Kennen Sie den Grächendollar?
- Thomas van Eck

- 27. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Wegen des starken Schweizer Frankens war und ist ein Urlaub in der Schweiz schon immer ein wenig teurer, als anderswo. Der Schweizer Franken bremste in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Lust ausländischer Gäste auf Sommerferien im teuren Alpenland. Dafür zog es die Schweizerinnen und Schweizer ins Ausland. Als Folge gingen im schweizerischen Fremdenverkehr die Umsätze zurück, die Erträge schmolzen.
Aufgrund dessen beschloss im Jahre 1996 der Tourismusverein Grächen (Kanton Wallis) eine eigene "Währung" herauszugeben, um so der touristischen Misere zu begegnen.
Die regionale Währung hatte in der Gemeinde Grächen[1][2] sowie in der Nachbargemeinde St. Niklaus[3], Gültigkeit. Das Ziel bestand darin, den Tourismus in der Sommersession 1996 anzukurbeln. Die Gemeinde liegt landschaftlich sehr schön auf über 1619 m über NN im schweizerischen Kanton Wallis und bietet dem Besucher im Sommer und Winter vielfältige Möglichkeiten für Aktivitäten. Nähere Informationen können der entsprechenden Webseite[4] entnommen werden.

Für die Umsetzung einer eigenen Regionalwährung wurde in der Gemeinde Grächen ein sogenannter Bankrat gegründet. Die Aktion wurde von Hotels, Gastronomen, Bergbahnen und vielen Gewerbetreibenden getragen. Der „Grächendollar“ war geboren.
Der Wechselkurs zum Schweizer Franken wurde stets der saisonalen Nachfrage angepasst. In den Wechselinstituten bezahlte man pro 100 Grächendollar zwischen 88 bis 92 Schweizer Franken. Daraus ergab sich eine effektive Ersparnis von 8 bis 12 Prozent. Die Ausgabe des Grächendollars war auch mit dem Notenmonopol der Schweizer Nationalbank vereinbar. Eine Bewilligung für eine weitere Ausgabe des Grächendollars zu einem späteren Zeitraum wurde seitens der Nationalbank aber nicht erteilt.
Entworfen wurden die Scheine von Peter Hauser und Rolf Lenz vom Werbebüro X-ept
in Zürich. Gedruckt wurde der Grächendollar von der Druckerei Trüb in Aargau auf Hadernpapier im Offset- und Tiefdruckverfahren. Die Scheine verfügen über hohe Sicherheitsmerkmale, wie eine Sicherheitsfolie am oberen Rand der rechten Aussparung der Vorderseite; das Wort „GRÄCHEN“ in Ultraviolett-Druck von der Rückseite lesbar, sowie über ein Wasserzeichen das ein Edelweiß zeigt.
Allen Scheinen ist gemeinsam, dass auf Vorder- und Rückseite die gleichen Motive abgebildet sind.

Die Vorderseite zeigt ein Edelweiß mit einem Schweizerkreuz über einem Bergbach und den Schriftzug „Good day sunshine“. Links befindet sich die Wertangabe und oben rechts ein rechteckiges Medaillon des Walliser Humanisten Thomas Platter[5] mit einer Inschrift.

Bild 3: Medaillon mit Porträt des Humanisten Thomas Platter (1499-1582).
Die Rückseite zeigt ebenfalls ein Edelweiß mit einem Schweizerkreuz, eine strahlende Sonne und den Schriftzug „Good day sunshine“. Rechts befindet sich die Wertangabe. Links unten das Verfallsdatum und die Unterschriften des Präsidenten des Bankrates und des Direktors des Tourismusbüros. Am linken Rand ist die Kennnummer gedruckt.
Die Scheine sind alle im Format von 140 mm x 70 mm gedruckt und waren nur vom 8. Juni 1996 bis 30. Oktober 1996 gültig. Nach dem 30.10.1996 erfolgte kein Umtausch in Schweizer Franken mehr.

