewertet. Sparguthaben verloren dagegen an Wert. Preisbindungen wurden aufgehoben. Am folgenden Montag waren die Schaufenster wieder halbwegs voll, auch mit zum Teil zuvor zurückgehaltenen und gehorteten Waren und Lebens- und Genussmitteln. Spurlos verschwand der Schwarzmarkt. Am Sonntag konnten erwachsene Personen auch für ihren Haushalt die alte Reichsmark durch die neue Deutsche Mark umtauschen. Jeder durfte zunächst 40 Reichsmark zum Kurs 1:1 und einen Monat später weitere 20 Reichsmark zum selben Kurs umtauschen. Beträge darüber mussten eingezahlt werden, Guthaben wurden im Verhältnis 10:1 umgetauscht. Die Münzen blieben zu einem Zehntel ihres Nennwertes im Zahlungsverkehr. Reichsschulden in Form von Staatsanleihen erloschen, ebenso u. a. Guthaben von NS-Organisationen. Umgetauscht wurden die geltenden Reichsbanknoten, Rentenbankscheine und die Militärmarknoten der Alliierten. Abb. 2: „Badische Zeitung“, Titelseite der Sonderausgabe vom 19. Juni 1948. Abb. 3: Von der Reichs- zur D-Mark; Spiegel online 18. Juni 2008 (Quelle: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz). Beispielsweise wurden in die kleine fränkische Marktgemeinde Roßtal 125.185 D-Mark in Kisten aus dem benachbarten Cadolzburg gebracht; 788 Anmeldungen mit dem Vordruck A wurden für 2.771 Einwohner vorgelegt. Außerdem wurden in dem Dorf Militärmarkscheine in Höhe von 149 Mark abgeliefert. Insgesamt wurden 110.840 D-Mark ausgezahlt und die restlichen 14.345 D-Mark sowie das eingetauschte Altgeld mit einer „Abrechnung der Kartenstelle Roßtal“ vom Bürgermeister an Mitarbeiter des dortigen Ernährungsamtes übergeben. Abb. 4: Altgeldmenge in Reichs-/Renten-Mark und Menge an neuer D-Mark (5-RentM-Scheine waren in den Angaben der RM-Scheine enthalten). Differenzen in den Gegenrechnungen zu den Altgeld-Summen erklären sich dadurch, da einige Bewohner die nötigen 60 RM nicht vorlegen konnten. Im Umtausch wurden am 20. Juni 1948 nur die sechs Wertstufen zu ½ und 1 DM (Druck: Forbes LMCo.) sowie 2, 5 und 20 DM (Druck: TudorPress Co.) und 50 DM (Druck: ABNCo.) ausgegeben; die 100-DM-Scheine kamen erst ab 15. Juli 1948 in Umlauf. Am 4. Oktober 1948 trat das „Vierte Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Festkontengesetz)“ vom 30. September 1948 in Kraft. Dort wurde festgelegt, dass 70 Prozent der Sperrkonten-Guthaben gestrichen wurden – 10 Prozent gingen bis 1954 auf ein Anlagekonto; die restlichen 20 Prozent wurden in der Umstellung von 100:6,5 gutgeschrieben: für 100 Reichsmark erhielt man 6,50 D-Mark. Insgesamt war die Währungsreform im Westen ein wirtschaftlicher Erfolg; trotz anfänglicher hoher Arbeitslosenzahlen kam die westdeutsche Wirtschaft in Schwung – der Lebensstandard stieg. Das nach dem damaligen US-Außenminister George C. Marshall benannte Wirtschaftsförderungsprogramm (European Recovery Program) war ein hilfreiches, aber auch eigennütziges Unternehmen der USA, das die Lieferung von Lebensmitteln, Industriegütern, Maschinen und Rohstoffen einschl. Kohle und Öl beinhaltete und aus Krediten finanziert werden musste. Abb. 5: 5 D-Mark 1948, Vs., Banknote, aus der ersten Lieferung stammend. Abb. 6: Restauszahlung der „Kopfgeld“-Quote im Juli 1948 von 20 D-Mark je Person. Abb. 7: 100 D-Mark 1948, Vs., Banknote, aus der Erstausstattung stammend, sog. „Roter Hunderter“, in Größe der US-Dollars. Zukunftsweisend und Optimismus verbreitend kann man die Rede von Dr. Heinrich F. Köhler werten, die der damalige Finanzminister von Württemberg-Baden am 19. Juni 1948 im Militärsender Radio Stuttgart hielt: „Die Würfel sind gefallen: am Abend des 18. Juni sammelten sich die Menschen der vier Zonen der Besatzungsgebiete am Rundfunk, um die schicksalhafte Verkündung des 1. Gesetzes der Militärregierungen über die Währungsreform entgegenzunehmen. ... Die Währungsreform ist da. Die drei westlichen Alliierten haben es unternommen, die deutsche Geldwirtschaft und damit das deutsche Leben selbst und ohne Mitwirkung der Deutschen neu zu ordnen. ... Ohne eine Regelung der Geldwirtschaft wäre unser eigener Wiederaufbau – schon viel zu lange hingehalten – ebenso wenig möglich, wie der Zugang zu den Kraftfeldern, die der Marshallplan erschliessen will, noch lange abgesperrt und verschlossen geblieben. ... Aufs tiefste zu bedauern ist dabei, daß die östliche Zone nicht in das Reformwerk eingeschlossen werden konnte. Die drei westlichen Alliierten haben keine Zeit und Mühe gescheut, ihre östlichen Partner zu veranlassen, die politische Einheit des deutschen Landes durch eine Währungsreform vorzubereiten. Die Trennung einer Wirtschaft, die viele Jahrhunderte lang eng und sinnvoll verflochten war, reißt Wunden auf, deren Heilungsmittel noch niemand kennt. Es ist ein nationales Unglück, dessen Größe überhaupt noch nicht zu übersehen ist. Es bleibt nur die Hoffnung, dass Einsicht und Vernunft eines Tages über einen Standpunkt siegen werden, den wir zwar anhören, aber nicht verstehen können. Die Reichsmark hat aufgehört zu existieren. 25 Jahre lang war sie der untrügliche Gradmesser des deutschen Lebens. An ihre Stelle tritt die Deutsche Mark. Dieser Notenumtausch ist kein rein bankmäßiger Vorgang. Die Deutsche Mark muß einen anderen Weg gehen, wie die verblichene Reichsmark ihn gegangen ist ... Die volle Tragweite des Gesetzwerkes läßt sich heute noch nicht übersehen. Selbst die Frage, ob dieses Gesetz der Gesundung des Geldes dient, oder ob – den Mensch in den Mittelpunkt des Geschehens stellend – es die Wiederkehr der öffentlichen Wohlfahrt eröffnet, läßt sich noch kaum beantworten. ... Von der sozialen Gestaltung und Auswirkung des ganzen Gesetzeswerkes hängt es ab, ob es nur allein die Ordnung oder auch den ersehnten Segen bringen wird. Das Gesetz, das die drei Besatzungsmächte geben, zeigt, daß wir als Volk noch vor der Bewährung stehen. ... Es sind keine märchenhaften Sterntaler, die uns mühelos in den Schoß fallen: jede neue Mark setzt sich aus hundert Pfennigen zusammen, die erarbeitet werden müßen. ... Zwei Probleme allerdings harren noch dringend der Lösung: die Steuerreform und der Lastenausgleich. Sie beide werden erst die Wirksamkeit und Fruchtbarkeit des neuen Geldes ermöglichen. Wenn Sie am morgigen Sonntag zum Umtausch des Geldes zu den Kartenstellen gehen, dann denken Sie doch bitte auch darüber nach, was dieser Gang bedeutet: Es ist die letzte Station des Passionsweges, auf den ein Adolf Hitler das deutsche Volk geführt hat. Die Währungsreform ist die Schlussbilanz dessen, was im Nebenzimmer des Sterneckbräus in München begann und in der bedingungslosen Kapitulation unseres Volkes in Reims besiegelt wurde. Jeder von uns, ob schuldig oder unschuldig, muß morgen den Wechsel einlösen, den das Dritte Reich ausgestellt hat. Wir wünschen aber auch, daß diese Bilanz einen Schlußstrich ziehen möge unter die deutsche Tragödie ...“ Insgesamt lagen am Tag des Währungstauschs neue Banknoten in Höhe von 8.853,52 Mio. D-Mark vor. Die Deutsche Bundesbank gibt die Erstausstattung stets mit 10.701,72 Mio. D-Mark an – das ist aber die Gesamtsumme zum 31. Dezember 1948. Währungsreform Ost Im Osten musste die sowjetische Militärregierung auf die separate Währungsreform reagieren; die Befürchtung war groß, dass Unmengen alter, wertloser Reichsmark in den Osten strömen könnten. In den Nachtstunden vom 21. Juni 1948 kündete man im (Ost-)Berliner Rundfunk eine Währungsreform für die Ostzone und Großberlin an. Der legendäre SMAD-Befehl 111/48 vom 23. Juni 1948 enthielt die Bedingungen des Geldumtauschs. Die im Befehl enthaltenen Ausführungen schienen sozial gerechter: man konnte 70 Reichsmark in 70 „neue Reichsmark“ umtauschen. Spareinlagen bis 100 RM wurden ebenfalls 1:1 umgeschrieben – bis 1.000 RM im Verhältnis 5:1 sowie bis 5.000 Reichsmark 1:10 nach Prüfung des Kontos. Abb. 8: „Tägliche Rundschau“, Ankündigung der Währungsreform in der SBZ und Großberlin, Titelseite vom 23. Juni 1948. Da ostdeutsche DM-Banknoten noch nicht vorlagen, wurden die alten RM-/RentM-Geldscheine mit sog. Spezialkupons beklebt. Deshalb nannte man diese neue Währung auch „Tapetenmark“, „Klebemark“ oder „Berliner Rubel“. Kupons in der Menge von 6.425,0 Mio. Mark lagen im Osten schon seit dem Frühjahr 1948 vor; sie wurden in Leipzig gedruckt und dann in Höhe von 4.115,0 Mio. Mark für den Umtausch vorgelegt; davon liefen in Ostberlin und der Ostzone nur um die 2.000,0 Mio. Mark bei der Bevölkerung um. Die sowjetische Militärregierung verbot sofort den Umlauf der D-Mark/West in ihrer Besatzungszone und Berlin, so dass schnellstmöglich, innerhalb weniger Tage, das Reichsgeld im Osten in einer groß angelegten Aktion mit den Spezialkupons beklebt werden musste und so als neue Währung diente. Abb. 9: das Bekleben des alten Reichsgelds mit Kupons erfolgte auch im Berliner Gebäude der Deutschen Wirtschaftskommission. Abb. 10: 10 Reichsmark mit aufgeklebtem 10er-Kupon 1948. Am 19. Juni 1948 begannen die Klebeaktionen bspw. in den 21 Kreisen des Landes Mecklenburg. Schon mittags begannen 9.824 Personen in Tag- und Nachtschichten mit den Klebearbeiten; am 21. Juni 1948 lag dann das „neue“ Geld in Höhe von 570,0 Mio. vor. Getauscht wurde das Geld von 1.784.195 Personen in 822 festen und 59 mobilen Umtauschstellen. In Sachsen hingegen erfolgte die Weisung zur Klebeaktion schon am 18. Juni 1948, 20.40 Uhr. Den Personen, die sich für Tag- und Nachtschichten von Freitag bis Sonntag verpflichten mussten, jeweils 2.000 Klebungen in sieben Stunden zu schaffen, wurde eine Verpflegung von 250 gr. Brot und Getränke sowie die Abgabe von 10 Zigaretten zugesichert. Etwa 10.300 regimetreue Mitarbeiter aus Schulen, Ministerien, der Post, Sparkassen und Banken usw. waren angehalten, diese gewaltige Arbeit zu bewältigen. Mit 1.027.565 Anträgen wurde Altgeld in Höhe von 863,818 Mio. RM umgetauscht. Offiziell beklebt wurden Scheine zu 1, 2 und 5 Rentenmark sowie Reichsbanknoten zu 5, 10, 20, 50 und 100 RM. 1000-RM-Scheine und alliierte Militärmarkscheine wurden nicht beklebt. Der Geldumtausch endete am 28. Juni 1948 und ab 25. Juli 1948 wurden durch SMAD-Befehl 124/48 die in Moskau gedruckten D-Mark/Ost-Banknoten in Verkehr gebracht; die beklebten Interimsnoten wurden zum 28. Juli 1948 ungültig. Abb. 11: 10 D-Mark der Deutschen Notenbank (Ostberlin). Währungsreform Westberlin Dem Vorhaben der sowjetischen Militärregierung, ihre Geldreform auch in den Westbezirken Berlins durchzuführen, widersprachen die drei westlichen Stadtkommandanten energisch; Westberlin gehörte nicht zur sowjetischen Besatzungszone und nach Verhandlungen der „Großen Vier“ entschieden sich die drei westlichen Stadtkommandanten für die Einführung der D-Mark/West in den drei Westsektoren. Die Bedingungen des Geldtauschs waren die gleichen wie in Westdeutschland. Abb. 12: „Die Neue Zeitung“ kündigt in ihrer kostenlosen Sondernummer vom 23. Juni 1948 eine Währungsreform auch für Westberlin an; ab 25. Juni 1948 konnte man Altgeld in die D-Mark/West umtauschen. Schon am 19. Juni 1948 brachten neun US-Flugzeuge die D-Mark-Banknoten nach Westberlin. Dort bunkerte man 201,76 Mio. D-Mark im York House und ab dem 25. Juni 1948 konnten in 216 Umtauschstellen neue Geldscheine umgetauscht werden. Durch Vorlage eines B-gestempelten Personalausweises konnten Einzelpersonen bzw. Haushaltsvorstände der über 3,2 Mio. Einwohner ihr Altgeld einwechseln. Zuvor wurden die angelieferten DM-Banknoten mit den gleichen B-Stempeln (33 mm Durchmesser) gekennzeichnet – aus Vorsicht vor inneren und äußeren politischen Ereignissen und aus statistischen Gründen. Das Londoner Foreign Office forderte, dass sich die D-Mark/West in Westberlin von der D-Mark in den Westzonen eindeutig unterscheiden soll. Als Kennzeichnung wurde vorgeschlagen, entweder die Banknoten zu überstempeln oder in Berlin nur eine bestimmte Nummernserie der neuen Noten auszugeben. Man entschied sich für die Abstempelung und seit dem 14. August 1948 wurde die B-Kennzeichnung durch eine B-Perforation vereinfacht. Abgestempelt und/oder perforiert wurden alle D-Mark-Banknoten der Stückelungen ½ bis 100 DM – mit Ausnahme der 50-DM-Banknote o. D., (Grabowski WBZ-10, sog. „Liberty-Note“; die WBZ-22-Noten wurden amtlich nicht gekennzeichnet, das sind sog. Gefälligkeitsabstempelungen). Abb. 13: Abstempelung von 5-DM-Scheinen in Westberlin (Quelle: phoenix-Dokumentarfilm „Operation Luftbrücke“, Bildausschnitt). Abb. 14: 20 DM o. D., Vs., Austauschnote mit B-Stempel, etwa 800.000 Exemplare gedruckt. Die Währungssituation zeigte ab 25. Juni 1948 in ganz Berlin dieses Paradoxon: in Ostberlin galten die alten Reichsbanknoten und Rentenbankscheine mit aufgeklebten Spezialkupons – der Umlauf von D-Mark/West war dort verboten. In Westberlin kursierten die neuen D-Mark/West-Geldscheine mit oder ohne B-Kennzeichnung. Die Ostmark wurde im Westteil der Stadt geduldet. Der Kleingeldumlauf machte das Währungschaos noch schlimmer: die Reichsmünzen zu 5 und 10 Rpfg./RentPfg. blieben im Ostteil Berlins und in der SBZ im Nennwert bis zum 2. April 1949 im Umlauf – die 1-Pfennig-Münzen noch bis 31. März 1950. Die 50-Rpfg.-Münzen aus Aluminium galten nur bis 31. Oktober 1948. Im Westteil waren alle Kleinmünzen bis zum 19. März 1949 umlauffähig – zu einem Zehntel ihres Nennwertes. Die 50-Pfennig-Münzen wurden in Westberlin schon am 14. Oktober 1948 ungültig. Ab 20. März 1949 war die D-Mark/West das einzige gesetzliche Zahlungsmittel in Westberlin. Zeitgleich mit der ostzonalen Währungsreform begann auf Weisung der sowjetischen Regierung am 24. Juni 1948 die Blockierung aller Zufahrtswege zu den Berliner Westsektoren. Am Vortag wurde kurz vor Mitternacht das Großkraftwerk Golpa-Zschornewitz abgeschaltet. Sämtlicher Schienen- und Straßenverkehr wurde gesperrt; auch Fußgänger durften nicht mehr aus Brandenburg nach Westberlin und der Verkehr auf dem Wasser wurde ebenfalls gestoppt. Die sog. Berlin-Blockade dauerte bis zum 12. Mai 1949. Abb. 15: Berliner vor der sog. Wechselstube am S-Bahnhof Zoo in Westberlin (Quelle: Deutsches Historisches Museum; Inventar-Nr. F 63-1350). Sofort nach Einführung der DM/West und DM/Ost eröffneten in Westberlin die legendären Wechselstuben. Aufgrund der Mangelversorgung im Osten und der Entlohnung der sog. Grenzgänger wurde die DM/Ost in DM/West und umgekehrt getauscht. Es festigte sich ein Wechselkurs von anfangs 1 DM/West für 2 DM/Ost. Je nach politischen Ereignissen und wirtschaftlichen Entwicklungen kletterte der Umtauschkurs von 1:4 im Oktober 1948 bis 1:9 im März 1950. Bis zum Mauerbau 1961 in Berlin war es viele Jahre in Ostberlin üblich, dass Ostdeutsche/Ostberliner beim Kauf – auch für eine Bockwurst am Kiosk – ihre Personalausweise vorzeigen mussten. Westdeutsche/Westberliner sollten in Westgeld bezahlen, was aber meist umgangen wurde. Von offizieller Seite wurde in der Ostzone und der späteren DDR stets ein Wechselkurs von 1:1 vorgegeben. Ein Mindestumtausch in DDR-Mark für DDR-Besucher war ab Dezember 1964 stets zum Zwangskurs 1:1 vorgeschrieben. In einem Fall jedoch mussten Kassen und Banken den Umtausch von DDR-Mark in D-Mark ebenfalls im Verhältnis von 1:1 einwechseln. So konnten DDR-Bürger für ihre Fahrten nach der Bundesrepublik oder Westberlin sog. Zehrgeld (ursprünglich 70 DDR-Mark in 70 D-Mark) umtauschen; später reduzierte man die Geldmenge auf 15 DDR-Mark für 15 D-Mark. Abb. 16: Eintrag des ausgezahlten Zehrgelds in einem DDR-Personalausweis für den Aufenthalt in der Bundesrepublik in Höhe von 15 D-Mark/West aus dem Jahr 1979. Erstaunlicherweise wurde die Bezeichnung „Deutsche Mark“ für das neue Geld ab 1948 von der sowjetischen Militärregierung für das Ostgeld übernommen; erst mit der Einführung der Mark der Deutschen Notenbank 1964 erhielt die DDR-Währung einen neuen Namen. Abb. 17: Edward A. Tenenbaum, Leutnant im Stab der US-Militärregierung und Assistent im Stab von Jack Bennett, Finanzberater des US-Militärgouverneurs Lucius D. Clay von 1946 bis 1950. Nicht Ludwig Erhard, der erste Bundesminister für Wirtschaft und spätere Bundeskanzler, ersann den Begriff „Deutsche Mark“, sondern ein Offizier der US-Armee – schon 1946. Der Name geht auf Edward Tenenbaum zurück. Seine Ehefrau erinnerte sich: „Er fragte mich, wie mir der Name »Deutsche Mark« gefiele ...“ und antwortete „... phantastisch, man muß es nur schöner aussprechen – deshalb sagen wir in Amerika ja auch »Deutschmark«“. Dieser Name blieb dann, erst als vorläufiger und schließlich als endgültiger Begriff, bestehen. Michael H. Schöne Quellen: Fotos: BArch, Bild 146-1982-181-20; BArch, Bild 183-M0425-326, Otto Donath) Deutsche Bundesbank: Monatsbericht März 2002 Wöhnl, Claudia: „Als man mit der Kuponmark bezahlte“ (https://www.sparkassengeschichtsblog.de/26. Juni 2015)

