Das Großdeutsche Reich: Wie die Nationalsozialisten schrittweise das deutsche Staatsgebiet erweiterten, Teil 2
- Hans-Ludwig Besler (Grabowski)
- vor 2 Tagen
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Hitler sprach in „Mein Kampf“ von den Deutschen als „Volk ohne Raum“, das neuen „Lebensraum im Osten“ erobern müsse. Bevor Hitler sich anschickte, diesen Lebensraum erobern zu wollen, stand zunächst die Revision des Friedensvertrags von 1919 und die Rückgewinnung der durch das "Versailler Diktat" abgetretenen deutschen Gebiete auf der Agenda.
Der "Anschluss" Österreichs 1938
Auch die nächste Aktion fand unter dem Deckmantel des Selbstbestimmungsrechts der Völker statt und verstieß gleichwohl gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrags.
Am 12. März 1938 überschritten 65.000 deutsche Soldaten und Polizisten, teils mit schweren Waffen, unter dem spontanen Jubel der österreichischen Bevölkerung die deutsch-österreichische Grenze.
Nach dem Zusammenbruch der Donau-Monarchie rief am 12. November 1918 die Provisorische Nationalversammlung in Wien die deutschösterreichische Republik aus und bestimmte in Art. 2 des „Gesetzes über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich“, dass Deutschösterreich ein „Bestandteil der Deutschen Republik“ sei. Hierzu kam es nicht, da die Siegermächte im Friedensvertrag von Saint-Germain
vom 10. September 1919 nicht nur den Namen „Deutschösterreich“, sondern auch einen Anschluss an das Deutsche Reich verboten hatten.

Abb. 1: Banknote der Oesterreichisch-ungarischen Bank über 1000 Kronen
vom 2. Januar 1902 (II. Auflage) mit rotem Überdruck "Deutschösterreich",
deutsche Vorderseite, gültig von 1920 bis Ende Januar 1924.
Abb. 2.1/2: "Südmark"-Spendenschein des Bundes der Deutschen zur Erhaltung
ihres Volkstums über 2 Kronen vom Mai 1921, Vorderseite Motiv zum Anschluss Österreichs
an Deutschland und Rückseite mit Zitat zum Selbstbestimmungsrecht der Völker
von Dr. Franz Dinghofer, Präsident des Nationalrates der Republik Österreich.

