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Fälscher & Falschgeld: Teil 52

Geschichten, die Geschichte machten, Teil 8:

Die „Andreas“-Angelegenheit und das „Unternehmen Bernhard“



Heinrich Himmler (1900–1945), Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei. Bundesarchiv Bild 183-S72707.

Die SS, die Polizei- und Geheimdienststellen im Dritten Reich


Will man beide Affären richtig beleuchten und will man sich in den komplizierten Machtstrukturen, in dem Wirrwarr von Ämtern, Dienststellen und Kompetenzen zurechtfinden, ist es unerlässlich, sich zunächst mit dem gesamten Umfeld etwas näher zu beschäftigen. Das heißt, sich die Institutionen und Personen genauer anzusehen, von denen die Befehle ausgingen, die mehr oder weniger von der Falschgeldaffäre tangiert waren, die involviert waren als Planer, als führende Köpfe, als Untergebene oder als Mitläufer, die für das Unternehmen direkt oder indirekt arbeiteten und diejenigen, die davon profitiert haben.





Hierbei sind jedoch mehrere Dinge zu beachten. Zum einen gab es häufige Umorganisationen und Umbesetzungen von Stellen in den einzelnen Ämtern und Dienststellen, was die Übersicht über die jeweilige Organisationsform bzw. die Aufbauorganisation sehr erschwert. Zum anderen greift gerade hier ein für das Dritte Reich typisches Phänomen: Es gehörte zu den zahlreichen Ungereimtheiten des NS-Regimes, dass es neue Machtstrukturen schuf, die alten (zumindest deren Fassaden) aber bestehen ließ.

So kam es nicht selten vor, dass eine neue Dienststelle geschaffen und mit Aufgaben betraut wurde, die seither zuständige aber parallel dazu weiterarbeitete, zumindest aber unter ihrem Namen und mit den seitherigen oder ähnlichen Kompetenzen weiter existierte. Es kam daher häufig zu Überschneidungen in den Aufgaben, zu Kompetenzgerangel und Eifersüchteleien unter den Leitern. Weiter wurde zum Problem, dass eine immer größere Vermischung staatlicher Behörden mit Parteidienststellen stattfand. Einerseits trachtete die SS als Parteiformation stets danach, staatliche Vollzugsbehörden unter ihre Kontrolle zu bringen, was ihr auch in größerem Umfang gelang. Bestes Beispiel: Der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, wurde am 17. Juni 1936 gleichzeitig zum Chef der deutschen Polizei ernannt und erreichte damit eine zentrale Machtposition. Die formelle Unterstellung als Staatssekretär unter den Reichsinnenminister Wilhelm Frick erwies sich in der Praxis als bedeutungslos, da er die Kontrolle über die gesamte Kriminalpolizei sowie die Ordnungs- und Schutzpolizei, die SS, die Gestapo und den SD in seiner Hand vereinigte. Andererseits wachte die NSDAP-Führung eifersüchtig darüber, dass es möglichst bei der Trennung von Parteistellen und Staatsdienststellen blieb und dass staatliche Stellen keinen Einfluss auf die Partei bekamen.

Weiterhin verwendet die einschlägige Literatur bis heute für ein und dieselben Begriffe unterschiedliche Bezeichnungen. So werden zum Beispiel die den einzelnen Amtsgruppen des Reichssicherheitshauptamtes zugeordneten Referate häufig als Abteilungen oder Unterabteilungen bezeichnet, oder einzelne Amtsgruppen werden mit den Ämtern, denen sie unterstellt waren, verwechselt, was in vielen Fällen nicht eben zur Klarheit beiträgt.

So ist es für den Nichteingeweihten nicht einfach, wenn nicht gar unmöglich, ohne zumindest einige wenige Grundkenntnisse über den Aufbau der Geheimdienste und verschiedener weiterer Dienststellen die Zuständigkeiten und Befehlsstrukturen zu durchschauen.

Im Folgenden wird daher ein kurzer Überblick über die verschiedenen Stellen gegeben, die für die weiteren Ausführungen über die Fälschung der Pfundnoten von Bedeutung sind.

Dies betrifft im Wesentlichen das Reichssicherheitshauptamt und die SS.


Die Schutzstaffeln (SS)