  • 50-Rubel-Wechselgeldschein der Transkaspischen Region von 1919

    Das Generalgouvernement Turkestan wurde 1868 im Zuge der russischen Eroberung Mittelasiens errichtet, die Hauptstadt war Taschkent. Es umfasste zunächst die Oblaste (Verwaltungsbezirke) Fergana, Samarkand, Siebenstromland (Semiretschensk, Семиреченская Область) und Syr-Darja. Der vorher zum Generalgouvernement Kaukasus gehörende Oblast Transkaspien kam erst 1894/1899 dazu.[1] Nicht zum Generalgouvernement gehörten, obwohl mitten in der Region liegend, das Emirat Buchara und das Khanat Chiwa, beide waren seit 1868 bzw. 1873 Vasallen Russlands. Abb. 1 zeigt eine Karte der Region, farbig sind die damaligen Verwaltungsbezirke gekennzeichnet, die darüber gelegten Linien sollen die Grenzen der späteren Republiken zeigen. Die Schreibweise der Städtenamen passt nicht immer. Abb. 1: Turkestan um 1900 (Quelle: Wikipedia-Artikel zum Generalgouvernement Turkestan). Taschkent wurde später die Hauptstadt von Usbekistan und Samarkand und Fergana Oblast-Hauptstädte in Usbekistan. Werny/Alma-Ata (Siebenstromland) war später die Hauptstadt von Kasachstan. Aschchabad[2] (1919-1927 Poltorazk) wurde Hauptstadt von Turkmenistan. Das Ferganabecken allerdings gehört(e) zu drei Ländern: Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan. Im Zuge der Revolution von 1917 kam es auch in Turkestan zu Umwälzungen. Im April 1917 trat in Taschkent ein Kongress der Muslime Turkestans zusammen, um über die Zukunft der Region zu beraten. Ende des Jahres soll es acht verschiedene Regierungen in der Region Turkestan bzw. an deren Grenzen gegeben haben.[3] Der Sowjet der Turkestaner Region mit Sitz in Taschkent erhob Anspruch auf ganz Turkestan. Anfänglich musste er sich aber selbst in der Stadt Taschkent die Macht mit dem Taschkenter Sowjet teilen. Erst beim 5. Sowjetkongress Ende April 1918 versammelte sich eine größere Zahl von Delegierten aus allen Teilen Turkestans und am 1. Mai verkündeten sie die Gründung der Turkestaner Sowjetrepublik.[4] Aber auch danach hatte die „Zentralregierung“ lange Zeit nur wenig Einfluss. Zur Geldgeschichte der Region gibt es eine Darstellung von Vasjukov, sein Abschnitt 4.4 behandelt Turkestan[5]. Grundlage der turkestanischen Emissionen war das Dekret des Sownarkom der RSFSR, also der Regierung der Russischen Sowjetrepublik, vom 3. September 1918. Damit war der Taschkenter Abteilung der Volks-(früher Staats-)-Bank das Recht zur Ausgabe von Provisorischen Kreditscheinen des Turkestaner Kraj (Turkestaner Region) gegeben worden. In Übereinstimmung mit dem Dekret vom 24. April 1919 des Sownarkom der RSFSR erhielten diese Scheine, genannt Turkboni (туркбоны) Gleichwertigkeit zu gesamtstaatlichen Geldzeichen (also Geldscheinen der RSFSR) im Gebiet der Oblaste Transkaspien, Samarkand, Siebenstromland, Syr-Darja, Fergana, Turgajsk und Akmolinsk sowie in Chiwa und Buchara. Die Oblaste Turgajsk und Akmolinsk gehörten nicht zu Turkestan, sie lagen nördlich davon und gehörten ehemals zum Generalgouvernement der Steppe. Die nachfolgenden Dekrete und Verordnungen des Sownarkom der RSFSR über die Erweiterung des Ausgaberechts kamen meist zu spät, sie legalisierten nur bereits vorgenommene Emissionen. Ab 1. Januar 1921 wurden die Turkboni aus dem Umlauf genommen und zum Kurs von 10 Rubel Turkboni gleich 1 Rubel gesamtstaatlicher Geldzeichen getauscht. Obwohl der Marktkurs 2 bis 2,5 Rubel Turkboni gleich 1 Rubel gesamtstaatlicher Geldzeichen betrug, verlief die Geldreform erfolgreich und die Vereinheitlichung der Geldzeichen der Turkestanischen Autonomen SSR wurde erreicht. Es folgen bei Vasjukov Auflistungen der Ausgaben der einzelnen Herausgeber und Ausgaben: Sownarkom des Turkestaner Kraj, Transkaspische Provisorische Regierung, Oblast Siebenstromland, Regierungen des Emirs von Buchara und des Khans von Chiwa sowie die beiden Volksrepubliken Buchara und Chiwa. Im Detail gibt es Differenzen zu den anderen Katalogen bzw. den vorliegenden Geldscheinen. So gibt es für 1918 für den Turkestaner Kraj nur Provisorische Kreditscheine, aber keine Wechselgeldscheine! Die sehr wenigen Abbildungen machen eine Zuordnung schwierig! Im Katalog von Kardakoff[6] sind es insgesamt sogar 22 Herausgeber von Geldscheinen, inkl. des Oblast Siebenstromland, der Emirate Buchara und Choresm/Chiwa und der beiden gleichnamigen Volks-Sowjet-Republiken. Im Katalog von Rabčenko[7] gibt es eine völlig andere Anordnung, hier sind die Ausgaben aus Transkaspien unter Turkmenistan einsortiert. Vergleicht man die in der Region Turkestan ausgegebenen Geldscheine zum Beispiel mit Scheinen aus Transkaukasien, fallen einige Unterschiede auf: Das Russische auf den Geldscheinen ist deutlich dominanter, auf einigen Scheinen erschöpft sich die Beschriftung in einheimischer Sprache auf die Kurzform der Wertangabe, d. h. auf Wertzahl und Währungsangabe. Verwendet wurden zunächst die Wappen der Oblaste im Generalgouvernement, der Adler der Provisorischen Regierung und später dann das Wappen der RSFSR. Eigenständige Wappenschöpfungen für die Region gab es nicht, jedenfalls wurden sie nicht für die Gestaltung der Geldscheine genutzt. Auf einigen Scheinen tauchten lediglich neben dem Adler der Provisorischen Regierung Halbmond und Stern auf. Vorgestellt wird ein Wechselgeldschein zu 50 Rubel, datiert auf das Jahr 1919.[8] Der in Abb. 2 gezeigte Schein wurde ausgegeben von der Aschchabader Abteilung der Volksbank[9] im Auftrag der Provisorischen Regierung Transkaspiens. Nach Katalog gab es vom gleichen Herausgeber mit der gleichen Jahreszahl auch Scheine zu 5, 10, 25, 100 und 250 Rubel. Daneben soll es von der „Transkaspischen Volksbank“ einen 500-Rubel-Schein gegeben haben, ein 10-Rubel-Schein der „Aschchabader Abteilung der Staatsbank“ sei nicht ausgegeben worden. Abb. 2a,b: 50 Rubel der Aschchabader Abteilung der Volksbank. Nach Fedtke[10] gab es in Transkaspien eine kurzlebige sozialistische Provisorische Regierung, in Opposition zu der ebenfalls sozialistischen Regierung in Taschkent, die den Anspruch erhob, ganz Turkestan zu vertreten. Die Konflikte zwischen dem Sowjet in Taschkent und dem Sowjet der (europäischen) Eisenbahnarbeiter in Aschchabad eskalierten, im Juli 1918 bildeten die Eisenbahnarbeiter eine „demokratische Regierung“ unter Leitung des „Transkaspischen Provisorischen Exekutivkomitees“. Sie gewannen britische Unterstützung, hielten sich aber nur kurze Zeit. Im Januar 1919 wurde ihre Regierung gestürzt.[11] Der vorgestellte Schein ist relativ groß, er hat die Abmessungen 148,5 mm x 103 mm. Die Vorderseite zeigt das Wappen des Transkaspischen Verwaltungsbezirks, eine aufgehende Sonne im hellblauen Unterdruck, Wert- und Bankangabe in Russisch sowie drei Unterschriften vom Leiter der Bank, vom Kontrolleur und vom Kassierer. Die Rückseite enthält die Wertangabe in drei Sprachen – oben und unten Russisch, rechts zweimal in Armenisch, links zweimal in arabischer Schrift. Mittig das Kleingedruckte ist in russischer Sprache. Im Unterdruck gibt es drei große kyrillische Buchstaben: „З.В.П.“. Das Kleingedruckte auf der Rückseite enthält die Aussage über den Auftraggeber und die zwei Standardsätze auf Geldscheinen dieser Zeit: „Ausgegeben auf Verfügung der Transkaspischen Provisorischen Regierung. Ist gleichwertig im Umlauf zu staatlichen Kreditscheinen. Fälschung wird nach Gesetz verfolgt.“ Als Auftraggeber wird die Transkaspische Provisorische Regierung genannt. Die drei großen Buchstaben im Unterdruck der Rückseite – eigentlich sind sie nicht gedruckt, sondern beim Druck des Musters ausgespart – sind die Abkürzung dazu: „З.В.П.“. Sie stehen für „Закаспійское Временное Правительство“, nach der Reform des Alphabetes: „Закаспийское“. Wer diese Transkaspische Provisorische Regierung bildete, ist vermutlich mit den oben vorgestellten Aussagen nach Fedtke geklärt. Die zeitliche und räumliche Gültigkeit des Geldscheins dagegen lässt sich weder aus den Angaben auf dem Geldschein noch aus anderen Quellen erkennen. Die Wertangabe in arabischer Schrift (Abb. 3a) unterscheidet sich deutlich von den Wertangaben auf den in Taschkent ausgegebenen Scheinen. Übertragen heißt es „elli manat“ - also „fünfzig Manat“.[12] Im Turkmenischen wurde der Rubel als „Manat“ bezeichnet, auch heute noch ist der Manat die turkmenische Währungseinheit. Ein Vergleich mit dem 50-Rubel-Schein der Republik Aserbaidschan von 1919 – auch dieser war arabisch beschriftet und auch hier hieß der Rubel Manat – ergibt Übereinstimmung, wenn dort auch die Silben des Wortes Manat übereinander geschrieben wurden. Auf den in Taschkent ausgegebenen Scheinen dagegen heißt der Rubel SO'M, so wie auf den heutigen usbekischen Scheinen. Abb. 3a,b: Ausschnitte mit den Wertangaben. Die zweite Wertangabe auf der Rückseite ist eindeutig in Armenisch (Abb. 3b). Wie kam es zu der armenischen Beschriftung auf dem Schein? In einem Beitrag zum Transkaspischen Oblast werden Zahlen zur Zusammensetzung der Bevölkerung 1897 genannt.[13] Hier werden Armenier als Minderheit aufgeführt, allerdings ohne Zahlenangaben. In einigen Städten Turkestans sollen sie nach Fedtke einen bedeutenden Bevölkerungsanteil gestellt haben. Russen und Ukrainer bildeten in Transkaspien zusammen 8,6% der Bevölkerung, die Hauptsprache des Geldscheins war Russisch. Turkmenen waren 65%, mit Kasachen, Persern und Tataren zusammen waren es über 86%, die die Wertangabe in Turkmenisch – in arabischer Schrift – lesen konnten. Und für die armenische Minderheit – deren Rolle in der Wirtschaft ebenso wie das Engagement ihrer Partei Daschnakzutiun nach der Revolution größer als ihr Anteil an der gesamten Bevölkerung war, gab es die Wertangabe in Armenisch. Յ Ի Ս Ո Ւ Ն ՐՈԲԼԻ = YISOWN ROBLI = Fünfzig Rubel. Vergleicht man die Wertangabe mit der Aufschrift auf dem 50-Rubel-Schein der Republik Armenien von 1919, so stellt man fest, dass die Angabe „Fünfzig“ identisch ist, beim Wort „Rubel“ hingegen gibt es kleine Unterschiede. Solche bzw. ähnliche Abweichungen gab es aber auch bei den sicherlich in Georgien hergestellten transkaukasischen Gemeinschaftsausgaben. Gegenüber den Scheinen der Republik Armenien ist der erste Buchstabe nicht korrekt (in der Übertragung R statt Ṙ), außerdem fehlt der dritte Buchstabe, in der Übertragung heißt es also ROBLI statt ṘOWBLI (ՌՈՒԲԼԻ). Waren das regionale Unterschiede in der Rechtschreibung? Abb. 4: Ausschnitt mit der Wappendarstellung. Der Unterdruck der Vorderseite zeigt eine aufgehende Sonne. Oberhalb der Sonnenscheibe befindet sich die Wappendarstellung (Abb. 4). Der Wappenschild ist von goldenen Eichenzweigen umgeben, um die das sogenannte Alexanderband gewickelt ist. Oberhalb wächst aus dem Schild ein (naturalistischer) Doppeladler. Der Wappenschild repräsentierte sowohl die Stadt Aschchabad als auch den Transkaspischen Oblast (Zakaspijskaja Oblast’). Er zeigt auf blauem Schild mit goldenem Schildfuß einen silbernen Tiger ohne Krallen, mit roter Zunge und roten Augen. In seiner rechten Pranke hält der Tiger einen goldenen Bogen mit zerrissener Sehne. Das Wappenbild in dieser Form war für Stadt und Oblast am 31. Januar 1890 bestätigt worden.[14] Beim ursprünglichen Wappen ruhte allerdings auf dem Schild die alte Zarenkrone. Auf dem Geldschein ist das Wappen natürlich ohne Farbe dargestellt. Farbige Abbildungen gibt es dagegen bei Speranzov[15]. Die Wappendarstellung demonstriert m.E. deutlich, dass es sich um ein Wappen für eine besiegte und eroberte Region handelt. Der Tiger – vergleichbar den Löwen in sehr vielen Wappen – ist Symbol für Herrschaft und Stärke. Hier ist es aber ein Tiger, dem seine Krallen entfernt wurden, seine Waffe – der Bogen – wurde zerstört. 1919, bei der Gestaltung des Geldscheins, wurde das Wappen noch verwendet. Durch den aus dem Schild wachsenden naturalistischen, seiner Insignien beraubten, Doppeladler wurde das Wappen an die Zeit nach dem Sturz des Zaren angepasst. Die „Herrscher“ waren jetzt europäische Eisenbahnarbeiter und Soldaten. Bezüglich der Sichtweise auf die „eroberte“ Region hatte sich vermutlich nicht sehr viel geändert. Später, in der Sowjetunion, spielten Wappen immer noch eine wichtige Rolle, aber nur wenn man das auf die Darstellung der Wappen der UdSSR und der einzelnen Sowjetrepubliken und die Beschäftigung mit ihnen bezieht.[16] Dazu kam die Erforschung und Publikation alter kommunaler und regionaler Wappen[17] - aber nicht unbedingt die Verwendung derselben im Alltag. Populärwissenschaftliche Bücher informierten über die Wappen anderer Länder.[18] Nach Machatschek gab es in den 1960er-Jahren – in Vorbereitung auf den 50. Jahrestag der Oktoberrevolution – eine Aktion „Jeder Stadt ein eigenes Wappen“.[19] Vorhandene alte Wappen wurden geprüft und übernommen oder überarbeitet. Für Städte ohne Wappen oder mit aus damaliger Sicht nicht mehr nutzbarem Wappen wurden neue entworfen. In einem leider nicht datierten Beitrag von Machatschek stellt er ein Wappen oder eher ein Logo der Stadt Aschchabad vor, das auf Drucksachen und auf dem Titelbild eines Touristenführers verwendet wurde. Es zeigt ein Ornament, wahrscheinlich eine stark stilisierte Blume. Heute wird als „Wappen“ der Stadt ein Ornament aus acht farbigen Bögen gezeigt. Je vier Bögen bilden ein Quadrat; die zwei Quadrate wiederum bilden einen achtzackigen Stern.[20] Rainer Geike Anmerkungen [1] Wikipedia: Stichworte Generalgouvernement Turkestan bzw. Oblast Transkaspien. [2] Auch Ašchabad oder Aşgabad, bis 1919 auch Asxa'bat. [3] Wikipedia: Stichwort Generalgouvernement Turkestan. [4] Je nach Quelle heißt es Sowjetrepublik oder Autonome Sowjetrepublik. [5] A. I. Vasjukov u. a.: Papiergeldzeichen Russlands und der UdSSR. St. Petersburg 1993 (russ.), S. 64-68. [6] N. Kardakoff: Katalog der Geldscheine von Russland und der baltischen Staaten 1769 - 1950. Russ./deutsch, komplett ohne Abbildungen. Berlin 1953. [7] P. F. Rabčenko: Vollständiger Katalog von Papiergeldscheinen und Bons Russlands, der UdSSR, der Länder der GUS (1769-1994). Kiew 1995. Sehr wenige Abbildungen. [8] SCWPM „Russia / Central Asia“ # S 1144 b (hellblauer Unterdruck); Kardakoff Kap. IX, Abschnitt 3 # 6; Vasjukov Abschnitt 4.4 Turkestan, Unterpunkt Transkaspische Provisorische Regierung, ohne Nummer; Rabčenko Kap. 13 Turkmenistan, # 22706. [9] Volksbank? „Народный Банк“? Nach Wörterbuch ziemlich eindeutig Volksbank. Im SCWPM allerdings als National Bank übersetzt, im Kardakoff (russ. und deutsch, Berlin 1953, Abschnitt IX) gibt es keine Übersetzung. [10] Gero Fedtke: Roter Oktober - Muslimkommunisten und Bolschewiki in Turkestan (1917- 1924). Wien, Köln, Weimar 2020; ders.: persönl. Mitteilung Juni 2023. [11] Im Westen und auch in der Sowjetunion wurde die Provisorische Regierung in Transkaspien als antisowjetischer Aufstand interpretiert, nach Fedtke war dies nicht so – es war nur ein Bruch der Eisenbahnarbeiter und Soldaten Transkaspiens mit der Taschkenter Regierung. [12] Übertragung: Ingeborg Baldauf. [13] Wikipediabeitrag zum Transkaspischen Oblast. [14] P. P. v. Winkler: Gerby rossiskoj imperii (Wappen des Russischen Reiches), St. Petersburg 1899, Nachdruck, Moskau 1991. Das Buch zeigt die Wappen der Städte, Gouvernements und Oblaste, die Stadt Aschchabad S. 6, der gleichnamige Oblast S. 197. [15] N. N. Speransov: Земельные Гербы Россси. (Zemel’nye gerby rossii, Russische Länderwappen, russ., mit engl., franz. und deutscher Kurzfassung). Moskau 1974, Nr. 17. [16] Vladimir Poceluev: Gerby Sojuza SSR - iz istorii razrabotki (Die Wappen der UdSSR – Aus der Geschichte der Ausarbeitung). Verlag Politizdat, Moskau 1987. [17] N. N. Speransov: Russische Länder-Wappen, wie Anm. 15; V. S. Dračuk: Rasskazivaet Geral'dika. (Es erzählt die Heraldik), Moskau 1977. [18] Ė. Baskarov: Biografii gerbov, flagov, gimnov zarubežnyh stran. (Biografien von Wappen, Flaggen, Hymnen ausländischer Staaten). Moskau 1967. [19] Heinz Machatschek: Unterhaltsame Wappenkunde. Verlag Neues Leben, Berlin 1981, S. 201ff. [20] Wikipedia-Beitrag zu Aschchabad, russ. und engl. Version.