Abb. 3: Behelfsausgabe der Oesterreichischen Nationalbank über 1 Schilling auf 10.000 Kronen vom 2. Januar 1924, Vorderseite, in Umlauf vom 11. Mai 1925 bis Ende 1926.
Die Weltwirtschaftskrise belastete die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse weltweit erheblich. Die Depression führte nicht nur zu einem starkem Wirtschaftsrückgang mit einer hohen Arbeitslosigkeit, sondern auch zu politischen Verwerfungen. Um die wirtschaftlichen Verhältnisse zu normalisieren, setzten die Regierungen auf unterschiedliche Maßnahmen. Der US-amerikanische Präsident forcierte kreditfinanzierte Staatsausgaben-Programme vor allem für konsumtive Zwecke. Das nationalsozialistische Deutschland setzte auf autoritäre Zwangsmaßnahmen und auf eine kostspielige inflationistische Kriegsrüstung, während Österreich eine klassische Deflationspolitik betrieb.
Als die USA im März 1933 die Golddeckung des Dollars aufhob und im Januar 1934 den Goldpreis auf 35 US-Dollars je Feinunze festsetzte, entsprach dies einer rund 40prozentigen Abwertung des US-Dollars. Diesem Beispiel folgten nach und nach auch die meisten europäischen Staaten. Den Anfang machte 1936 Belgien, das den Franc um 28 Prozent abwertete, im September folgten Frankreich und die Schweiz mit einer Abwertung ihrer Währungen von jeweils 30 Prozent. Die Niederlande zogen mit einer Abwertungsrate von 20 Prozent nach und die Tschechoslowakei wertete die Krone um 16 Prozent ab. Italien stufte den Wert seiner Lira um ein Drittel herab. Österreich und Deutschland hielten dagegen an der alten Parität ihrer Währungen fest.
Wie auch in anderen europäischen Staaten begannen sich in Österreich faschistische, antidemokratische Strömungen durchzusetzen. Am 4. März 1933 traten alle amtierenden Nationalratspräsidenten zurück. Der christlich-soziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß nutzte die Parlamentskrise, um den Nationalrat mithilfe des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917 auszuschalten und ein diktatorisches Regime zu errichten. Am 7. März 1933 erließ der Ministerrat ein Versammlungs- und Aufmarschverbot und führte die Zensur für österreichische Zeitungen wieder ein. Mit der neuen Verfassung vom 1. Mai 1934 wurde der „christlich-deutsche Ständestaat“ geschaffen, bei dem die Staatsgewalt von den in Kammern organisierten Berufsständen ausgehen sollte. In der Realität lag die Gesetzgebungsmacht jedoch bei der Regierung. Da die neue Verfassung Parlament und Parteien nicht vorsahen, wurden alle nicht verbotenen Parteien in der Einheitspartei „Vaterländische Front“ zusammengefasst und politische Gegner verfolgt. Am 10. Mai 1933 setzte die Regierung alle Wahlen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene aus.
Am 26. Mai wurde die Kommunistische Partei Österreichs verboten und am 20. Juni auch die österreichische Landesorganisation der NSDAP, die einen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich propagierte. In seinem in der Festungshaft 1924/25 verfassten Buch
„Mein Kampf“ hatte Adolf Hitler bereits gefordert, dass Deutschösterreich wieder zum großen deutschen Mutterlande kommen müsse
Am 25. Juli 1934 unternahmen die österreichischen Nationalsozialisten einen dilettantischen Putschversuch, den sogenannten Juliputsch. 154 als Soldaten und Polizisten verkleidete SS-Männer stürmten das Bundeskanzleramt, wo Engelbert Dollfuß angeschossen wurde und Stunden später an den Folgen der Schussverletzungen starb. Hitler bestritt jede Beteiligung von deutscher Seite, unterstützte aber weiterhin die verbotene österreichische Landesorganisation der NSDAP. Die deutsche Regierung ging nun verstärkt dazu über,
das politische System in Österreich mit Vertrauensleuten zu unterwandern.
Am 3. Oktober 1935 griff das faschistische Königreich Italien das Kaiserreich Abessinien (Äthopien) an. Großbritannien forderte vor dem Völkerbund Sanktionen gegen Italien.
Benito Mussolini wurde damit international isoliert und an die Seite Hitlers gedrängt.
Für Schuschnigg bedeutete das den Verlust seines wichtigen Schutzherrn, da Italien bis dahin als Garant für Österreichs staatliche Unabhängigkeit aufgetreten war (nicht zuletzt im eigenen Interesse, um Südtirol nicht aufgeben zu müssen).
Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, Nachfolger des ermordeten Dollfuß, musste nun nach Wegen suchen, das Verhältnis zum übermächtig werdenden Deutschen Reich zu verbessern. Am 11. Juli 1936 schloss er mit Hitler das Juliabkommen. Zwar erkannte der große Nachbar die volle Souveränität Österreichs an und hob die infolge des Verbots der NSDAP in Österreich 1933 verhängte Tausend-Mark-Sperre[i] auf, andererseits musste Österreich inhaftierte Nationalsozialisten amnestierten und nationalsozialistische Zeitungen wieder zulassen. Darüber hinaus nahm Schuschnigg Vertrauensleute der Nationalsozialisten in sein Kabinett auf. Edmund Glaise-Horstenau wurde Bundesminister für nationale Angelegenheiten, Guido Schmidt Staatssekretär im Außenministerium und Arthur Seyß-Inquart Staatsrat.
Auf „Einladung“ des deutschen Reichskanzlers Adolf Hitler reiste der österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg am 12. Februar 1938 in Begleitung des Staatssekretärs für Äußeres, Guido Schmidt, zu einem Treffen auf den Obersalzberg bei Berchtesgaden.
Nach einem zweistündigen Gespräch ohne Zeugen präsentierte Hitler schließlich den Entwurf eines Abkommens, durch das den österreichischen Nationalsozialisten weitreichende politische Entfaltungsmöglichkeiten zugesichert werden sollten.
Unter anderem sollte Arthur Seyß-Inquart Innenminister mit absoluter Polizeigewalt werden. Dass Hitler zu keinen Kompromissen bereit war, wird an seinen Worten sichtbar: „Verhandelt wird nicht, ich ändere keinen Beistrich. Sie haben zu unterschreiben, oder alles andere ist zwecklos, und wir sind zu keinem Ergebnis gekommen. Ich werde dann im Laufe der Nacht meine Entschlüsse zu fassen haben.“ Schuschnigg beugte sich dem Diktat.
Angesichts der Gefahr für die Souveränität Österreichs setzt Schuschnigg für den 13. März 1938 eine Volksbefragung über „ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich“ an. Sie fand allerdings nicht mehr statt, da bereits am
12. März der „Anschluss“ an das Deutsche Reich“ vollzogen wurde,[2] den sich Hitler durch eine Volksabstimmung am 10. April 1938 bestätigen ließ. Die überwältigende Mehrheit – 99,6 Prozent – der Österreicher stimmen dem Anschluss zu. Allerdings waren etwa acht Prozent der Bevölkerung (Juden und verhaftete politische Gegner) von der Abstimmung von vornherein ausgeschlossen worden.