Die Schutzstaffeln der NSDAP waren ursprünglich eine Untereinheit der Sturmabteilung (SA). 1923 von Adolf Hitler als sogenannte Stabswachen zu seinem persönlichen Schutz gegründet, verstanden sich diese schon bald als Führerelite und nannten sich seit 1925 Schutzstaffeln, kurz SS. Der 1927 zum stellvertretenden Reichsführer, 1929 zum Reichsführer SS ernannte Heinrich Himmler baute die SS konsequent als Polizei der Partei aus. Mit der Niederschlagung der SA-Meuterei durch die SS im Jahre 1931 erkannte auch Hitler diese innerparteiliche Polizei und deren unbedingte Loyalität zu seiner Person an. Himmler war es zuvor schon gelungen, seine Schutzstaffeln als unabhängige Parteiorganisation aus der SA herauszulösen. Nun ließ er seine „rechte Hand“, Reinhard Heydrich, einen Sicherheitsdienst (SD) aufbauen, der als Geheimdienst der NSDAP fungieren sollte, und der damit ein engmaschiges Netz von Bewachung und Bespitzelung, von Verrat und Denunziation über Deutschland ausbreitete. 1934 hatte die SS bereits eine Stärke von 200.000 Mann und eine reichsweite Präsenz. Sie übernahm die Bewachung der Konzentrationslager durch spezielle Wachmannschaften, die sogenannten Totenkopfverbände (Anmerkung: die offizielle Abkürzung lautete stets K.L., das Kürzel KZ wurde erst gegen Kriegsende, ausschließlich inoffiziell und hauptsächlich in der Bevölkerung benutzt). Daneben gab es das „Wachbataillon Berlin“, das seit September 1933 SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“ (LAH) hieß und unter ihrem Kommandeur Joseph („Sepp“) Dietrich als Repräsentationsgarde des Dritten Reiches für die Bewachung der Reichskanzlei und den persönlichen Schutz des „Führers“ zuständig war. Es erfolgte der Zusammenschluss mit den sogenannten Politischen Bereitschaften (von örtlichen SS-Führern nach der Machtergreifung gebildete Sonderkommandos mit hilfspolizeilichen Befugnissen, unter anderem die Träger der Mordaktionen in der Affäre um SA-Chef Ernst Röhm) in der so genannten SS-Verfügungstruppe, wobei aber die Leibstandarte unter ihrem Namen erhalten blieb. Schon im August 1938 wurden diese bewaffneten Verfügungstruppen der SS von Hitler gegen den Widerstand der Wehrmacht, die ihren Waffenmonopolanspruch ausgehebelt sah, ausdrücklich anerkannt. Diese SS-Eingreiftruppen wurden dann zwar formal der Wehrmacht zugeteilt, verblieben aber in der Unterstellung unter Himmler, der damit eine eigene bewaffnete Truppe besaß. Dies ist wieder ein Paradebeispiel für das oben genannte, im NS-Staat häufig auftretende Phänomen, das Eine zu tun, aber das Andere nicht zu lassen, sprich: zum Beispiel solche zweigeteilten Unterstellungsverhältnisse aufzubauen. Schon im Polenfeldzug wurde dann die Verfügungstruppe und damit auch die wegen ihrer Brutalität und überharten Kampfführung gefürchtete LAH in die Waffen-SS eingegliedert.

Die SS entwickelte sich nach den Wünschen Himmlers zu dem mystischen Führungsorden unter dem Totenkopf, dessen Geheimnisse sorgsam gehütet wurden und in die Unbefugte niemals Einblick erhielten. Seine Mitglieder trugen eine schwarze Uniform (ab September 1939 die feldgraue der Waffen-SS, offensichtlich um die Solidarität mit der kämpfenden Truppe zu demonstrieren) und waren der Schrecken der ganzen Nation - und nur wenig später ganz Europas. Die SS kontrollierte die gesamte Polizei. Durch die Monopolstellung des SD Reinhard Heydrichs nicht nur als Nachrichtendienst der Partei, sondern als offizieller politischer Nachrichtendienst des Deutschen Reiches und die Zentralisierung der Gestapo, zu deren Inspekteur, also zum eigentlichen obersten Chef, Himmler schon 1934 durch Hermann Göring ernannt worden war, wuchs der SS eine ungeheure Machtfülle zu, wie sie keine andere NS-Organisation je erreicht hat. Besonders auch hier wieder zeigt sich die charakteristische Verquickung von staatlichen Stellen (Polizei) und parteieigenen Machtapparaten (SS) ganz deutlich. Die Mitglieder des schwarzen Geheimordens pflegten ganz bewusst den Schrecken, den sie überall verbreiteten, wollten ganz bewusst im Volk ihren unheimlichen Nimbus nähren. Sie hatten Gewalt über fast alles und jeden, ihre wichtigste Aufgabe war die Überwachung, die Verfolgung und Ausschaltung aller politischen Kräfte und Personen, die der Terrorstaat als seine Gegner betrachtete oder die der Ideologie von der „nordischen Herrenrasse“ nicht gerecht wurden. Die SS koordinierte die Verfolgung und Vernichtung der Juden, der Minderheiten, der gesellschaftlichen Randgruppen und der Regimegegner ebenso wie sie weit verzweigte Wirtschaftsunternehmen und -verflechtungen ihr eigen nannte. Sie war ein regelrechter Staat im Staate und daneben ein allumfassender Wirtschaftskonzern.


Karlheinz Walz


Fortsetzung folgt …




Karlheinz Walz: Fälscher & Falschgeld,

280 Seiten, Hardcover, ISBN: 978-3-86646-084-3.


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