  • Aus dem Archiv: "Blätter und Blüthen – Französische Banknoten"

    Ein spannender historischer Artikel aus dem Jahr 1869 über die Herstellung, Sicherheitsmaßnahmen und Fälschungen von französischen Banknoten. "Die Gartenlaube – Illustrirtes Familienblatt", Jahrgang 1869, Titelseite und Seiten 705 und 706 mit dem Artikel über französische Banknoten. Abb. Wikimedia Commons. Das Papiergeld des Landes und der Banken gegen Fälscher zu schützen, ist das allgemeine Streben sämmtlicher Staaten. Unter den verschiedenen Systemen, welche man zu diesem Zwecke gewählt hat, ist das französische wohl das künstlichste. Man giebt die Banknoten in Gruppen oder sogenannten Alphabeten aus, von denen jedes fünfundzwanzigtausend Stück enthält, so daß auf jeden der fünfundzwanzig Buchstaben tausend Stück kommen, und numerirt die Alphabete der Reihenfolge nach. Jede Note hat nicht blos gewisse Bezeichnungen, welche sie von allen anderen unterscheiden, sondern trägt auch eine Zahl, welche angiebt, wie viel Noten desselben Werths bereits ausgegeben sind. Nehmen wir eine Tausend-Franken-Note zum Beispiel. Sie enthält das vollständige Datum ihrer Ausgabe: 25. Mai 1869; in zwei Ecken bezeichnet die Zahl 32 das zweiunddreißigste Alphabet, während ein T auf den bestimmten Buchstaben jenes Alphabets hinweist. In den beiden anderen Ecken steht die Zahl 369 und sagt, daß diese Note die dreihundertneunundsechszigste im Buchstaben T ist, und die Zahl 0,793,369 giebt an, daß am 25. Mai 1869, dem Datum dieser Note, 793,369 Banknoten, jede zu tausend Franken, gedruckt und ausgegeben waren. Unser Beispiel wird gezeigt haben, daß nicht zwei Banknoten einander vollständig ähnlich sein können, und schon dieser Umstand ist ein mächtiger Schutz gegen Fälschung. Frankreich, Banque de France: 1000 Francs der Serie 1862–1889 (FRA-54d) vom 30. April 1889, Vorder- und Rückseite. Abb. www.banknote.ws. Alles, was mit der Anfertigung der Noten in Verbindung steht, wird mit außerordentlicher Vorsicht behandelt. Das Papier wird in der Nähe von Coulommiers in einer Papiermühle gemacht, die keine andere Arbeit vornehmen darf. Ein Aufsichtsbeamter, den die Bank besoldet, verläßt die Fabrik nie. Das Papier wird mit der Hand und in ganz kleinen Stücken von der Größe der Banknoten gemacht. Jede Note trägt ein Wasserzeichen, welches nach einem gewissen Systeme wechselt. Alle Papierstücke werden hinsichtlich ihrer Stärke, Größe und Reinheit genau geprüft und so sorgfältig gesichtet, daß von je hundert sechszig verworfen und zur Stampfe geschickt werden. Die tadellosen Blätter werden von dem Aufsichtsbeamten in eiserne Kasten gepackt, verschlossen, versiegelt und der Bank von Paris zugeschickt, wo man sie einer zweiten Prüfung unterwirft. Haben sie auch diese bestanden, so legt man sie in einen größern Kasten von starkem Eisen mit zwei Schlössern. Zu jedem Schloß hat ein höherer Beamter, der Generalsecretair und der Controleur, einen Schlüssel, und ohne das Zusammenwirken dieser beiden Herren können die kostbaren Papierstückchen nicht aus dem Kasten genommen werden. Frankreich, Menschenmenge vor dem Sitz der Banque de France in Paris, 39 rue Croix-des-Petits-Champs, während der Währungskrise zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Juli 1914. Aufnahme vom 31. Juli 1914, Abb. Wikimedia Commons. Frankreich, Banque de France: 100 Francs der Serie 1862–1889 (FRA-52b) vom 1. August 1869, Vorder- und Rückseite. Abb. www.banknote.ws. Mit noch größerer Sorgfalt als das Papier werden die Platten behandelt. An der Stahlplatte, die bei der Herstellung der heutigen Tausend-Franken-Noten benutzt wird, hat Herr Barre drei Jahre gearbeitet. Von dieser Platte nimmt man Elektrotypen, von denen jede fünfzigtausend Abdrücke liefert, ehe sie sich abnutzt. Bei Banknoten von geringerm Werth nimmt man die Photographie zur Hülfe. Man entwirft eine Zeichnung in großem Maßstabe, nimmt von ihr eine verkleinerte Photographie, gravirt nach derselben eine Platte und macht nun elektrotypische Abgüsse. Das Hinzuziehen der Photographie soll das Verfahren schneller, sicherer und wohlfeiler machen. Die Platte für die heutigen Hundert-Franken-Noten ist so fein gearbeitet, daß ihre Herstellung fünf Jahre gekostet haben soll. Wenn neue Noten gedruckt werden sollen, so übergiebt man dem Factor der Druckerei eine entsprechende Anzahl der sorgfältig vorbereiteten und aufbewahrten Papierstücke. Diese Druckerei befindet sich in einem der neuen Gebäude der Bank von Frankreich und steht unter der strengsten Aufsicht. Die Arbeiter sind lauter ausgesuchte Leute, geschickt, fleißig und verschwiegen. Die Papierstückchen, die Druckerfarbe und die Abgüsse von den Platten werden bis zu dem Augenblick, in dem man sie braucht, unter sicherem Verschluß gehalten. Der Druck erfolgt auf Dampfpressen. Die Druckerfarbe ist blau und nur wenige Beamte kennen ihre Bestandtheile. So lange gearbeitet wird, macht ein Aufseher die Runde und beobachtet jede Presse, jeden Arbeiter und jede Handlung. Zum Druck der wechselnden Zahlen auf den einzelnen Noten dient eine besondere Presse, die so sinnreich eingerichtet ist, daß sie tausend Banknoten hintereinander druckt und die Lettern mit den Zahlen selbst wechselt. Man braucht sie kaum zu berühren, denn auch das Fortschieben der fertigen Banknote und das Unterlegen einer neuen besorgt sie allein. Nach jeder der vorkommenden Arbeiten wird die Banknote geprüft. Es wird so genau Buch geführt, daß stets ein Register zur Hand liegt, aus dem man ersieht, wie viele Banknoten seit der Gründung der Bank von Frankreich wegen Fehler im Papier, im Druck oder im Numeriren verworfen worden sind. Wenn der Factor seine fertigen Pakete abgegeben hat, so wird jede Banknote mit den Namensunterschriften des Generalsecretairs und des Controleurs gestempelt. Nun ist sie fertig und wird in einen eisernen Schrank gelegt, zu dem die beiden genannten Beamten die Schlüssel haben und in dem sie bis zum Tage der Ausgabe bleiben. Diese erfolgt erst, nachdem der Hauptcassirer an den Director berichtet hat, daß er neue Noten einer gewissen Classe braucht, worauf der Director dem Verwaltungsrath Mittheilung macht und der letztere den Generalsecretair und den Controleur ermächtigt, ihren eisernen Schrank aufzuschließen und die verlangten Noten abzuliefern. Eigentliches Geld sind diese noch nicht und werden es erst dann, nachdem der Hauptcassirer jede mit seiner Unterschrift versehen und ihre Zahl in ein Buch eingetragen hat. Das Leben einer französischen Banknote dauert durchschnittlich zwei bis drei Jahre und endet nicht früher, als bis sie sich in einem ganz traurigen Zustande befindet, beschmutzt, zerknittert und halb zerrissen ist. Manche sind halb verbrannt eingeliefert worden, eine hatte sich im Magen einer Ziege gefunden und eine war von einer Wäscherin in einer Westentasche verbrüht worden. Ist es dem Cassirer der Bank irgend möglich, die Banknoten noch zu entziffern und als echt zu erkennen, so giebt er eine neue dafür. Die Bank bewahrt als Merkwürdigkeiten kleine Papierfetzen auf, die auf Pappe aufgeklebt sind und einen hohen Begriff von dem scharfen Auge des Cassirers geben, der in diesen Ueberresten Bruchstücke ehemaliger Banknoten entdeckte. Sehr wenige gehen vollständig verloren. In den letzten siebenundzwanzig Jahren sind 24,000 Banknoten zu tausend Franken ausgegeben worden und von diesen hat die Bank im vorigen Januar 23,958 zurückerhalten, so daß blos 42 nicht eingereicht worden sind. Von 25,000 Noten zu fünfhundert Franken sind 24,935 zurückgekehrt. Die Bank hält sich verpflichtet, diese nicht eingereichten Banknoten jederzeit einzulösen. Die alten Banknoten werden immer wieder in Umlauf gesetzt, nachdem man sie untersucht hat. Sind sie zu schlecht geworden, so cassirt man sie, indem man sie mit einem Stempel durchlöchert. Diese cassirten Banknoten gehen durch die Hände mehrerer Beamten und werden nach Classen zu Bündeln geordnet. In das Buch, welches den Geburtstag jeder Note angiebt, wird nun der Todestag eingetragen. Nachdem die ungültig gewordenen Noten drei Jahre in einer großen eisernen Kiste eingekerkert gewesen sind, werden sie verbrannt. Auf einem offenen Hofe zündet man ein mächtiges Feuer an und legt die Papiere in einen Drahtkäfig, der über dem Feuer hängt und in Drehung gesetzt wird. Durch die Maschen wirbeln die Aschenstäubchen in die Luft und verschwinden im unendlichen Raum. Jeden Monat einmal, wenn etwa 150,000 cassirte Banknoten sich angesammelt haben, wird ein großer Brand veranstaltet. Im vorigen Jahre wurden 2,711,000 Banknoten im Werthe von 904,750,000 Franken ausgegeben und 1,927,192 Banknoten im Werthe von 768,854,900 Franken verbrannt. Es klingt erschrecklich, daß zweihundert Millionen Thaler Banknoten in einem einzigen Jahre absichtlich verbrannt worden sind. Glücklicherweise kann die Bank ebenso schnell schaffen, als sie zerstört. Banknoten von dem hohen Betrage, der in England und auch bei uns ausnahmsweise vorkommt, sind in Frankreich nicht gebräuchlich. Die umlaufenden Noten lauten alle auf 1000, 500, 100 und 50 Franken. Im Jahre 1846 wurden hübsche roth gedruckte Noten von 5000 Franken in Umlauf gesetzt, fanden aber beim Publicum eine so schlechte Aufnahme, daß sie eingezogen und verbrannt wurden. Frankreich, Banque de France: 5000 Francs der Serie 1842–1846 (FRA-42) vom 28. Mai 1846, Vorder- und Rückseite. Abb. www.banknote.ws. Bis zur Erfindung der Photographie druckte man die Banknoten schwarz. Man befürchtete aber, daß solche Noten leicht nachgemacht werden könnten, und ging deshalb zur blauen Farbe über. Um Fälschungen anderer Art auf die Spur zu kommen, hat die Bank einen erfahrenen Chemiker angestellt, der alle neuen Erfindungen, mit denen ein Mißbrauch getrieben werden könnte, studiren muß. Fälschungen kommen äußerst selten vor. Um so größer war der Schrecken der Bankbeamten, als im Jahre 1853 falsche Hundertfranken-Noten in großer Zahl und rasch hintereinander bei der Bank einliefen. Sie waren so vorzüglich gearbeitet, daß kein Bankier, Geldwechsler oder Kaufmann den Betrug entdeckt hat. Selbst die Sachverständigen der Bank konnten die falschen Noten nur an einer kleinen schwarzen Stelle in der Nähe der Figur des Mercur von den echten unterscheiden. Acht Jahre lang machten diese Banknoten regelmäßig ihre Aufwartung und alle Bemühungen der Behörden, ihre Quelle zu entdecken, blieben ohne Erfolg. Die Bank schwieg über die Fälschung, um das Vertrauen des Publicums zu den Hundertfrankennoten nicht zu erschüttern. Endlich entdeckte man den klugen Verbrecher in der Person eines Kupferstechers, dem es gelungen war, für beinahe 200,000 Franken falsche Banknoten in Umlauf zu setzen. Im Jahre 1862 nach Cayenne transportirt, suchte er in die holländischen Niederlassungen zu entfliehen, blieb aber schwach und erschöpft im zähen Schlamme eines Flusses stecken und wurde von Krabben lebendig gefressen. Frankreich, Banque de France: 100 Francs der Serie 1847–1848 (FRA-45) vom 30. November 1848, Vorder- und Rückseite. Abb. www.banknote.ws. Die Bank von Frankreich leistet alle ihre Zahlungen in Banknoten, doch kann Jeder diese Papiere an einer anstoßenden Casse sofort in baares Geld umsetzen. Im vorigen Jahre wurden dort 722,000,000 Franken in Geld ausgezahlt. Eine Million Franken in größern Banknoten wiegt blos 1644 Gramm und findet in einem Paket von der Größe eines starken Octavbandes Platz. Welchen Raum diese Noten trotzdem einnehmen, wenn sie in großer Menge beisammen sind, beweist eine Anekdote von einem Gerber in Dijon, welcher öffentlich behauptet hatte, daß die französischen Staatsausgaben, die etwa 2,000,000,000 Franken betragen, in Banknoten bis zur Spitze des Thurms der St. Benigna-Kirche reichen würden. Der Gerher wurde wegen staatsgefährlicher Aeußerungen vor die Polizei geladen, aber er bewies, daß er noch zu wenig gesagt habe, da zwei Millionen von Tausend-Franken-Noten eine Säule von zweihundert Meter Höhe bilden würden. Zu den Gewölben der Bank von Frankreich steigt man auf einer steinernen Treppe hinunter, die so eng ist, daß zwei Personen nicht nebeneinander gehen können. Um zu dem Schatze der Bank zu gelangen, muß man vier eiserne Thüren aufschließen, von denen jede mit drei Schlössern versehen ist, zu denen zwei Beamte die Schlüssel haben. In den Gewölben stehen bleierne Kisten, welche mit Säcken zu zehntausend Franken in Silber und mit kleinern Beuteln zu zehntausend Franken in Gold gefüllt sind. Silber- und Goldbarren, als Pfänder für Vorschüsse von Bankiers und Geldwechslern deponirt, sind symmetrisch zu Massen geordnet. In diesem Jahre lagen einmal für siebenhundertsechsundzwanzig Millionen Franken gemünztes und ungemünztes Gold und Silber im Gewölbe der Bank. Historischer Artikel aus "Die Gartenlaube – Ilustrirtes Familienblatt", Verlag von Ernst Keil, Leipzig, Heft 44 von 1869 (S. 705/706). Illustriert von Hans-Ludwig Grabowski.