Abb. 4: Jubel beim Einzug deutscher Soldaten am 11. März 1938 an der österreichischen Grenze bei Braunau. Foto aus dem Erinnerungsalbum eines deutschen Soldaten.

Abb. 5: Wahlzettel zur Volksabstimmung über die am 13. März 1938 vollzogene Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 10. April 1938.
Im Deutschen Reich stimmten 99,59 % und in Österreich 99,71 % für den Anschluss.

Abb. 6: Deutsches Reich, Briefmarke über 6 Reichspfennig "Ein Volk – Ein Reich – Ein Führer" zur Volksabstimmung am 10. April 1938.
Mit Verordnung vom 17. März 1938 führt das NS-Regime die Reichsmarkwährung
in Österreich ein.[3] Der Schilling-Banknoten blieb daneben noch bis zum 25. April gesetzliches Zahlungsmittel und wurden bis 15. Mai, umgetauscht bzw. bis zum 31. Dezember 1938 noch von der Reichsbank und der Oesterreichischen Nationalbank in Liquidation eingelöst. Am 25. April wurde auch das Notenprivileg der Oesterreichischen Nationalbank formal aufgehoben und die deutschen Münz- und Bankgesetze in der neuen „Ostmark“ eingeführt.[4]

Abb. 7: Seite aus einem Sparkassenbuch der Allgemeinen Sparkasse in Linz
mit der Umrechnung des Schilling-Guthabens in Reichsmark.
Als Umrechnungskurs wurde die Reichsmark mit einem Schilling fünfzig Groschen festgesetzt. Auch wenn dies in etwa dem Kaufkraftverhältnis entsprach, bedeutete dies eine Abwertung des Schillings von 36 Prozent gegenüber seiner offiziellen Notierung in Berlin. Die Goldmünzen zu 100 und 25 Schilling sowie die Silbermünzen zu 5 und 2 Schilling wurden zum 15. Juni 1938 außer Kurs gesetzt und nur noch bis zum 15. Juli umgewechselt.[5]
Die kleineren Scheidemünzen zu 1 Schilling, 50, 10 und 5 Groschen sowie 1000 Kronen (= 10 Groschen) hatten noch eine Galgenfrist zum 1. Oktober und wurden ab 1. Januar 1940 auch von den öffentlichen Kassen nicht mehr angenommen.[6]

Abb. 8.1/2: Österreich, 50 Groschen von 1935, Vorder- und Rückseite.

Abb. 9.1/2: Österreich, 2 Schilling von 1930, Vorder- und Rückseite.


Abb. 10.1/2: Banknote der Oesterreichischen Nationalbank über 20 Schilling
vom 2. Januar 1928, in Umlauf von 23. April 1928 bis 15. Mai 1938, Vorder- und Rückseite.
Hierfür erhielt man 0,33 Reichsmark, 1,33 Reichsmark bzw. 6,66 Reichsmark.
Die Stücke zu 1 und 2 Groschen blieben als Reichsmark-Scheidemünzen im Wert von 1 und 2 Reichspfennig im Umlauf,[8] wurden also um ein Drittel aufgewertet. Erst am 1. März 1942 hörten sie auf, gesetzliche Zahlungsmittel zu sein. Umgetauscht wurden sie noch bis zum
30. April 1942.[9]

Abb. 11.1/2: Österreich, 100 Kronen (= 1 Groschen) von 1924, Vorder- und Rückseite.