  • Taler, Taler … du musst wandern

    Das alte Kinder-Singspiel „Taler, Taler, du musst wandern“ kannte früher fast jedes Kindergartenkind und deren Eltern auch. Der Taler wanderte tatsächlich weltweit von Mitteleuropa aus und wird bis heute unterschiedlich geschrieben und gesprochen. Der Taler (bis zur Rechtschreibreform von 1901: Thaler) ist die sprachliche Verkürzung für den Joachimsthaler Guldengroschen. Seit 1519/20 wurden im böhmischen Erzgebirge im heutigen Jáchymov (bis 1945 Joachimsthal) diese Silbermünzen geprägt. 1512 wurde bei Konradsgrün ein Stollen in den Schottenberg getrieben ... später fand man dort Silbervorkommen. Das Gelände gehörte zur Herrschaft Schlackenwerth – im Pfandbesitz des Grafen Stephan Schlick. 1517 benannte man den Ort in St. Joachimsthal um; ein Jahr später wurde eine Bergordnung für die 1520 verliehenen Stadtrechte durch König Ludwig von Böhmen erlassen. Die Schlick’schen Taler und die sächsischen Klappmützentaler nahmen nach dem sog. Berggeschrey in Böhmen und Sachsen ihren Siegeszug durch Europa. Abb. 1: 1 Guldengroschen 1525 mit dem Hl. Joachim, Vs.: AR DOMI SLI ST - Et FRA COM D BA = Arma Dominorum Slickorum Stefani et Fratrum Comitum de Bassano (bei COM wurde das M im O eingefügt); Rs.: LVDOVICVS PRIM D GRACIA REX BO (Ludovicus Primus Dei Gratia Rex Bohemie), Böhmischer Löwe im Zierkreis nach links aufsteigend, mit Münzmeisterzeichen Stern. Die Bezeichnung Thaler wurden auch vom Ausland übernommen und gelangte mit der Erweiterung Reichsthaler in andere Länder: Daalder, Daler und letztendlich Dollar und dessen Entsprechungen in verschiedenen Sprachen. Erste Geldscheine mit den Bezeichnungen Reichsthaler/Thaler, Daler/Riksdaler, Daalder/Rijksdaalder/Ryxdaalder oder Dollar/Rix Dollar sind wurden dem 17. Jahrhundert gedruckt. Der Name Thaler gelangte über das Niederländische ins Englische und damit auch nach Übersee. Auf die sehr umfangreichen besonderen Begriffe wie bspw. Vereins-, Spezies-, Kronen-, Konventions-, Kurant- oder Ausbeutetaler soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden; hier handelt es sich vorwiegend um Münzbezeichnungen. Reichsthaler Die ersten Thaler-Scheine wurden in Sachsen gedruckt. Im Kurfürstentum und ab 1806 im Königreich Sachsen gab es die Wertstufen 1, 2, 5, 10, 50 und 100 Reichsthaler mit den Daten 1772, 1804 und 1815 und 1818. Thaler-Scheine folgten 1840, 1855 und 1867. Abb. 2: 1 Reichsthaler 6. Mai 1772, Dresden, Churfürstl. Sächs. Cassen-Billet. Thaler Nach und nach wurden in allen nord- und mitteldeutschen Ländern unterschiedliche Noten auf Thaler lautend in Umlauf gegeben (im deutschen Süden, in Frankfurt, Nassau und Hessen wurden jedoch Gulden-Scheine verwendet). Es folgten Thaler-Scheine 1785 in Sachsen-Altenburg und 1787 in Schleswig-Holstein. Die letzten Thaler-Scheine gab die Hannoversche Bank aus: 10 Thaler mit dem Datum 1. Juli 1871. Abb. 3: 10 Thaler 1. Juli 1871, Hannover, Banknote der Hannoverschen Bank. Mit der Einführung der Mark-Währung im November 1871 im neugegründeten Deutschen Reich endeten auch die Thaler-Ausgaben im Land. 1 Thaler galt ab 1871 drei Mark – ältere Menschen in Deutschland verwendeten noch in den 1970er Jahren den Begriff Taler für die Geldmenge von 3 Mark – 1908 wurden die Talermünzen ungültig und durch silberne 3-Mark-Münzen ersetzt. Auch in Luxemburg gab man Banknoten zu 5, 10 und 20 Thaler aus: als zweite Bank im Großherzogtum wurde die Großherzoglich Luxemburgische National-Bank 1873 gegründet und besaß das Privileg zur Banknotenausgabe, zunächst in Francs und Thaler, später in Mark. Doch bereits 1881 musste diese Bank ihre Geschäftstätigkeit wieder beenden. Angeblich verbrannten einige Bankkunden Berichten zufolge ihre Banknoten auf dem Paradeplatz in der Stadt Luxemburg. Abb. 4: 10 Thaler 1. Juli 1873, Großherzoglich Luxemburgische Nationalbank – sie wurde am 26. September 1881 wieder geschlossen. Deutschsprachige Thaler-Banknoten sind ebenfalls aus den USA bekannt, wo in verschiedenen Orten in Pennsylvanien Privatbanken gegründet wurden, die Banknoten zu 5 und 10 Thaler ausgaben. Die Gestaltung der Scheine war den damals kursierenden US-amerikanischen Dollar-Banknoten sehr ähnlich. Die Noten der Northampton Bank im Lehigh County hatten zum einen den Bezug zur Schweiz (abgebildet wurden auf dem 5-Thaler-Schein von 1836 der Zürcher Philosoph und Schriftsteller Johann Caspar Lavater und eine Darstellung des Rütli-Schwurs) und zum anderen zu Deutschland. Der 10-Thaler-Schein von 1836 zeigt Bildnisse von Wilhelm Herschel, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Klopstock und Joseph Haydn. Auf dem 1839er Zehner liest man „Allentaun, Lecha Caunty, Pennn“ (sic!). Das ist das heutige Allentown – im Pennsylvania-Deutsch nannte man es Allenschteddel. Auch die nicht ausgegebenen 5-Thaler-Noten der Lumbermens Bank zu Warren/PA von 1838 zeigen die Komponisten Joseph Haydn und Christoph Willibald Gluck, die Zehner Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Lavater. Abb. 5: 10 Thaler 22. Februar 1836, Northampton Bank – sie wurde 1814 gegründete, meldete aber 1843 Bankrott an. Äthiopien/Abessinien: in Afrika wurden ebenfalls Thaler ausgegeben. Die Bank von Abessinien, seit 1931 Bank von Äthiopien, gab Banknoten in den Werten 5, 10, 50, 100 und 500 Thaler aus. Interessanterweise änderten sich die amharischen Zeichen für den Namen der Bank nicht; sie blieben als „Itiopia Bank“. der Aufdruck der Druckerei lautete „Bradbury Wilkinson & Co. Ld. Graveurs, London“. Auf Amharisch, der Sprache der meisten Äthiopier, wurde der Thaler als „Talari“ oder „Birr“ bezeichnet (in frühen englischen Quellen manchmal „Ber“ geschrieben). „Birr“ bedeutet „Silber“. Im Verkehr mit dem Ausland wurde der Birr jedoch zeitweilig Thaler oder (bis 1976) Dollar genannt. Abb. 6: 5 Thalers 29. April 1933, Bank of Ethiopia, 1906 gegründet, im Januar 1944 in Nationalbank Äthiopiens umbenannt. Fünffranken-Thaler Die meisten Banken und Geldhäuser in der deutschsprachigen Schweiz gaben im 19. Jahrhundert meist auf Franken lautende Geldscheine/Banknoten aus. Die ersten Scheine in der Schweiz waren jedoch Taler: schon 1826 gab die Deposito-Cassa der Stadt Bern die sog. Fünffranken-Thaler aus. Originalscheine aus Restbeständen wurden 1975 an Teilnehmer der 150-Jahr-Feier der heutigen BC Bank abgegeben. 1834 folgte die Kantonalbank von Bern mit der Ausgabe von Fünffranken-Thalern zu 10 und 20 Thl., 1838 zu 100 Thl. und 1847 zu 1 Thl. Die Bank in Basel gab ab 1845 20- und 50-Fünffranken-Thaler in Umlauf. Die 100-Fünffranken-Thaler-Banknoten der Bank in Basel (= 500 französische Franken in Silber) von 1847 sowie die 20er von 1848 trugen zusätzlich die Stempel „oder Gold“ und „ausgegeben 1873“. Die Fünffranken-Thaler wurden durch das Banknotengesetz vom 8. März 1881 außer Kurs gesetzt. Abb. 7: 100 franz. Fünf-Franken-Thaler 1832, Vs., Gut-Schein, Deposito-Cassa der Stadt Bern (Ausschnitt). Brabanter-Thaler Die Bank in Zürich gab schon ein Jahr nach ihrer Gründung 1836 als Aktiengesellschaft sog. Brabanter-Thaler zu 10 und 100 Thl. in Umlauf. Die aufkommende Industrialisierung der Region machte die Herausgabe von Papiergeld erforderlich. Im Entwurf einer Verfassung wurde schon 1832 eine einheitliche eidgenossenschaftliche Währung gefordert. Erst im Mai 1850 entschied sich die Bundesversammlung für das lateinische Geldsystem und die Einführung des Franken für die gesamte Schweiz. Die Deposito-Cassa Bank der Stadt Bern verzichtete 1869 auf ihr Recht zur Notenausgabe, die Bank in Zürich 1892; die Bank in Basel erst 1907 und die Kantonalbank von Bern 1910. Abb. 8: 10 Brabanter-Thaler 27. Mai 1837, Vs., Bank in Zürich, entwertet. Daalder Als erste Ausländer prägten die Niederländer Silbermünzen mit der entlehnten Bezeichnung. Geldscheine in Daalder-Währung sind nur als Ryxdaalder nachweisbar. Die Vereenigde Oost-Indische Compagnie (VOC = Niederländische Ostindien-Kompanie) gab in ihren asiatischen Besitzungen Kreditscheine in den Wertstufen von 1 bis 1000 Ryxdaalder(s) aus. Wegen der Geldknappheit und dem Mangel an Edelmetallen für die Münzprägung führte die VOC schon 1782 erstes Papiergeld ein. Am 17. März 1798 wurde die Compagnie aufgelöst und formell am 31. Dezember 1799 als bankrott erklärt. Abb. 9: 1 Ryxdaalder 2. April 1799, Batavia, Kreditschein der VOC (= 48 Stuiver) – VOC-Stempel auf Vs. und Rs., die Handsignierung durch Kleijnst, Brinkman und Brongers sowie das handgeschöpfte Papier waren Sicherheitsmerkmale. Daler Die in Europa 1661 erstmals gedruckten Geldscheine waren Daler. Die Privatbank von Johan Palmstruch in Stockholm gab Kreditscheine in den Stückelungen von 5 bis 1000 Daler aus. Die Stockholms Banco tauschte die bekannten schwedischen Münzplatten gegen sog. Credityf-Zedels ein, aber als Palmstruch die ausgegebenen Noten nicht mehr in Bargeld einlösen konnte, wurde die Bank 1668 verstaatlicht. Er wurde verhaftet, zum Tode verurteilt, dann begnadigt und starb 1671 nur ein Jahr nach seiner Entlassung. Abb. 10: 10 Daler 18. Mai 1666, Stockholms Banco, mit der Unterschrift von Johan Palmstruch. Für die finnische Inselgruppe Åland sind Daler-Ausgaben aus den 1990er Jahren bekannt. Dabei handelt es sich jedoch nur um sog. Fantasiemünzen in den Wertstufen 10, 50 und 100 Daler in unterschiedlichem Metall. Abb. 11: 100 Daler 1991, Pseudomünze, Vs., Silber, 25.000 Stück geprägt (links) – 50 Riksdaler 1988, Pseudomünze, Vs., Kupfer-Nickel, zur Erinnerung an Schwedisch-Westindien (rechts). Aus dem privaten Stockholmer Daler wurden später in Schweden und in Dänemark, für Norwegen sowie für Grönland die Riksdaler, Rigsdaler, Rigsbankdaler, Species-Daler Ab 1790 gab das Riksens Ständers Riksgalds Contoir und die Schwedische Reichsbank ab 1869 Riksdaler in Umlauf. Dänemark ließ schon Anfang des 18. Jahrhunderts in Kopenhagen Geldscheine drucken – auch für ihre Besitzungen Grönland und Dänisch-Westindien. Die Skandinavische Münzunion von 1872 sah die Einführung der Kronen vor. 1 schwedischer Riksdaler rechnete man für 1⁄2 dänischen Rigsdaler oder 1⁄4 norwegischen Speciedaler. Abb. 12: 10 Riksdaler Specie 17. Januar 1792, Stockholm, Riksens Ständers Riksgalds Contoir. Abb. 13: 10 Riksdaler 1857, einseitig gedruckte Banknote der Smålands Enskilda Bank Jönköping. Abb. 14: 1 Rigsdaler (dansk Courant) 1803, Kopenhagen, einseitig gedruckter Geldschein im Wert von 96 Schilling des dänischen Staatsunternehmens Kongelige Grønlandske Handel. Abb. 15: 1 Rigsbankdaler 19. August 1813, Christiania (seit 1924 Oslo), einseitiger Druck. Abb. 16: 1 Speciedaler 1867, Trondheim, Banknote der Norges Bank. Dollar, Rix Dollar/Rixdollar Seit der sprachlichen Mutation des Thalers zum Dollar ist die US-Währung nach 150 Jahren zur Leit- und Ankerwährung in der Welt geworden und heute auf allen Kontinenten als Landeswährungen vorhanden. 1775 kamen die ersten Dollarscheine in Nordamerika als Colonial und Continential Currency in Umlauf – in der britischen Kolonie Massachusetts schon seit 1750. Papiergeld wurde in der Variante Rix Dollar (≈ Reichsthaler) in anderen Gebieten verwendet: auf Ceylon und am Kap der Guten Hoffnung kurz vor 1800 und auch danach; erst von den Niederländern und nach Aufgabe ihrer Besitzungen dann von den Briten. Abb. 17: 1/8 Dollar (= 9 Pence) 1750, der Province of Massachusetts Bay. Abb. 18: 100 Rix Dollars 1. Januar 1809, Colombo, ausgegeben vom Government of Ceylon im Kurs zu 48 Kupfer-Stuivers. Im Laufe der Zeit wurde der Dollar in viele Sprachen übernommen und Geldscheine der verschiedensten Art mit den landesspezifischen, lautmalenden Bezeichnungen und entsprechender Deklination ausgegeben. Interessant: die Aussprache des Wortes Taler ist im Sächsischen der amerikanisch-englischen Aussprache der Bezeichnung Dollar auffällig ähnlich: da:lor. Talar/Dolar In Polen wurden 1810 unter dem Währungsnamen Talar die Kassenscheine des Herzogtums Warschau (1807–1815) emittiert. 150 Jahre später gab man in Polen wiederum Dollars aus, nun mit der Bezeichnung Dolar (2 Dolary, 5, 10, 20, 50 und 100 Dolarów) – Gutscheine der polnischen Handelsfirma Pewex zwischen 1960 und 1979. Ähnliche Dolar-Ausgaben gibt es als Marinarsky Bon Towarowy der Außenhandelsfirma Baltona. Das Einkaufen von „Luxusgütern“ gegen frei konvertierbare Währungen in staatlichen Spezialläden war in den ehemaligen Ostblockländern gang und gäbe; dabei wurden die Fremdwährungen in Gutscheine getauscht (Forum-Mark, Darex-/Tuzex-Kronen, Balkanturist-Leva u. ä.). Abb. 19: 1 Talar 1. Dezember 1810, Warschau, in Dresden gedruckte einseitige Scheine des Herzogtums Warschau, 1811 ausgegeben; 1 Taler (700.000 Stück), 2 Talary (250.000 Stück), 5 Talarów (60.000 Stück). Abb. 20: 20 Dolarów 1. Oktober 1979, Gutscheine des poln. Export-Unternehmens Przedsiębiorstwo Eksportu Wewnętrznego „Pewex“ der PeKaO-Bank, auch Ausgaben in Cent(s). So z. B. auch in den 1960er Jahren in Rumänien: das Nationale Fremdenverkehrsamt der Karpaten ließ für die Schifffahrtsgesellschaft NAVROM Schiffsgutscheine in Dollar-Währung drucken. Damit konnten (mussten) Ausländer bei Kreuzfahrten auf der Donau und im östlichen Schwarzen Meer bezahlen. Im Oktober 1954 liquidierte Rumänien die sowjetisch-rumänische Sovromtransport und gründete im Februar 1955 die staatliche Reederei NAVROM. Diese „Kreuzfahrtscheine“ galten auf dem rumänischen Postschiff „Transilvania“, das von einem französisch-belgischen Tourismusunternehmen gechartert wurde. Vor Einführung der Dolar-Scheine gab es eine Serie in den Werten 1, 2, 5 und 10 Lei. Auch für die Flussschiffe „Oltenița“ und „Carpați“ gab es eine Serie von 10, 25 und 50 Bani sowie 1, 3, 5 und 10 Lei. Gedruckt wurden alle Serien in der Staatsdruckerei der Nationalbank in Bukarest. Abb. 21: 5 Dolari o. D., Vs., Constanța, Schiffsgeldschein, auf Dolar lautend, ausgegeben von NAVROM (Compania de Navigatie Fluviala Romana SA) in den Werten 1 Dolar, 2 und 5 Dolari sowie Cents-Scheine. Doleris Im Gegensatz zu den 1946er Geldscheinen aus den Lagern Deggendorf, Feldafing und Regensburg, die nur auf Cents und Dollar lauteten, zeigen die Lagerscheine des UNRRA-Teams 569 zusätzlich den litauischen Aufdruck Doleris (= Dollar). Abb. 22: 1 Doleris 1946, Vs., Geldschein im UNRRA-Lager Scheinfeld. Tolar Nach Unterzeichnung der Brijuni-Erklärung im Juli 1991 wurde der Republik Slowenien die Unabhängigkeit von Jugoslawien zugestanden; die neue Währung nannte sich Tolar (Mz.: Tolarja/Tolarjev) und wurde am 8. Oktober 1991 eingeführt. Der Tolar war ab Juni 2004 an den Euro gekoppelt und galt bis zum 31. Dezember 2006; am folgenden Tag wurde Slowenien Mitglied der Euro-Zone. Abb. 23: 100 Tolarjev 15. Januar 1992, Banknote der Banka Slovenije. Tālā Die Besiedlung der Samoa-Inseln durch die Europäer erfolgte ungleich; erst landeten Niederländer, später Briten und dann 1879 Deutsche. US-Amerikaner waren schon ein Jahr zuvor auf Ost-Samoa angekommen. Im Juni 1899 einigte man sich im Berliner Abkommen auf den Samoa-Vertrag und eine Zweiteilung der Inselgruppe zwischen Deutschland und den USA. Der Hafen Pago Pago auf Tutuila/Ost-Samoa wurde den USA „zugesprochen“ – Deutschland „erhielt“ den Hafen bei Apia auf Upolu/Westsamoa. Schon am 30. Agust 1914 besetzten Truppen aus Neuseeland die Inselgruppe und erhielt es im Dezember 1920 als Völkerbund-Mandatsgebiet, ab Dezember 1946 als UN-Treuhandgebiet. 1962 wurde West-Samoa unabhängig, die Staatsbezeichnung wurde dann 1976 von Western Samoa in Samoa geändert. Tala-Münzen gibt es auch in Tokelau. Abb. 24: 1 Tālā o. D. (1980), Vs., Banknote der Währungsbehörde von West-Samoa (ab 25. Februar 1984: Central Bank of Samoa). Bis 1962 zahlte man auf Samoa mit dem neuseeländischen und dem Samoa-Pfund. Neuseeland führte 1967 das Dezimalsystem ein und das Pfund wurde durch den Dollar ersetzt – der Zeitpunkt, am 10. Juli 1967 den Tālā als gesetzliches Zahlungsmittel in Umlauf zu geben. Dem Tālā sprachlich ähnlich ist der Dollar auf Hawaii: Dala Der Mangel und der Wirrwarr durch den Umlauf ausländischer Münzen auf den Hawaii-Inseln Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Ursachen, dass König Kamehameha III. 1846 ein Gesetz zur Bestimmung eines hawaiianischen Währungssystem erließ. Dieses System sah eine Einheit namens Dala vor, die auf dem US-amerikanischen Dollar basierte. Der Dala wurde in 100 Keneta (Cents) unterteilt. Zuvor gab die 1831 von US-amerikanischen Protestanten gegründete Mission auf der Insel Maui Anfang 1843 erstmals Papiergeld aus. Der Schein zeigt eine zeitgenössische Inselkarte mit Längen- und Breitgraden sowie „HOOKAHI DALA“ (= Ein Dala) und dem Währungskürzel „$1.00“; außerdem die gehisste Flagge des Königreichs von Hawaii. Dabei wurden die Buchstaben B E R N A R D innerhalb der Längengrad-Angaben hinzugefügt. John Bernard pachtete von der hawaiianischen Regierung 150 Hektar Land. Bernard ließ von der Lāhaināluna-Mission 850 Dala-Scheine drucken, von denen nur noch sechs Exemplare existieren. Ein ähnlicher Schein ohne den Großbuchstaben ist von 1843 bekannt. Abb. 25: 1 Dala o. D. (1844), Vs., Pfandschein der Lāhaināluna-Missionare, gedruckt in der Hale Pa’i/Lāhainā – sog. „Bernard money“. Auch geprägte Dala sind aus Hawaii belegt: die Umlaufmünzen zu ¼, ½ und 1 Dala gibt es nur mit dem Prägedatum 1883 – sowie die „Gedenkmünze“ von 1988. Die königliche Regierung beantragte die Prägung von 1 Million Dala in Silber. Geprägt wurden in San Francisco nur 500.000 Stück und 453.622 Stück davon wurden nach 1900 wieder eingeschmolzen, als Hawaii als Territorium von der USA übernommen wurde und man die Dala-Münzen für ungültig erklärte. Es existieren auch sog. Gedenkmünzen, von Privat in Auftrag gegeben. Die 1988er Ausgabe hat den Wert von 1 Feinunze Silber. Aus neuerer Zeit ist eine ganze Reihe solcher Gedenkmünzen bekannt – von 1/10 bis 50 Dala. Abb. 26: 1 Dala 1883, Rs., Silbermünze – 1 Dala 1988, Rs., Pseudomünze, Figur (rechts). Die Bezeichnung „Thaler“ kommt in weiteren Sprachen vor. So z. B. in der italienischen Entsprechung Tallero Auch hier gibt es eine Ausgabe für Ostafrika; im Wert von 5 Lire wurden Tallero-Münzen mit der Angabe „Colonia Eritrea“ unter der Regentschaft von Umberto I. geprägt. Es sind Münzen von 1891 und 1896 bekannt. Der Tallero war zwischen 1890 und 1921 die Währung in Eritrea und an die italienische Lira gebunden. Abb. 27: 1 Tallero/5 Lire 1896, Rs., auch 1918 wurden unter Vittorio Emanuele III. noch Tallero-Münzen in Anlehnung an die Maria-Theresia-Thaler geprägt (links) – Jefimok: 1 Patagon, Brabanter Albertus-/Kreuztaler 1623 mit russischem Gegenstempel unter der Herrschaft von Zar Aleksej I.; Vs., hier kopfstehend: bekröntes burgundisches Kreuz mit Kleinod vom Goldenen Vlies mit Gegenstempel „Georg der Drachentöter“ und Jahreszahl 1655 (rechts). Jefimok (Ефимок) ist die russische Bezeichnung der Taler, die mit einem Gegenstempel auf vor allem deutschen und niederländischen Talern versehen wurden. Das Lehnwort (Mz. „Jefimki“) wurde abgeleitet vom polnischen „Joachimik“; die Münzen wurden anfangs als „Ефимок с признаком“ (= Jefimok mit Zeichen) bezeichnet. Diese Münze waren im 17. Jahrhundert aus Mangel an Silbergeld in einer Menge von etwa 800.000 Stück in Umlauf, jedoch schon wieder 1659 außer Kurs gesetzt und schließlich zum Großteil wieder eingeschmolzen. 1 Jefimok galt damals 64 Kopeken. 750 Probemünzen über 1 Jefimok (= 1,50 Rubel) wurden 1798 unter Paul I. geprägt. Diese Silber-Währungseinheit wurde jedoch nie in Umlauf gebracht. In Frankreich nannte man den Joachimsthaler „Jocondale“, in Lothringen hingegen „Tallert“ und in Ungarn „Tallér“. Michael H. Schöne Quellen: de Bree, Door L.: „Gedenkboek van De Javasche Bank 1828-1928“, Weltevreden 1928 Jaquemet, Gaston: „Die Entwicklung der Banknoten in der Schweiz“, in: Schweizerische numismatische Rundschau, Heft 33/1947 https://en.numista.com https://goldadvert.com https://imagesofoldhawaii.com https://de.wikipedia.org https://en.wikipedia.org https://www.danskmoent.dk https://www.mgmindex.de https://www.reppa.de https://www.wikiwand.com

  • Über die Geldversorgung des besetzten Gebietes durch die Reichsbank im Sommer 1923

    Bericht des Reichsbankpräsident von Havenstein an Reichskanzler Stresemann: Seit der Niederlage von 1870/71 und der Gründung des Deutschen Reichs fühlten sich die Franzosen von Deutschland bedroht. Aus Sicht der französischen Eliten stellte der östliche Nachbar aufgrund seiner numerischen, wirtschaftlichen und militärischen Stärke eine Gefahr dar. Zudem strebte Frankreich seit den Tagen Ludwig XIV. die Vorherrschaft auf dem europäischen Kontinent an. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte Frankreich zunächst auf die weitere Unterstützung Großbritanniens und strebte einen französisch-britischen Sicherheits- und Garantiepakt an. Da Großbritannien hierzu nicht bereit war und die USA sich nach den Friedensverhandlungen aus Europa zurückzog – den Versailler Vertag sogar nicht ratifizierte – sah sich Frankreich gezwungen, selbst für seine Interessen zu sorgen. Dabei setzte man auf die eigene militärische Stärke bei gleichzeitiger Schwächung Deutschlands. Da Russland infolge von Revolution und Bürgerkrieg als Bündnispartner entfiel, schloss die französische Regierung mit ostmitteleuropäischen Staaten Bündnisse. Sie sollten eine deutsche Ostexpansion verhindern und einen „cordon sanitaire“ gegen die kommunistische Sowjetunion bilden. Die zentrale Rolle in dem Sicherheitskonzept spielte die Reparationspolitik. Deutsche Reparationen sollten die strukturelle Schwäche der französischen Wirtschaft – insbesondere die unzureichende Energiebasis der Schwerindustrie (Koks, Kohle) – ausgleichen, zum Aufbau der zerstörten Gebiete beitragen, die Rückzahlung der interalliierten Kriegsschulden an Großbritannien und die USA erleichtern, die Steuerlast der französischen Bevölkerung mindern und die wirtschaftliche Erholung des besiegten Gegners verlangsamen. Gleichzeit strebte man den Anschluss oder zumindest die politische und wirtschaftliche Kontrolle des Saargebiets und des besetzten Rheinlands an. Abb. 1: Übersichtskarte zu den besetzten Gebieten. Quelle: Die Verträge über Besetzung und Räumung des Rheinlandes und die Ordonnanzen der interalliierten Rheinlandoberkommission in Coblenz, Berlin 1925, S. 4. Geringfügige Lieferrückstände bei den deutschen Reparationen boten dem französischen Ministerpräsidenten Raymond Poincaré den willkommenen Vorwand, am 11. Januar 1923 60.000 französische und belgische Soldaten in das Herz der deutschen Schwerindustrie einmarschieren zu lassen. Den Deutschen sollte ihr wichtigster und wertvollster Rohstoff genommen werden: die Steinkohle. Gleichzeitig zielte die Aktion auf eine Revision des Versailler Vertrags und die Verschiebung der deutschen Westgrenze nach Osten. Als Antwort auf die Besetzung des Ruhrgebiets rief die Reichsregierung den passiven Widerstand aus. Die streikenden Arbeiter mussten nun durch Zahlungen aus dem unbesetzten Reich unterstützt werden. Um dies zu unterbinden oder zumindest zu erschweren, be- und verhinderten die Besatzer Geldtransporte der Reichsbank ins besetzte Gebiet. Überhaupt reglementierten oder verboten die Besatzungsbehörden jegliche Ein- und Ausreise von Personen sowie die Ein- und Ausfuhr von Waren. Abb. 2.1: Personal-Ausweis (nur gültig für die Einreise in das besetzte rheinische Gebiet). Abb. 2.2: Personal-Ausweis (nur gültig für die Einreise in das besetzte rheinische Gebiet), Innenteil. Die Wirtschaft in den besetzten Gebieten war durch den passiven Widerstand noch stärker betroffen als im übrigen Reich, da den Unternehmen der Weg der Kreditaufnahme verwehrt war; hinzu kamen die fehlenden Zahlungsmittel. Schließlich wurde die Geldversorgung zur essenziellen Frage, sollte eine Abspaltung des Rheinlands vom Reich verhindert werden. Die Probleme, vor denen die Reichsbank im Sommer im besetzten Gebiet stand, waren also zweifacher Art. Die außerordentliche Entwertung der Mark durch die hohe Inflation, die den gewaltigen Kriegsreparationen geschuldet war und durch die französisch-belgische Besetzung des Ruhrgebiets dramatisch angefacht wurde, hatte naturgemäß einen enorm steigenden Zahlungsmittel-Mehrbedarf hervorgerufen, den die Reichsbank zeitweise nicht in vollem Umfange befriedigen konnte. Das Protokoll der Sitzung des Zentralausschusses der Reichsbank vom 25. August 1923 führt zu diesem Punkt folgendes aus: „Am 31. Mai hatten wir einen Gesamtnotenumlauf von 8,6 Billionen und dabei eine Reserve an fertiggestellten, aber noch nicht ausgegebenen Noten von nicht weniger als 16,8 Billionen. Die Reserve stellte sich also auf das Doppelte des gesamten Umlaufs. Infolge dieser starken Reserve waren die Tresore der Reichsbank überfüllt. Wir mußten die Herstellung kleinerer Abschnitte (20 000 und 5000 M) einstellen, was eine vorübergehende Beschränkung der Notenanfertigung zur Folge hatte. Dagegen stellten wir angesichts der zu befürchtenden weiteren Markentwertung den Betrieb auf die Anfertigung großer Notenabschnitte um, und zwar zunächst auf die Anfertigung von Abschnitten zu 100 000 und 500 000 M, demnächst auf die Anfertigung von 1, 5, 10, 20 und 50 Millionen Mark-Noten. Während dieser selbst bei größter Beschleunigung einen gewissen Zeitraum erfordernden Umstellungsarbeiten setzte sich die Entwertung der Mark im Zusammenhange mit dem Steigen des Dollars unaufhaltsam und in einem nicht vorherzusehenden und von niemand vorausgesehenen Umfange weiter fort. Trotz angespanntester Notenanfertigung schwanden deshalb die angesammelten Reserven bald dahin. Ende Juni hatten wir bei einem Gesamtumlauf von 17,3 Billionen noch eine Reserve von 11,8 Billionen. Ende Juli waren diese bei einem Gesamtumlauf von 43,6 Billionen auf etwa 2 bis 3 Billionen zurückgegangen. Am 7. August betrug der Notenumlauf 62,3 Billionen; die Reserven waren erschöpft, obwohl es bei äußerster Anstrengung gelungen war, die tägliche Notenanfertigung auf 4,5 Billionen zu steigern. Die nunmehr einsetzende Herstellung der großen Abschnitte ermöglichte die Anfertigung fortgesetzt wachsender Wertbeträge. Am 9. August konnten wir mit einer Tagesproduktion von ca. 5 Billionen rechnen, die den Tagesbedarf wenigstens zu einem großen Teil zu befriedigen vermochte. Da stellten die Buchdrucker der Reichsdruckerei und eines Teils der für uns arbeitenden Privatdruckereien, insbesondere die Buchdrucker der Privatdruckereien in Berlin, die Arbeit ein. Die durch diesen plötzlichen Ausstand bei mangelnden Reserven hervorgerufenen Folgen sind noch in aller Erinnerung. Glücklicherweise erreichte der Streik wenigstens bei der Reichsdruckerei schon am Nachmittag des 10. August sein Ende, während er bei den Privatdruckereien noch einige Tage fortdauerte. Die durch diesen Ausfall bedingte Minderproduktion konnten wir nur allmählich ausgleichen, zumal die Druckereien den Vollbetrieb auch nach Beendigung des Ausstandes nicht sofort wieder aufzunehmen vermochten und der Tagesbedarf unausgesetzt stieg. Eine vereinfachte Herstellung der großen Notenabschnitte setzte uns in den Stand, immer größere Beträge in den Verkehr zu bringen. Diese gewaltigen Summen reichen indes knapp hin, den ungeheuer gestiegenen Zahlungsmittelbedarf zu decken, der ganz neuerdings, insbesondere infolge der außerordentlichen Gehalts- und Lohnerhöhungen eine geradezu phantastische Höhe erreicht hat.“[1] Abb. 3.1/2: Reichsbank, 1. Mai 1923, 500.000 Mark, Vorder- und Rückseite. Im Umlauf ab Juli 1923. Abb. 4: Reichsbank, 25. Juli 1923, 500.000 Mark, Vorderseite. Rückseite unbedruckt. Firmenzeichen „P“, gedruckt bei J. S. Preuss, Berlin. Im Umlauf ab Mitte August 1923. Abb. 5: Reichsbank, 25. Juli 1923, 5.000.000 Mark, Vorderseite. Rückseite unbedruckt. Im Umlauf ab Ende Juli 1923. Ein vielleicht noch größeres Problem als die Behinderung der Geldzufuhr in das besetzte Gebiet, waren für die Reichsbank die wiederholten Beschlagnahmen von Banknoten durch Franzosen und Belgier. Alle irgendwie erreichbaren Geldbeträge, sei es während des Transports, bei den Reichsbankfilialen, Banken oder in den Druckereien wurden konfisziert. Auf eine nähergehende Ausführung kann hier verzichtet werden, ich verweise auf meinen Beitrag in „Münzen & Sammeln“.[2] In einem Schreiben an Reichskanzler Gustav Stresemann berichtet Reichsbankpräsident Rudolf von Havenstein anschaulich über die Anstrengungen, die die Reichsbank unternahm, um die Verhältnisse im Rheinland zu verbessern.[3] „Trotz Fehlens jeglichen regulären Verkehrsmittel und trotz der an Schärfe von Tag zu Tag zunehmenden Grenzkontrolle der Besatzungsbehörden hat die Reichsbank seit Beginn der Aktion bis zum 31. August d. Js. 222,3 Billionen Mark in die genannten Gebiete geschafft. Die gewaltige Summe ist lediglich durch Beamte der Reichsbank auf mehr oder minder gefährlichen Schleichwegen übergeführt worden. Wir haben einen ständigen Autotransport mit gefälschten Passierscheinen eingerichtet, der von Reichsbankbeamten geleitet wird. Teilweise sind unsere Beamten als Bergleute verkleidet durch die im unbesetzten Gebiet zu Tale gehenden und im besetzten Gebiet zu Tage kommenden Schächte mit Geldsummen gewandert, teilweise sind die Transporte von weiblichem Personal ausgeführt und in allerletzter Zeit sogar in Fußwanderungen durch die überaus gefährdeten Zonen vorgenommen worden. Wir haben Verkehrsmittel laufen, die mit falschen Böden versehen und eigens für den Schleichhandel konstruiert sind. Mit diesen Fahrzeugen befördern wir auf Grund eines Abkommens mit dortigen Firmen Lebensmittel in das Ruhrgebiet; in den falschen Böden transportieren wir das Geld.“ Die Reichsbank ließ unter erheblichen Kosten Banknoten in die Niederlande bringen. Holländische Agenten schmuggelten von dort das Geld ins Rheinland. So wurde Aachen und Umgebung, sowie die Städte München-Gladbach, Krefeld und Neuß mit mehreren Billionen Mark versorgt. Seit Mitte Juli erhielt die Reichsbankstelle Köln fast täglich größere Beträge, im September mehrere Billionen Mark, per Flugzeug via London. Mitte September 1923 musste ein Flugzeug des Aerolloyds mit 5,5 Billionen Mark in Brüssel notlanden. Da die Besatzung die Aussage über Herkunft und Bestimmung des Geldes verweigerte, wurde es von den Behörden beschlagnahmt und die Besatzung festgesetzt. Erst im Oktober gelang es dem deutschen Gesandten, die Banknoten und die Besatzung freizubekommen. Die Lage im Ruhrgebiet wurde von Tag zu Tag bedrohlicher. „Die Zeit“ meldete am 3. August 1923: „Infolge der französischen Grenzvorrichtungen und -bestimmungen wird der Grenzverkehr immer mehr beschränkt. Neue Stempel auf Pässe werden nur in seltenen Fällen bewilligt und sollen in Kürze überhaupt nicht mehr ausgegeben werden, so daß nur noch die Personen über die Grenze können, die bereits im Besitz des französischen Stempels sind.“ Schließlich wurde am 15. August wegen eines Attentats auf eine französische Einheit in Düsseldorf der gesamte Verkehr im Düsseldorfer Brückenkopf auf unbestimmte Zeit gesperrt. Am 3. September verhängte die Besatzungsmacht eine achttägige Postsperre über das gesamte Ruhrgebiet. Im Bericht des Reichsbankpräsidenten ist weiterzulesen: „Trotz den dem Transport entgegenstehenden außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich infolge der verschärften Sperrmaßnahmen neuerdings aufs äußerste steigerten, ist es uns doch gelungen, in den letzten Tagen Beträge von 1 bis 5 Billionen Mark täglich in das besetzte und Einbruchsgebiet überzuführen.[4] Aber diese Beträge genügen zur Versorgung des Verkehrs nicht entfernt. Wir haben uns deshalb entschließen müssen, Privatdruckereien mit dem Notendruck zu beauftragen. Zurzeit sind in den besetzten Gebieten nicht weniger als 11 große Druckereien mit Tag- und Nachtschicht trotz den damit verbundenen erheblichen Gefahren für uns tätig. Sie stellen gegenwärtig sogar die hochwertigsten zurzeit im Verkehr befindlichen Abschnitte her. Die Gesamtsumme der von ihnen gedruckten Noten belief sich bis zum 31. August auf ungefähr 100 Billionen Mark.“ Abb. 6.1/2: Reichsbank, 25. Juli 1923, 1.000.000 Mark, Vorder- und Rückseite. Firmenzeichen „BK“, gedruckte bei J. P. Bachem, Köln. Sog. "Kölner Provisorium". Im Umlauf ab Mitte August 1923. Um das Schlimmste zu verhindern, schritten Gemeinden, Städte und industrielle Werke zur Ausgabe von Notgeld. Der Bericht des Reichsbankpräsidenten betont, dass die Reichsbank auch für dieses Notgeld zahlreiche Leistungen erbracht habe, indem sie für den Umlauf und die Wiedereinlösung sorgte, obwohl die damit verbundene Arbeitsbelastung enorm war. Jede Reichsbankanstalt des besetzten Gebiets löste die Notgeldscheine sämtlicher Emissionsstellen ein. Sie erklärte sich weiter bereit, an den Reichsbankanstalten der Randgebiete den Umtausch vorzunehmen. „Daß die gesamte Kassentätigkeit der Reichsbank in den besetzten Gebieten sich unter schwerster Gefährdung unserer Beamten vollzieht, bedarf kaum der Erwähnung. Unsere Beamtenschaft ist fort und fort den qualvollsten Drangsalierungen ausgesetzt, sie hat Verhaftungen in großer Zahl und Geldstrafen in hohen Beträgen erleiden müssen; sie steht unter schärfster Kontrolle und hat ihre Bewegungsfreiheit vollkommen eingebüßt.“ Der Reichsbankpräsident kommt zu dem Schluss: „Alles in allem können wir zu unserer Genugtuung feststellen, daß gegenwärtig der Zahlungsmittelbedarf im besetzten Gebiet befriedigt werden kann und tatsächlich voll befriedigt wird. Daß vorübergehend Stockungen eingetreten sind, versteht sich angesichts der durch die französische und belgische Besatzung bereiteten enormen Schwierigkeiten von selbst. Die Klagen über die Reichsbank, die dann sofort laut werden, sind erklärlich, aber nicht begründet. Sie sind um so weniger begründet, als die Reichsbank zwar verpflichtet ist, für die Bereitstellung der erforderlichen Noten zu sorgen, aber nicht verpflichtet ist, die Zahlungsmittel in die besetzten Gebiete selbst überzuführen, wenn ihr keine Verkehrsmittel und Verkehrswege zur Verfügung stehen. Der reguläre Eisenbahnverkehr ist zur Zeit infolge der französischen Kontrolle nicht verwendbar; die Reichspost, deren wir uns zeitweise mit Nutzen bedienen konnten, nimmt seit Wochen Pakete für die besetzten Gebiete nicht mehr zur Beförderung an. Die örtlichen Behörden der besetzten Gebiete sind zwar oft genug mit großen Anforderungen an uns herangetreten und haben sich, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden konnten, mehr oder weniger heftig beschwert, kaum jemals aber sind uns von dieser Seite die Wege geebnet worden.“ Uwe Bronnert Anmerkungen [1] BA Berlin, R 43 I /640, Bl. 244–292 Durchschrift. [2] Uwe Bronnert, Her mit der Kohle! Bankraub und Raub von Banknoten durch das französische und belgische Militär in der Zeit des Ruhreinbruchs 1923, in: Münzen & Sammeln, Januar 1921. S. 130 – 135. [3] BA Berlin, R 43 I /666, Bl. 83–85. Das Reichsbank-Direktorium an den Reichskanzler. 5. September 1923 [Betrifft: Versorgung des besetzten Gebiets mit Zahlungsmitteln.]. [4] Anm. d. Verf.: Gängige Banknote im August 1923 war die Note zu 500.000 Mark. Somit waren 2 Millionen Noten nötig, um den Betrag von einer Billion Mark zusammen zu bekommen, bei Scheinen zu 5 Millionen Mark waren es immerhin noch 200.000 Stück. Aber im Juli 1923 waren auch noch die Banknoten zu 1000 Mark im Umlauf.