Abb. 12.1/2: Österreich, 200 Kronen (= 2 Groschen) von 1924, Vorder- und Rückseite.

Abb. 13.1/2: Österreich, 1 Groschen von 1925, Vorder- und Rückseite.

Abb. 14.1/2: Österreich, 2 Groschen von 1937, Vorder- und Rückseite.
Der letzte Bankausweis der Oesterreichischen Nationalbank vor dem Abschluss an das Deutsche Reich wies eine valutarische Deckung von rund 472 Millionen Schilling aus, davon zwei Drittel in Gold. Die Reichsbank verfügte zu diesem Zeitpunkt lediglich über Devisenvorräte in Höhe von 77 Millionen Reichsmark oder 116 Millionen Schilling.
Die Plünderung der Gold- und Devisenbestände der Oesterreichischen Nationalbank füllten die Tresore der Reichsbank. Sie beschlagnahmte rund 78,2 Tonnen Feingold im Wert von 472 Millionen Schilling und Devisen im Wert von 60,2 Millionen Schilling. Hinzu kamen Gold und Devisen, die von der Bevölkerung abgeliefert wurden. Mit einem Schlag und ohne Blutvergießen bereicherte sich die NS-Führung mit Geld- und Devisenschätzen in Höhe von etwa zwei Milliarden Schilling.[10]
Uwe Bronnert
Fortsetzung folgt …
Anmerkungen:
Bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten hatte Hitler verfügt, dass Reisende nach Österreich, 1000 Reichsmark hinterlegen mussten. Die Erschwerung der Reisen sollte die österreichische Wirtschaft schädigen und so das Land zur Nachgiebigkeit gegenüber politischen Forderungen erpresst werden.
Im engen Kreis legte Hitler bereits am 5. November 1937 seine Pläne für eine Angliederung Österreichs und der Tschechoslowakei dar.
Verordnung über die Einführung der Reichsmarkwährung im Lande Österreich vom 17. März 1938, RGBl. I S.253).
Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Einführung der Reichsmarkwährung im Lande Österreich und der Verordnung zur Übernahme der Österreichischen Nationalbank durch die Reichsbank vom 23. April 1938 (RGBl. I S. 405).
Verordnung über die Außerkurssetzung der Bundesgoldmünzen im Nennbetrag von 100 Schilling und 25 Schilling sowie der Silberscheidemünzen im Nennbetrag von 5 Schilling und 2 Schilling des Landes Österreich vom 25. Mai 1938 (RGBl. I S. 601).
Verordnung über die Außerkurssetzung der Scheidemünzen (Teilmünzen) im Nennbetrag von 1 Schilling, 50 Groschen, 10 Groschen, 5 Groschen und 1000 Kronen des ehemaligen Landes Österreich vom 11. August 1939 (RGBl. I S. 1390).
§ 5 (2) Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Einführung der Reichsmarkwährung …
§ 5 (2) Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Einführung der Reichsmarkwährung …
Verordnung über die Außerkurssetzung der Kupfermünzen vom 10. Februar 1942 (RGBl. I S. 68).
Vgl. Ernst Hofbauer, Das war der Schilling, Eine Erfolgsgeschichte mit Hindernissen, Wien 1998, S. 120 ff.
Abbildungen:
Archiv für Geld- und Zeitgeschichte, Geldscheinsammlung.
Archiv für Geld- und Zeitgeschichte, Geldscheinsammlung.
Archiv für Geld- und Zeitgeschichte, Geldscheinsammlung.
Privat-Sammlung »Der Zweite Weltkrieg in Bildern«, DVD 2017, mit freundlicher Genehmigung von Reinhard Selzle, München.
Zeitgeschichtliche Sammlung Wolfgang Haney, Berlin.
Archiv für Geld- und Zeitgeschichte, Briefmarkensammlung.
Abbildung des Autors.
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Archiv für Geld- und Zeitgeschichte, Digitalarchiv.
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