  • Aus dem Archiv: Geplante Notgeldausgabe für Norddeutschland im Mai 1945

    In der Dokumentensammlung von Albert Pick befinden sich u. a. die Kopie eines Erlasses zur Behebung der Zahlungsmittelknappheit aus den letzten Kriegstagen 1945, unterschrieben von Großadmiral Dönitz, sowie ein Protokoll zu einer Besprechung vom 5. Mai 1945 in der Wirtschaftskammer Flensburg mit Anhang. Den Inhalt dieser wichtigen Dokumente möchten wir unseren Lesern nicht vorenthalten, weil er für sich spricht und gleichzeitig das abschließende Kapitel zu den Notausgaben am Ende des Zweiten Weltkriegs im damaligen Großdeutschen Reich kurz vor der bedingungslosen Kapitulation darstellt. Großadmiral Karl Dönitz mit Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub (verliehen am 6. April 1943); ca. April/Mai 1943. Bundesarchiv Bild 146-1976-127-06A. Nach der Entmachtung von Göring sowie den Selbstmorden von Hitler am 30. April und von Goebbels am 1. Mai 1945 in der Berliner Reichskanzlei setzte der von Hitler testamentarisch zum Nachfolger bestimmte Großadmiral Karl Dönitz eine bereits seit Ende April vorbereitete sog. Geschäftsführende Reichsregierung ein, die sich kriegsbedingt in das noch nicht von alliierten Truppen besetzte Norddeutschland zurückgezogen hatte. Sie bestand hier bis zur Verhaftung des Großadmirals am 23. Mai 1945. Wie noch kurz vor der bedingungslosen Kapitulation 1945 die Ausgabe von Notgeld beschlossen wurde 1. Die Besprechung in Flensburg V e r m e r k über die Besprechung am 5. Mai 1945 in der Wirtschaftskammer Flensburg unter Leitung von Ministerialdirektor Gruppenführer Ohlendorf[1] mit den Vertretern der Reichsbank (Reichsbankdirektor Belling) Flensburger Privatbank (Direktoren Kock und Orth) Kreditbank (Direktor Hansen, Aufsichtsratsvorsitzender Jensen) Landesgenossenschaftsbank (Bankvorsteher Tüter) Flensburger Stadtsparkasse (Direktor Rohwedder) Kreissparkasse (Direktor Birk). Anwesend ferner: Präsident Dethleffsen Syndikus Dr. Schirmeister Oberregierungsrat Dr. Rother und " Gäthgens. 1.) Notgeldfrage Die Erschienenen waren übereinstimmend der Meinung, daß der erheblich gestiegene Bedarf an Geld durch die vorhandenen Noten nicht gedeckt werden könne. Die Reichsbank Flensburg verfügt zur Zeit über rd. 1 Mill. Reichsmark in Reichsbanknoten; sie hat außerdem 3 bis 4 Mill. Reichsmark in Reichskreditkassenscheinen, die nach Abstempelung in den Verkehr gegeben werden können. Der Gesamtbetrag von 4 bis 5 Mill. RM würde ausreichen, den Flensburger Bezirk unter normalen Umständen zu versorgen. Wegen der großen Anforderungen, die einesteils von der Wehrmacht, anderenteils von verlagerten Dienststellen, Betrieben und Flüchtlingen gestellt werden, ist jedoch mit Sicherheit zu erwarten, daß in längstens 8 bis 10 Tagen keine Zahlungsmittel mehr vorhanden sein werden. Ein besonderes Problem bilden die Flüchtlingsgelder. Die Banken zahlen zur Zeit 300,–– RM monatlich, die Sparkassen 50,–– RM monatlich auf Sparkassenbücher aus; in Härtefällen ist Sonderbehandlung üblich. Der Vertreter der Volksbank wies darauf hin, daß die Auszahlungen an Flüchtlinge eine untragbare Schmälerung der wirtschaftlichen Substanz Flensburgs bedeutete, er wünschte entweder eine besondere Garantie des Reiches oder ein Verbot der Auszahlung. Es wurde erwidert, daß aus allgemeinen politischen Gründen ein solches Verbot nicht in Betracht komme. Von anderer Seite wurde festgestellt, daß in den letzten Tagen die Angstabhebungen nachgelassen hätten. Der Gesamtbetrag der Flüchtlingsgelder kann annähernd auf 20 bis 25 Mill. RM roh geschätzt werden. Es bestand völlige Übereinstimmung dahin, daß grundsätzlich nur der Notbedarf ausgezahlt werden kann. Die Banken sind bisher im allgemeinen den Zahlungsanforderungen nachgekommen; insbesondere ist es möglich gewesen, Lohngelder voll auszuzahlen. Um den Geldbedarf weiter befriedigen zu können, ist es notwendig, neues Geld herauszubringen. Einigkeit bestand darüber, daß kein städtisches Notgeld geschaffen werden soll, sondern ein überregionales Geld, für das als Träger eine provinzielle Anstalt gebraucht wird. Hierfür kommen die Schleswig-Holsteinische Landesbank oder der Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein in Frage. Die Schleswig-Holsteinische Landesbank hat ihren Sitz in Kiel. Auch hinsichtlich des Sparkassen- und Giroverbandes ist festgestellt worden, daß z.Zt. Zeichnungsberechtigte nicht im unbesetzten Schleswig-Holstein erreichbar sind. Jedoch hält sich der Oberpräsident zur Zeit in Flensburg auf, so daß es voraussichtlich möglich ist, entsprechend der Satzung für eine Vertretung des Verbandes zu sorgen. Diese Frage wird nachgeprüft. Die technische Ausgestaltung des neu zu schaffenden Geldes wurde einer Besprechung vorbehalten, die am 6. Mai ds.Js. unter Vorsitz von Präs. Dethleffsen mit Vertretern des Druck- und Papiergewerbes stattfand. 1.) Allgemeine Fragen wirtschaftlicher Natur Präs. Dethleffsen schilderte die außerordentlichen Nöte im Transportwesen. Verschiedene Wirtschaftsgüter lagerten außerhalb von Flensburg und es bestände zur Zeit noch keine Möglichkeit, sie in die Stadt zu schaffen. Er bat daher um Beschaffung von Lastzügen, insbesondere von Holzgaswagen. In erster Linie muß Öl aus Heide herangefahren werden. Diese Frage soll mit dem Generalquartiermeister[2] besprochen werden. Es wurde hierbei von einem Teilnehmer an der Be- … 2. Die Abschrift Zahlungsmittelversorgung des nördlichen Reichsgebiets Infolge der militärischen Ereignisse unterliegt die ausreichende Versorgung des norddeutschen Reichsgebiets mit Zahlungsmitteln erheblichen Schwierigkeiten. Die Deutsche Reichsbank hat sich zwar bemüht, Geldtransporte herzusenden, doch reichen die übersandten Zahlungsmittel nicht aus, den laufenden Bedarf zu decken. Der Bedarf hat sich erheblich gesteigert, weil die Vorauszahlung der laufenden Bezüge (Gehälter, Löhne, Sozialleistungen) für einen längeren Zeitraum durchgeführt wird und weil das Publikum laufend Guthaben bei Banken und Sparkassen in Bargeld umwandelt. In Schleswig-Holstein mußten infolge der Zahlungsmittelknappheit bereits Auszahlungsbeschränkungen durchgeführt werden. Im Gebiet von Groß-Hamburg werden sie in kurzem ebenfalls notwendig sein. Ein Nachschub von Zahlungsmitteln durch die Reichsbank wird voraussichtlich kaum möglich sein. Es wird versucht werden, aus den süddeutschen Gebieten Zahlungsmittel heranzuschaffen, und es wird geprüft werden, ob neben Reichsbanknoten Reichskreditkassenscheine in den Verkehr gegeben werden können. Auch diese Maßnahmen werden aber im Fall ihrer Durchführbarkeit nur für eine zeitlich begrenzte Überbrückung ausreichen. Es muß deshalb vorgeschlagen werden, schon jetzt Aushilfsgeld vorzubereiten, das in den Verkehr gegeben wird, bis es wieder durch Reichsbankgeld abgelöst werden kann. Erwägungen hierüber schweben bereits in allen Teilen des norddeutschen Reichsgebiets, und zwar in den verschiedensten Formen. Während in Groß-Hamburg die Ausgabe des Aushilfsgeldes durch die Landesbank geplant wird, besteht in Schleswig-Holstein die Absicht, Aushilfsgeld durch die einzelnen Gemeinden ausgeben zu lassen. Der Versuch, eine einheitliche Grundlage für die Ausgabe von Aushilfsgeld zu schaffen, ist daran gescheitert, daß Verhandlungen hierüber in Lübeck durch den Regierungspräsidenten abgelehnt worden sind. Die Schaffung einer einheitlichen Grundlage für die Ausgabe des Aushilfsgeldes im gesamten norddeutschen Raum ist aber unerläßlich, um zu verhindern, daß vermeidbare inflationistische Erscheinungen auftreten, und daß die Gestaltung des Aushilfsgeldes durch zu weitgehende örtliche Begrenzung die überörtlichen Verkehrsbedürfnisse nicht befriedigen kann. Dabei werden folgende Erwägungen maßgebend sein: Die Ausgabe des Aushilfsgeldes muß durch einen bekannten und angesehenen Träger erfolgen, der ein möglichst großes Gebiet umfaßt. Eine Ausgabe durch das Reich für den gesamten norddeutschen Raum ist nicht möglich, da das Reich nur Geldzeichen ausgeben kann, die für das gesamte Deutsche Reichsgebiet gelten und dort umlaufen. Alsdann erscheint es zweckmäßig, die Geldzeichen durch die Landesbanken auszugeben. Es kann hierbei angestrebt werden, daß äußere Bild der Geldzeichen möglichst gleich zu gestalten. Die Geldzeichen müssen über die Reichsbankstellen in Verkehr gesetzt werden. Sie müssen durch Reichsmarkguthaben bei der Reichsbank gedeckt sein. Ihre Ausgabe erfolgt nur in Höhe der bei der Reichsbank befindlichen Guthaben. Sie werden von allen Reichsbankanstalten und damit von allen Kreditinstituten in Zahlung genommen. Ihre überörtliche Verwendbarkeit ist damit sichergestellt. Zur Durchführung dieser Maßnahmen wird vorgeschlagen, die anliegende Verordnung zu erlassen. Handschriftliche Unterschrift [unleserlich] DEU-267R: Reichskraditkassenschein über 5 RM mit Stempel "Reichsbank 1 Rendsburg". Abb. Sammlung Grabowski. Die Reichskreditkassenscheine waren bereits ab 1. Januar 1945 als Besatzungsgeld der Deutschen Wehrmacht ungültig geworden. Ende des Zweiten Weltkriegs sind sie – amtlich nur 20 und 50 Mark, doch kommen die anderen Werte auch vor – in Schleswig-Holstein von verschiedenen dortigen Reichsbankstellen mit Dienstsiegeln abgestempelt und als Notgeld ausgegeben worden. Die abgestempelten Scheine kamen zwischen dem 5. und 13. Mai 1945 in Umlauf und blieben bis zum 4. Mai 1946 gültig. HAM-41: Hamburgische Landesbank-Girozentrale, Druckproben zur Notausgabe über 50 RM vom 30. April 1945. Abb. Teutoburger Münzauktion. Die für Hamburg geplante Notausgabe der Hamburgischen Landesbank-Girozentrale über 50 Reichsmark vom 30. April 1945 kam nicht mehr in Umlauf. Es existiert nur ein Musterschein und Druckproben der Vorder- und Rückseite. 3. Der Erlass E r l a s s. ================== Zur Behebung der augenblicklichen Zahlungsmittelknappheit bestimme ich : Die Landesbanken und die Sparkassen- und Giroverbände werden ermächtigt, Aushilfsgeld in der Stückelung von 1, 2, 5, 10, 20 und 50 Reichsmark auszugeben. Jede andere Ausgabe von Aushilfsgeld ist untersagt. Das Aushilfsgeld tritt gleichwertig neben den in Umlauf befindlichen Reichsbanknoten und Reichsbankscheine[3] und wird nach den für diese geltenden Grundsätzen von den jeweils zuständigen Reichsbankstellen in Verkehr gesetzt. Es ist von jedermann im Zahlungsverkehr anzunehmen. Das umlaufende Aushilfsgeld muss jederzeit in voller Höhe durch Reichsmarkguthaben bei der Deutschen Reichsbank gedeckt sein. Die Haftung für das Aushilfsgeld trägt allein das Reich. Für vernichtetes, verlorenes oder ungültig gewordenes Aushilfsgeld wird kein Ersatz geleistet. Die Einziehung des Aushilfsgeldes wird durch Verordnung bestimmt werden. § 25 des Gesetzes über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939 – RGBl. I S. 1015 – findet entsprechende Anwendung. Soweit von der Ermächtigung nach Ziffer 1 Gebrauch gemacht wird, ist dies unter Abdruck dieses Erlasses in den amtlichen Verkündigungsblättern und in der Tagespresse bekanntzumachen. Flensburg, den Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht zu Lande, zu Wasser und in der Luft am 8. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst durch den Chef des OKW, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel. Zur Herstellung und Ausgabe des sog. "Aushilfsgelds" kam es nicht mehr! Nur für Hamburg hatte es mit der abgebildeten Druckprobe eines 50-RM-Scheins vom 30. April 1945 bereits zuvor konkrete Vorbereitungen gegeben, die aber auch nicht mehr umgesetzt werden konnten. Kurz nach der Beratung in der Wirtschaftskammer Flensburg vom 5. Mai 1945 kapitulierten Vertreter der Wehrmacht in der Nacht vom 6. auf dem 7. Mai 1945 im Obersten Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte in Reims. Um die Kapitulation auch durch den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, sowie durch die Oberbefehlshaber der Kriegsmarine und der Luftwaffe bestätigen zu lassen, erfolgte deren Unterzeichnung der Urkunde der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 im Hauptquartier der Roten Armee in Berlin-Karlshorst. Hierzu wurde Großadmiral Karl Dönitz extra aus dem Sonderbereich Mürwik bei Flensburg eingeflogen. Hans-Ludwig Grabowski Quelle: Beiträge und historische Dokumente aus dem Archiv des Battenberg Gietl Verlags Abb. Hans-Ludwig Grabowski / Teutoburger Münzauktion Anmerkungen SS-Gruppenführer Otto Ohlendorf (1907-1951). Ab 22. Juli 1944 (kurz nach dem Attentat auf Hitler) bis Kriegsende Generalmajor Alfred Toppe. Gemeint sind sicher Rentenbankscheine.

  • Ein Handwagen voller Notgeld für den Restkreis im Vogtland

    Nach der Verwaltungsreform in Sachsen vom Juni 1816 wurden sog. Amtshauptmannschaften als neue territoriale Gliederungen im Königreich gebildet. Nach dem 15. Oktober 1874 wurden die Grenzen neu gezogen und aus den Gerichtsamtsbezirken Adorf, Markneukirchen und Oelsnitz entstand die Amtshauptmannschaft Oelsnitz. Die Umbenennung für das sächsisch-vogtländische Gebiet erfolgte dann 1939 im Zuge der nationalsozialistischen Gesetzgebung.1) Der Landkreis Oelsnitz i. V. existierte dann bis zur Abschaffung der Länder in der DDR im Juli 1952. In der Zwischenzeit gab es aber auch den sog. Restkreis Oelsnitz i. V. ... für 21 Tage: vom 16. April bis zum 6. Mai 1945. Abb. 1: der Restkreis zwischen Sachsen, Bayern und dem damaligen Reichsgau Sudetenland. In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs war die Reichsdruckerei in Berlin nicht mehr in der Lage, ausreichend Geldscheine zu drucken und durch die Reichsbankstellen auszuliefern. So erschienen diese oder ähnliche Bekanntmachungen in Sachsen: „Da die Heranbringung von Geldern der Reichsbank außerordentlich schwierig ist, werden RM-Markscheine als Notgeld ausgegeben. ... Diese Scheine stellen den gleichen Wert wie die Reichsbankgeldscheine dar. Sie werden von allen öffentlichen Kassenstellen ... in Zahlung genommen. ...“ Tatsächlich wurden auch für das vogtländische Gebiet um Oelsnitz/Adorf/Markneukirchen Notgeldscheine gedruckt, aber nicht mehr ausgegeben; amtliche Unterlagen dazu ließen sich nicht mehr finden. Seit den 1980-er Jahren ist aber ein Schriftstück überliefert, das ausführliche Auskunft über den Druck von Gutscheinen für den Restkreis gibt. Der damalige Drucker gab vor einem Notar in Klingenthal folgende Erklärung ab: „Anfang Mai 1945 weilte ich wegen einer Verwundung in Markneukirchen. Ich arbeitete in der ehemaligen Druckerei J. Schmidt KG, jetzt VEB Druckerei Markneukirchen, hier, Roter Markt 5. Anfang Mai 1945 habe ich dort unter Aufsicht von Polizei Notgeld-Gutscheine in Reichsmark-Währung hergestellt. Die Scheine wurden im Hochdruckverfahren „vom Satz“ (ohne Druckplatten) auf maschinenglattes Papier gedruckt. Verwendet wurden Bogen zu etwa acht bis zwölf Nutzen, die dann geschnitten wurden. Der Buchdruck geschah dreifarbig – zuerst ein rosé Untergrund nach Marées. Ausgabeort und -Datum lauteten »Adorf i. V., 28. April 1945«. Als verantwortlich war »der Landrat des Restkreises« ausgegeben. Gezeichnet hatte der »mit der kommissarischen Führung beauftragte Bürgermeister« von Adorf i. V. »Dönitz«. Auf Grund der langen Zeitspanne kann ich mich nicht mehr genau an die einzelnen Werte erinnern. Vermutlich handelte es sich um 50 Reichspfennig, 1,– RM, 10,– RM, 20,– RM und 50,– RM. Mit Herrn Otto Schmidt sen. (verstorben) habe ich am Sonnabend, dem 5. Mai 1945, gegen mittag das Geld in einem Handwagen zum Rathaus geschafft und dort abgegeben. Da am nächsten Tag, Sonntag, dem 6. Mai 1945, US-Truppen die Stadt Markneukirchen besetzten, ist das Notgeld nicht mehr zur Ausgabe an die Bevölkerung gelangt.« Abb. 2: Erklärung des Buchdruckers W. Zimmer vom 2. September 1974 über den Notgeld-Druck. Die Gründe der abgegebenen Erklärung von Werner Zimmer sind bis heute unbekannt, waren aber in den 1970-er Jahren wohl erforderlich. Gab es seinerzeit irgendwelche Vorwürfe, Behauptungen oder Anschuldigungen gegen irgendjemand? Am 11. November 1974 beglaubigte der Klingenthaler Notar Dr. Gottfried Neubert die Erklärung unter Nr. UR 342/1974 und erstellte eine Kostenrechnung über 2,06 Mark für einen angesetzten Wert von 800,00 Mark. Tatsächlich war die 300 bis 350 Meter lange Strecke zu Fuß mit einem Handwagen vom Roten Markt zum Rathaus in nur fünf Minuten zu bewältigen. Am 6. Mai 1945 erreichten US-Truppen die Stadt, nachdem sie Tage zuvor schon Hof, Asch (Aš) und Eger (Cheb) eingenommen hatten; nach dem Befehl von General Clarence R. Huebner, Kommandant des V. Corps (3rd US Army, 1st Infantry Division), sollten sie gemeinsam mit der 9. US-Panzerdivision das gesamte Vogtland ab 5. Mai besetzen und Karlsbad (Karlovy Vary) einnehmen. Bis dahin hatte sich die Wehrmacht in die Wäldern um Oelsnitz, Schöneck, Adorf, Markneukirchen und Bad Elster zurückgezogen. Der entstandene Restkreis umfasste außer den fünf Städten auch die Gemeinden Arnoldsgrün, Arnsgrün, Bad Brambach, Bärendorf, Breitenfeld, Erlbach, Eschenbach, Eubabrunn, Freiberg, Gopplasgrün, Gürth, Gunzen, Hermsgrün, Hohendorf, Jugelsburg, Landwüst, Leubetha, Marieney, Mühlhausen, Oberbrambach, Oberwürschnitz, Ober- und Untergettengrün, Raun, Rebersreuth, Remtengrün, Rohrbach, Saalig, Schilbach, Schönberg, Schönlind, Siebenbrunn, Sohl, Unterwürschnitz, Wernitzgrün, Willitzgrün, Wohlbach und Wohlhausen. Deshalb druckte man auf die Gutscheine: „Gültig für den in deutscher Hand befindlichen Restkreis Oelsnitz i. V. bis zum Aufruf durch öffentlich Bekanntmachung. ... Der Landrat des Restkreises. Mit der kommissarischen Führung beauftragt: Dönitz, Bürgermeister.“ Dr. Fritz Rudimann Dönitz (1883–1947) war seit 1920 Bürgermeister von Adorf, wurde am 25. April 1945 auch zum Landrat des Restkreises ernannt und am 4. Juni 1945 von der US-amerikanischen Militärregierung durch Commander Webber vom Amt abberufen. Nach der Übernahme des Gebiets durch die Rote Armee wurde Dönitz (nicht verwandt mit dem letzten Reichspräsidenten Karl Dönitz) am 12. Dezember 1945 verhaftet und starb am 20. Februar 1947 im Sowjetischen Speziallager Nr. 6 in Jamlitz/Oberspreewald. Der Druck der Scheine wurde von den Stadträten in Adorf und Markneukirchen genehmigt und vorbereitet. Die Druckerei J. Schmidt KG Markneukirchen, die auch eine Niederlassung bis in die Kriegszeit in Berlin-Charlottenburg betrieb, wurde im März 1951 enteignet und in „Volkseigentum“ überführt, aber bis mindestens 1966 noch unter ihrer Firmierung geführt. Gegen eine Teil-Demontage der Druckerei erhoben im November 1946 die Eigentümer Einspruch.2) Abb. 3: Briefkopf der Buch- und Offsetdruckerei von 1928. Abb. 4: früheres Gebäude der Druckerei im April 2007, © 2007 Peter Ihde, Markneukirchen. Im Verzeichnis der DDR-Druckereien wurde der Betrieb mit der Kennung III/23/3 registriert. Das Betriebsgebäude der in VEB Druckerei Markneukirchen umbenannten Firma wurde am 12. November 2007 abgerissen. Von den gedruckten Notgeldscheinen sind nur die Wertstufen von 1, 10 und 50 Reichsmark bekannt, andere Stücke – wie von W. Zimmer vermutet –, sind bisher nicht aufgetaucht. Von allen drei Scheinen sind Exemplare mit einem Entwertungsstempel „Ungültig.“ nachweisbar. Abb. 5: einseitig rosa-schwarz gedruckter Gutschein zu 1 Reichsmark 28. April 1945. Abb. 6: einseitig und rosa-grün-schwarz gedruckter Gutschein zu 10 Reichsmark 28. April 1945. Abb. 7: einseitig rosa-grün-schwarz gedruckter Gutschein zu 50 Reichsmark 28. April 1945. Abb. 8: violetter Stempel „Ungültig.“ Abb. 9: violetter Stempel „Ungültig.“ Den Druck des Notgelds bestätigte ebenfalls das Oelsnitzer Kreisnachrichtenamt in einem Schreiben vom 2. Juli 1948 an Dr. Arnold Keller: „Bezugnehmend auf Ihr o. a. Schreiben teilen wir Ihnen mit, dass im Jahre 1945 für den gesamt Landkreis Oelsnitz (Vogtl.) kein Notgeld hergestellt worden ist. Die Druckerei J. Schmidt, Markneukirchen, berichtet uns jedoch, dass sie im Auftrage des Stadtrates Markneukirchen und Adorf i. V. am 5.5.1945, also kurz vor Kriegsschluss, für den damals noch bestehenden „Restkreis Oelsnitz“ Notgeld gedruckt hat. ...“.3) Und in einer damaligen Zeitungsnotiz stand unter der Überschrift: „Der Gutschein als zeitweiliger Notbehelf“ – „Hin und wieder ist auch Notgeld aus der jüngsten Zeit bekanntgeworden, aber nur wenige Sammler dieser Scheine werden wissen, daß Notgeld auch in den letzten Tagen des „Tausendjährigen“ Reiches verausgabt worden ist. Es war an sich schon längst erledigt und das Vogtland besetzt. Doch gab am 28. April 1945 der Landrat des Restkreises Adorf i. Vogtl. Gutscheine über eine und zehn Reichsmark heraus, deren Gültigkeit ausdrücklich auf den in deutscher Hand befindlichen Restkreis Oelsnitz i. Vogtl. beschränkt war. Auch dieses Notgeld ... stellt einen interessanten Beitrag zur Zeitgeschichte dar, umso mehr, als es sich um eine Ausgabe in einem verhältnismäßig kleinen Bereich einer kurzen Verwendungszeit handelt.“4) Bei der Besetzung des Markneukirchener Rathauses fanden die US-Amerikaner die nicht nummerierten Scheine vor, beschlagnahmten sie ... und keiner weiß bis heute, was mit den Gutscheinen danach geschehen ist. US-Oberst H. H. Newman verfasste ein Rundschreiben aufgrund der Direktive des SHAEF vom Mai 1945, dass „alle lokal gedruckten deutschen Geldscheine jeglicher Art mit sofortiger Wirkung nicht ausgegeben werden dürfen“.5) Das galt auch für die Briten und Franzosen. Höchstwahrscheinlich wurden die Notgelder von irgendjemandem vernichtet, aber nicht zu 100 Prozent, sodass einige wenige Belege die Zeiten überdauerten und heute noch – wenn auch selten – vorkommen. Das Historische Archiv des Vogtlandkreises in Oelsnitz kennt keine aufschlussreichen Dokumente, die zur Aufhellung des Restkreis-Notgelds beigetragen hätten. Erst 1947 kam es wieder zur Ausgabe von Notgeld im Landkreis: die Gutscheine der Firma Koch & te Kock AG in Oelsnitz. Die 1880 von Carl Wilhelm Koch und Fritz te Kock gegründete Teppichweberei und Möbelstoff-Fabrik gab mit dem Datum 1. Dezember 1947 Notgeld in den Wertstufen 1, 10 und 50 Reichspfennig aus. Die Aktiengesellschaft wurde 1950 enteignet und als VEB Halbmond-Teppiche Oelsnitz/V. in „Volkseigentum“ umgewandelt. Seit der Wiedervereinigung des Gebiets der vier ehemaligen deutschen Besatzungszonen wird der Betrieb ab 1990 als Halbmond Teppichwerke GmbH weitergeführt. Abb. 10: 10 Reichspfennig 1. Dezember 1947, mit Oval- und Faksimile-Stempel, 4-stellige Paginierung, einseitig auf Karton vervielfältigt, 95 × 70 mm. Auch während der Inflationszeit gab die Firma unterschiedliche Notgeld-Gutscheine aus: z. B. 1 und 5 Mio. Mark mit dem Datum 23. August 1923. Michael H. Schöne Anmerkungen Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934, Dritte Verordnung vom 28. November 1938 Demontage der Druckerei J. Schmidt in Markneukirchen, Monatsberichte des Arbeitsamtes Oelsnitz 1946, StA-D, Rep. 11391 Nr. 803; und Einspruch gegen die Demontage von Druckereien vom 21. November 1946, StA-D, Rep. 11384 Nr. 1852 Antwortschreiben des Sachbearbeiters Hr. Deeg vom 2. Juli 1948 Veröffentlichung im „Nacht-Express“ Berlin vom 22. Mai 1948 H. H. Newman: SHAEF/G-5/Fin/Fwd/1/5 https://www.adorf-vogtland.de Klaus-Peter Hörr: http://gewerbeverein-adorf.de Peter Ihde: https://peterihde.de

  • Unter grün-weiß-roter Fahne 3: Separatistenausgaben im besetzten hessischen Gebiet und der Pfalz

    Mainz: „Am 27. Oktober 1923 war es auf Grund der unsicheren Lage nicht möglich, das fertiggestellte Notgeld zum Stadthaus zu bringen. Daher wurde alles fertiggestellte Notgeld im alten Steinkeller der Druckerei [Philipp von Zabern, Anm. d. Verf.] unter den lithographischen Steinen versteckt. Man vergaß allerdings, die noch nicht beschnittenen Bogen ebenfalls zu verstecken. In der Nacht drangen ‚separatistische Banden‘ in die Druckerei ein, konnten aber nichts finden. Am nächsten Sonntag, berichtete der Prokurist Schulmerich, der in den Räumen der Druckerei wohnte, von den Ereignissen der Nacht. Anscheinend war es aber immer noch nicht möglich, das Geld in das sichere Stadthaus zu transportieren. In der darauffolgenden Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 1923 drangen wieder Separatisten in die Druckerei ein. Sie fanden die unbeschnittenen Bogen und ‚beschlagnahmten‘ sie, weil die Stadtverwaltung sich geweigert habe, an Mitglieder der Rheinischen Bewegung Erwerbslosen-Unterstützung zu zahlen. In dieser Nacht wurden bei Zabern 1.200 Billionen Mark gestohlen.“[1] Abb. 1: Plakat des Oberbürgermeister Dr. Ehrhard. Die 12.000 geraubten 100-Milliarden-Mark-Scheine mit dem Ausgabedatum 8. Oktober 1923 waren mit den Nummern 48001 – 60000 versehen. Mit Plakaten warnte Oberbürgermeister Dr. Ehrhard umgehend die Bevölkerung vor deren Annahme, da sie ungültig seien. In den Mainzer Tageszeitungen erschien dann am 30. Oktober 1923 eine Bekanntmachung der „Provinzialdirektion Mainz der Rheinischen Republik“, in der auf die unveränderte Gültigkeit hingewiesen wurde und die Kassen und Banken verpflichtete, diese Scheine auch weiterhin anzunehmen.[2] In den folgenden Tagen übernahm die Bewegung in Rheinhessen die Kreisämter in Alzey, Worms und Bingen, im November 1923 begannen in der bayerischen Pfalz die Anhänger der „Freien Bauernschaft“ unter Führung von Franz Josef Heinz die Bezirksämter zu stürmen. Am 12. November proklamierte er in Speyer die „Autonome Pfalz“. Alle Aktionen konnten nur deshalb stattfinden, weil die französische Besatzungsmacht die deutsche Polizei und behördliche Selbstschutzeinheiten daran hinderte, Widerstand zu leisten. Mit Datum vom 5. November 1923 wurden im Kreis Bingen verschiedene Schein zu 100 Milliarden (1) und 500 Milliarden (2), einer Billion (1) und 5 Billionen (3) Mark sowie ein Schein zu einer Billion Mark mit Ausgabedatum 7. November 1923 in Verkehr gegeben. In Klammern () die Anzahl der ausgegebenen Grundtypen. Sie haben alle die gedruckte faksimilierte Unterschrift „Schorn“ und sind daran als Separatistengeld zu erkennen. Abb. 2: Bingen, Kreis, 5. November 1923, 500 Milliarden Mark, Vorderseite, Rückseite unbedruckt. Abb. 3: Bingen, Kreis, 5. November 1923. 5 Billionen Mark, Vorderseite, Rückseite unbedruckt. In der Zeit des passiven Widerstands und der damit verbundenen Sperre der Grenzen des besetzten Gebiets mangelte es auch in Alzey an Zahlungsmitteln. Nicht unerhebliche Mittel wurden von der Stadtverwaltung für die Erwerbslosenfürsorge benötigt. Da die Zufuhr von Reichsgeld, das über Oppenheim in den Kreis Alzey geschmuggelt wurde, eingeschränkt war, sah sich die Verwaltung im Oktober 1923 gezwungen Notgeld bei der Druckerei Kranzbühler in Worms drucken zu lassen. Auch diese Geldtransporte mussten nachts und in aller Heimlichkeit vor sich gehen, denn die Franzosen beschlagnahmten alles nur auffindbare Geld. Die Druckerei druckte 403.000 Notgeldscheine im Gesamtbetrag von 369.398.400.000.000.000 Mark in Scheinen zu 1 Milliarde Mark (19. Oktober 1923), 20, 50 und 100 Milliarden Mark (26. Oktober 1923), eine Billion und 5 Billionen Mark (8. November 1923) sowie 500 Milliarden Mark (12. November 1923). In Klammern das aufgedruckte Ausgabedatum. Für ihre Arbeit erhielt die Druckerei 5.746.742.000.000.000 Mark.[3] Am Abend des 31. Oktober und in der Nach zum 1. November kamen die Separatisten in Alzey an und besetzten unter Führung des ehemaligen Eisenbahnzugführers Peter Biersack [* 22. Mai 1878 in Alzey; † 26. Januar 1935 in Mainz] zwischen 7 und 8 Uhr das Kreisamt. Irgendwie hatten die Separatisten erfahren, dass die Druckerei Kranzbühler Kreisnotgeld geliefert hatte. Am Abend des 8. Novembers erschienen daher ein bewaffneter Trupp bei der rechtmäßigen Verwaltung und verlangte die Herausgabe dieses Geldes. Da sich die Beamten und Angestellten weigerten etwas über den Verbleib des Geldes zu sagen, wurden sie verhaftet. Trotz stundenlanger Verhöre konnten die Sonderbündler über den Verbleib des Geldes nichts in Erfahrung bringen. Auch die Durchsuchung der Räume blieb erfolglos. Vorsorglich hatte der Regierungskommissar der Rheinischen Republik für Hessen, Dr. Roth, bei der Hohen Interalliierten Rheinlandkommission in Koblenz am 7. November die Ausgabe von Provinzialnotgeld beantragt. So konnten bereits am 8. November die ersten Scheine in Umlauf gesetzt werden. Es sind einfache grün gedruckte Scheine in den Wertstufen 200 Milliarden, eine Billion und zwei Billionen Mark, bei denen der Name Biersack von Hand am unteren rechten Rand gestempelt wurden. Abb. 4: Alzey, Hess. Kreisamt, 8. November 1923, 2 Billionen Mark, Vorderseite. Rückseite unbedruckt. Da die Bevölkerung das Separatistengeld bei Zahlungen zurückwies, erschien unter dem 11. November folgende Verordnung:[4] 1. Das Notgeld der Kreise Alzey, Bingen und Groß-Gerau ist im ganzen besetzten Gebiet gültig, da es im Einverständnis mit dem französischen Kreisdelegierten zur Ausgabe gelangt ist. 2. Alle städtischen Kassen, Banken, Geschäftsleute sind verpflichtet, dieses Notgeld in Zahlung zu nehmen. Im Weigerungsfalle ist Meldung bei der Regierung der Rheinischen Republik für Hessen, Kreisamt Mainz, Schillerstr. 44 zu erstatten. Mainz, den 11. November 1923 Dr. Roth, Regierungskommissar der Rheinischen Republik für Hessen. Wahrscheinlich überzeugte Biersack die erste Ausgabe nicht vollkommen. Denn nur wenige Tage später wurden neue Wertzeichen zu einer Billion sowie zwei und fünf Billionen Mark mit dem Ausgabedatum 16. November 1923 ausgegeben. Sie tragen nun einen runden Stempel mit der Umschrift „Vorläufige Regierung der Rheinischen Republik“ und in der Mitte „Kreisamt Alzey“. Abb. 5: Alzey, Hess. Kreisamt, 15. November 1923, 1 Billion Mark, Vorderseite. Rückseite unbedruckt. Im Kreis Groß-Gerau kam es gleich zu zwei konkurrierenden Ausgaben. Bezirkskommissar Scheider emittierte unter dem 1. November 1923 zwei Werte: 1 Billion und 2 Billionen-Mark. Die Volksbank Groß-Gerau ließ anlässlich der Jubiläumsfeier zum 100-jährigen Bestehen am 15. Mai 1971 einen Nachdruck des Wertes zu einer Billion herstellen. Auf der Rückseite: „Nachdruck aus Anlass der 100-Jahr-Feier der Volksbank Groß-Gerau zum 15.5.1971“. Abb. 6: Groß-Gerau, Kreis, 1. November 1923, 1 Billion Mark, Unterschrift „Schneider“, Vorderseite, Rückseite unbedruckt. Mitte November gab Kreiskommissar Schäfgen Notgeld zu 200 und 500 Milliarden Mark mit seiner Unterschrift aus, das im Volksmund „Schäfgengeld“ genannt wurde. Ein zeitgenössischer Bericht vermerkt hierzu: „Er sollt mit diesem Gelde nicht viel Glück haben. Was sich Herr Schäfgen aber erlauben konnte, durften andere auch und so geschah es, daß das Schäfgengeld sofort eine vorzügliche Fälschung erfuhr, dieselben Nummern des von ihm verausgabten Geldes erschienen wieder mit einem wenig auffallenden Trockenstempel: ‚Greisamt‘ Groß-Gerau und einem Schafskopf! An diesem Tage, an dem Herr Schäfgen dies wunderbare Geld verausgaben wollte, mußte er die Wahrnehmung machen, daß ‚sein Geld‘ auf der Straße lag. Überall im Kreise, auf allen möglichen und unmöglichen Orten konnte man es auflesen. Nahezu niemand nahm das Geld in Zahlung, einige Dumme fielen natürlich darauf hinein. Schäfgen selbst mußte es erleben, das sein Zigarrenladen in Mainz, den seine Frau verwaltete, in der Zeit seiner ‚Kreiskommissartätigkeit‘ mit seinem Gelde ausgekauft wurde. Als er Abschied nahm, war sein Laden voll Zigarren, als er wieder kam, voll wertlosen Papiers.“[5] Abb. 7: Groß-Gerau, Kreis, 1. November 1923, 500 Milliarden Mark, Unterschrift „Schäfgen“, Vorderseite. Rückseite unbedruckt. In der Zeit vom 13. August bis zum 7. November 1923 ließ die Kreisgemeinde Pfalz 9.534.000 Notgeldscheine zu einer Million bis einer Billion Mark im Gesamtwert von 276.752.967.100.000.000 Mark bei der Pfälzischen Verlagsanstalt Karl Liesenberg in Neustadt an der Weinstraße drucken, die sämtlich ausgegeben wurden. Das Wasserzeichenpapier lieferte die Papierfabrik Hoffman & Engelmann in Neustadt (Schönthal).[6] Abb. 8: Separatistisches Rollkommando.[7] Ab 5. November 1923 drangen bewaffnete Separatisten vom Rheinland kommend in die Pfalz ein und erreichten am 10. November Speyer. Zwei Tage später wurde die „Pfälzische Republik im Verband der Rheinischen Republik“ ausgerufen. Heinz Orbis ernannte sich selbst zum ersten Präsidenten und Schuhmacher Johann Wilhelm Novak wurde Finanzminister. Sein Vorstrafenregister war beachtlich: sechs Monate Gefängnis wegen schweren Diebstahls, neun Monate Gefängnis wegen Amtsanmaßung, Erpressung und schwerer Urkundenfälschung, zwei Jahre Zuchthaus wegen gefährlicher Körperverletzung, zehn Jahre Zuchthaus wegen Totschlags. Sofort belegte er die pfälzische Notgelddruckerei mit Beschlag und besetzte am 10./11. November 1923 die Reichsbanknebenstelle in Speyer. Bekannt sind Notgeldscheine der Kreisgemeinde Pfalz [eine Million, fünf Millionen Mark (ohne Datum), 10, 20, 50 Millionen Mark (Ausgabedatum: 11. August 1923), 50, 100, 500 Millionen Mark (Ausgabedatum: 1. Oktober 1923)], bei denen mit roter Tinte die Unterschriften durchgestrichen sind und handschriftlich der Name Nowak zugesetzt wurde.[8] Beim Billionenwert wurden ebenfalls die Unterschriften mit roter Tinte durchgestrichen und der zweizeiligen Aufdruck: „Dieser Schein ist gedeckt durch die Rheinische / Regierung in Wiesbaden. Kommissar für die Pfalz“ und handschriftlich „Novak“ hinzugefügt. Helfried Ehrend bemerkt dazu: „Alle diese „novakschen Banknoten“ sind Fälschungen, die nachträglich für Sammler angefertigt wurden. … Ende Oktober 1923 galten 1-Million Mark nur noch 0,000015 US-$. Das Novak’sche Notgeld hatte also zu diesem Zeitpunkt keinen Wert mehr. Auch erschienen in den damaligen Zeitungen keinerlei Hinweise auf diese doch sicherlich sehr bemerkenswerten Geldscheine. … Auch weist .. [der 1-Billionen-Schein] auf eine nie bestandene Verbindung der Pfalz mit Wiesbaden hin.“[9] Abb. 9: Speyer, Kreisgemeinde Pfalz, 1. Oktober 1923, 1 Billion Mark, Vorderseite. Rückseite unbedruckt. Nach Dr. Persijn stellt sich der Sachverhalt folgendermaßen dar: „Täglich erschienen .. bewaffnete Separatistentrupps in der Druckerei und verlangten Geld, bis schließlich für den (mehrfach vorbestraften) ‚Kommandeur‘ der Neustadter Separatisten, Johann Wilhelm Novak, ein Posten von 8000 Stück Ein-Billion-Scheinen gedruckt werden mußte. Die Druckerei sorgte aber dafür, daß sich diese ‚Novak-Scheine‘ von den echten Notgeldscheinen unterschieden, u. a. wurden die Unterschriften der Kreistagsmitglieder auf den Scheinen durchbalkt und daneben der Name Novak aufgedruckt.“[10] Obwohl die „Autonome Republik“ erst am 12. November 1923 proklamiert wurde, wurden in der Druckerei Julius Kranzbühler & Cie., dem Verlag der Speierer Zeitung, Notgeldscheine zu einer Billion, zwei, fünf und 10 Billionen Mark sowie fünf Rappen mit Ausgabedatum vom 11. November gedruckt. Abb. 10: Autonome Pfalz, 11. November 1923, 5 Rappen, Vorderseite.[11] Abb. 11: Autonome Pfalz, 11. November 1923, 1 Billionen Mark, Vorderseite.[12] Am 24. November 1923 drangen Aufständische in die Ludwigshafener Druckerei Weiß & Hameier ein und forderten den Druck von 800.000 Billionen Mark in Scheinen zu 5 Billionen Mark mit der Aufschrift „Rheinische Republik Stadt Ludwigshafen“. Es gelang Firmenvertretern, vom französischen Delegierten den Befehl zur Einstellung der begonnen Arbeiten zu erwirken. Abb. 12: Rheinische Republik Stadt Ludwigshafen, o. D., 5 Billionen Mark, Vorderseite. Rückseite unbedruckt. Das Berliner Münzkabinett hat in seinen Beständen Entwürfe für Noten der Rheinischen Republik. Sie stammen aus der Geldgeschichtlichen Sammlung der ehemaligen Reichsbank. Es handelt sich um 14 Entwürfe, von denen zwölf koloriert sind. Sie nennen als Ausgabeort Coblenz und als Ausgabedatum den 6. November 1923. Die Ausführung wurde am 8. November von Mathes genehmigt. Die Nennwerte der Entwürfe sind 1 und 2 „rheinische Franken“, 5, 10 und 25 „Pfennige der Rheinischen Republik sowie ½, 1, 2, 5, 10 und 20 „rheinische Goldfranken“. Der Druck in der vorgesehenen Straßburger Druckerei unterblieb.[13] Von vornherein war die Autonomiebewegung zum Scheitern verurteilt. Die Verweigerung jeglicher Zusammenarbeit durch die Behörden, Hasspropaganda rechtsnationaler Kräfte und mangelnde Disziplin in den eigenen Reihen kosteten die Separatisten den anfänglichen Rückhalt in Teilen der Bevölkerung. Die Agitation gegen die „Franzosenfreunde“ schlug in der Pfalz in nackte Gewalt um, als am 9. Januar 1924 ein aus München kommendes Kommando den pfälzischen Anführer Heinz in Speyer erschoss. Am 12. Februar 1924 kam es in Pirmasens zum Sturm auf das von Separatisten gehaltene Bezirksamt. 15 von ihnen kamen dabei, zum Teil durch bestialische Lynchjustiz, zu Tode, während die Angreifer sieben Tote zählten. Abb. 13: Zustand eines Lebensmittelgeschäftes nach einem Separatistenbesuch.[14] Generell zogen sich die Anhänger der Autonomiebewegung im Laufe des Monats Februar zurück, nachdem Frankreich unter dem Druck Großbritanniens seine Unterstützung für die sog. „Rheinische Republik“ einstellte. Separatistenanhänger und Separatistengegner hielten sich mit gegenseitigen Vorwürfen nicht zurück. Für ihre Gegner waren die Sonderbündler Vaterlandsverräter und Verbrechergesindel. Tatsächlich waren sie im juristischen Sinne Hoch- und Landesverräter. Nach 100 Jahren sollte es jedoch möglich sein, die Beweggründe derjenigen, die sich den Separatisten anschlossen, ausgewogener zu betrachten. Zwar finden sich unter ihnen Räuber, Glücksritter, politische Abenteurer, Opportunisten und Machtversessene, doch bei allem darf nicht die damalige wirtschaftliche Not, Kriegsfurcht und die von vielen Rheinländern empfundene „preußische Besatzung“ aus den Augen verloren werden. Seit den bewegten Tagen ist ein Jahrhundert ins Land gegangen. Vieles aus der Zeit ist in Vergessenheit geraten oder wartet in Archiven darauf, aufgestöbert zu werden. Es ist daher anzunehmen, dass es weiteres separatistisches Geld zu entdecken gibt. Uwe Bronnert Anmerkungen [1] Dorothea Held, Der Notgelddruck bei Philipp von Zabern 1918 – 1923, Eine Schriftgabe des Verlag Philipp von Zabern anläßlich seines 200jährigen Bestehens, Mainz am Rhein 2002, S. 13. [2] Vgl. Hugo Schneider, Das Papiergeld der Region Rheinhessen 1793 – 1948, Spezialkatalog der Stadt-, Kreis-, Firmen- und Privatausgaben, Walluf 2020, S. 92. [3] Ernst Klug, Die Geldemissionen im Kreis Alzey während der Jahre 1917 bis 1923, in: Alzeyer Geschichtsblätter, Heft 7/1970, S. 38 f. [4] Zitiert nach Ernst Klug, S. 54. [5] Hinter den Kulissen des Separatismus in Hessen, Groß-Gerau – Alzey – Worms, 3. Heft der Beiträge zur Geschichte des Separatismus in Rheinhessen, zitiert nach: M. Powalka. Die Notgeldscheine im Kreis Groß-Gerau, in: Die Inflations- und Separatistenjahre im Kreis Groß-Gerau 1919 – 1924, RUCILIN Nr. 18 1999/2000, Hrsg. Heimatverein Rüsselsheim, S. 70 [6] Vgl. 1923/24 Separatismus im rheinisch-pfälzischen Raum bearbeitet von Joachim Kermann und Hans-Jürgen Krüger, Eine Ausstellung der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz auf dem Hambacher Schloß 1989, S. 168 f. [7] Prof. Dr. Karl Rembert, Der Separatistenspuk in Krefeld 1923, Erinnerungsblätter, gesammelt im Auftrag des „Arbeitsausschusses der Rathausverteidiger“. 1933, S. 41. [8] Hans-Ludwig Grabowski, Deutsches Notgeld, Band 10: Das Papiergeld der deutschen Länder 1871 – 1948, Die Banknoten und Notgeldscheine der deutschen Länder, Provinzen und Bezirke, 2. Auflage, Regenstauf 2006, S. 105 ff. [9] Helfried Ehrend, Speyerer Notgeld 1917 – 1923, Speyerer Numismatische Beiträge 11/1997, S. 52 f. [10] Alexander Persijn, „Notgeld der Pfalz“, hrsg. V. Stadtsparkasse Ludwigshafen a. Rh. [11] Hans-Ludwig Grabowski, Deutsches Notgeld, Band 10: Das Papiergeld der deutschen Länder 1871 – 1948, Die Banknoten und Notgeldscheine der deutschen Länder, Provinzen und Bezirke, 2. Auflage, Regenstauf 2006, S. 117, Kat.-Nr. BAY 267. [12] Ebenda, Kat.-Nr. BAY 268. [13] Heinz Fengler, Geldscheinentwürfe der Separatisten für die geplante Rheinische Republik, in: Der Geldscheinsammler, 6/89, S. 291 – 299. [14] Prof. Dr. Karl Rembert, S. 39.

  • Aus dem Archiv: Über Papiergeldsammeln

    Nachfolgend möchten wir unseren Lesern den Aufruf einer Legende unter den frühen deutschen Geldscheinsammlern, Georg Pflümer, zur Gründung einer Sammlervereinigung aus dem Jahr 1909 nicht vorenthalten. Über Papiergeldsammeln (Nachdruck gestattet) Berliner Münzblätter, 30. Jahrgang 1909 "Obwohl schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der inzwischen verstorbene L. Clericus in Magdeburg als eifriger Papiergeldsammler in verschiedenen Zeitschriften in sehr anregenden Artikeln auf das Papiergeldsammeln aufmerksam machte und die alten noch wenig beachteten, in der Vergessenheit schlummernden Scheine als historisch außerordentlich wichtige Denkmäler vergangener Zeiten mit Recht die Stiefkinder der Numismatik nannte, hat sich noch immer kein größeres Interesse diesem Gebiete der Numismatik zugewandt. Es gibt nur wenige Sammler, denen es mit Ausdauer und Fleiß gelungen ist, größere Sammlungen, wissenschaftlich geordnet, zusammenzubringen. Um diese Sammler nun in nähere Beziehungen mit einander zu führen und einen gegenseitigen Verkehr und Austausch unter einander zu ermöglichen, wäre es vielleicht wünschenswert, wenn sie sich zu einer Vereinigung zusammenschlössen, um gegenseitig ihre Interessen wahrnehmen zu können und auch in weiteren Kreisen Propaganda für das bis jetzt wenig erschlossene Gebiet zu machen. So manches Stück würde dann den Sammlungen zugeführt werden können und auch das Interesse der Händler mehr wie bisher dafür geweckt werden." Erfurt, Blockadeschein der französischen Garnison von Erfurt über 8 Groschen vom 1. November 1913. Abb. Sammlung Beerenwinkel. 100 Forint des Ungarischen Finanzministeriums von 1848. Abb. Sammlung Grabowski. "Wenn man das unter Law zur Zeit Ludwigs XV. in Frankreich emittierte Papiergeld, die Assignaten unter Ludwig XVI. und ähnliche Scheine (Bons des communes) z. Zt. der Revolution, der Invasion unter Pichegru in Holland, der verschiedenen Revolutionen Polens, das Belagerungsgeld Italiens und Ungarns z. Zt. von Garibaldi und Kossuth, die Blockadebillets von Mainz, Colberg, Erfurt, ferner die italienischen und österreichischen Aushilfsgelder von 1848 und 1870, wie auch die alten amerikanischen Scheine unter englischer Herrschaft im 18. Jahrhundert und z. Zt. des 1864er Kriegs usw., die vielen Scheine der verschiedenen Staaten und Banken Deutschlands bis zur Mitte der 70er Jahre vorigen Jahrhunderts und schließlich die kleinen Aushilfsgelder (Vales) in den südamerikanischen Republiken, Spanien, Portugal usw. wie auch alle übrigen hier unmöglich aufzuführende Papiergeld anderer Länder betrachtet, dann wird man verstehen, wie interessant und auch zum kulturhistorischen Standpunkt aus wichtig sich eine solche Sammlung gestalten kann." "Sollte daher diese Anregung bei den Papiergeldsammlern Anklang finden, wäre es mir lieb, Mitteilungen darüber zu empfangen, damit dann ein Austausch der gegenseitigen Ansichten stattfinden und so die vorgeschlagene Vereinigung erstrebt werden könnte." Georg Pflümer, Hameln a. d. Weser Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis das Sammeln von Papiergeld aus dem Schatten des Münzsammelns treten konnte und Notaphilie genannt wurde. Das Notgeld während und nach dem Ersten Weltkrieg löste einen ersten großen Sammlerboom aus und die sog. Serienscheine wurden Anfang der 1920er-Jahre hauptsächlich nur noch für Sammler hergestellt. Damals soll es im Deutschen Reich 15.000 Geldscheinsammler gegeben haben und vier eigene Notgeld-Zeitschriften. Einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung des Papiergeldsammelns leistete Dr. Arnold Keller mit seinen frühen Katalogen, die ein gezieltes Sammeln erst möglich machten. Lesen Sie hier mehr über Dr. Arnold Keller: Dr. Arnold Keller – Ein Sammlerleben Die Inflation lieferte Unmengen an Papiergeld, sowohl an Banknoten als auch an Notgeld. Doch die Menschen hatten genug von Inflation und dann schließlich auch noch vom Zweiten Weltkrieg. In den 1950er-Jahren widmete sich Dr. Keller der Neu-Katalogisierung des deutschen Notgelds. Damals ließ er seine Kataloge noch mit der Schreibmaschine von seiner Frau tippen und in nur sehr geringer Zahl kopieren. Erst in den 1970er-Jahren stieg mit zunehmenden Wohlstand auch wieder das Interesse an historischen Geldscheinen. Seither hat die Notaphilie in Deutschland und aller Welt eine große Zahl an Anhängern gefunden. Viele Kataloge sind mittlerweile veröffentlicht und längst hat sich auch der Papiergeldhandel etabliert und auf Auktionen erzielen historische Geldscheine längst sehr respektable Ergebnisse. Papiergeldsammler gibt es heute rund um die Welt und die größte Banknotenbörse ist aktuell die MIF Paper Money Fair in Maastricht. Deutschlandweit ist heute der DGW (Deutsche Geldschein- und Wertpapiersammler e.V.) als Verein aktiv. International ist die International Bank Note Society (IBNS) äußerst aktiv. Heute muss man zahlreiche historisch interessante Sammelgebiete aufzählen, die Pflümer 1909 noch nicht erahnen konnte, z. B. Besatzungsausgaben beider Weltkriege, Lagergeld von Kriegsgefangenen-, aber auch von Konzentrationslagern und vieles mehr. Geldscheine, die man zu Zeiten des Aufrufs von Pflümer noch für kleines Geld kaufen konnte, sind heute ein Vermögen wert. Allein in der Zeit des Aufstiegs des Papiergeldsammelns seit den 1970er-Jahren haben sich die Bewertungen von historischen Geldscheinen stetig nach oben entwickelt und zum Teil vervielfacht. Hans-Ludwig Grabowski Quelle: Beiträge und historische Dokumente aus dem Archiv des Battenberg Gietl Verlags

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