Ausgegeben wurden:
| Auflage | Nicht eingelöst | Bewertung in Euro ca. |
1 Grächendollar | 24.000 | 12.600 | 15 |
5 Grächendollar | 16.000 | 6.100 | 20 |
10 Grächendollar | 8.000 | 2.900 | 30 |
20 Grächendollar | 8.000 | 2102 | 50 |
50 Grächendollar | 2.000 | 650 | 380 |
100 Grächendollar | 8.000 | 1501 | 150 |
Alle eingelösten Scheine sind vernichtet worden.
Bei Erwerb der Grächendollars wurde dem Kunden auch ein Übersichtsplan der Leistungsträgergemeinschaft ausgehändigt. Aus ihm konnten alle Annahmestellen entnommen werden. Der Plan war ca. im DIN A4-Format und beidseitig bedruckt.
Gedruckt wurde der Übersichtsplan von der Firma Mengis Druck und Verlag in Visp (Kanton Wallis). Dieser Übersichtsplan ist heute so gut wie nicht mehr erhältlich.


Abb 5/6: Übersichtsplan der Leistungsträgergemeinschaft Grächendollar, Vorder- und Rückseite.
Einige wenige Grächendollar, meistens Scheine zu 1 oder 5 Dollar, können heute noch über diverse Online- und Händlerportale im Internet erworben werden. Die o.a. Bewertungen orientieren sich daran.
Im Katalog „Die Banknoten der Schweiz“ von Jürg Richter und Ruedi Kunzmann ist u.a. der Grächendollar katalogisiert (Seite 515 – 519). Der Katalog ist im Jahre 2003 im Gietl Verlag erschienen und heute leider ausverkauft.
Anmerkung zum Schein über 50 Grächendollar
Diese Note ist verspätet geliefert worden sein. Im offiziellen Umlauf soll sie sich zu keinem Zeitpunkt befunden haben. Sie wurde eher als Reservebestand gehalten. Einige Scheine wurden aber an Journalisten, ein Werbebüro und an einige wenige Personen abgegeben. Daher rührt auch die Seltenheit dieser Ausgabe.
Banknotenbriefe
Es existieren auch einige wenige Banknotenbriefe. Die Umschläge sind mit alpinen Motiven gestaltet und mit Schweizer Briefmarken versehen. Alle Umschläge sind am Tag der Erstausgabe des Grächendollars am 8. Juni 1996 gestempelt.

Bekannt sind bislang Banknotenbriefe mit 5 Grächendollar (angeboten für rund 25 Euro) und 50 Grächendollar (verkauft vor einigen Jahren im Onlinehandel für rund 450 Euro). Vermutlich wurden diese Banknotenbriefe von privater bzw. gewerblicher Seite initiiert und es existieren wahrscheinlich auch Banknotenbriefe mit weiteren Wertstufen. Die jeweilige Auflagenhöhe dürfte eher gering sein.
Der Grächendollar ist eine interessante Ergänzung einer internationalen Banknotensammlung und speziell einer Schweiz-Sammlung. Auch Sammler von modernen Regionalwährungen, die es bekanntlich weltweit gibt, finden hier eine ansprechende Ergänzung.
Grächen ist eine findige Gemeinde und geht ihren eigenen Weg. Seit ungefähr 2012 gibt es die Indikative „Grächen Euro 1.35“ und „Grächen Euro 1.30“.

Besucher in der Wintersession konnten statt mit Schweizer Franken in Euro bezahlen und erhielten im Gegensatz zum offiziellen Wechselkurs einen deutlich besseren Kurs.
Grächen lautete das Motto: „Bei uns am Berg steht der Wechselkurs nicht bei ungefähr 1 zu 1, sondern bei 1 Euro zu 1 Franken 35 oder 1 Franken 30 Rappen“. Dieser Wechselkurs galt allerdings nur bei Barzahlungen u.a. in Gaststätten, Hotels, Ferienwohnungen, Seilbahnen und vielen anderen Betrieben. Die eingenommenen Euros wurden u.a. für den Erwerb von Investitionsgütern im Euro-Raum verwendet.
An dieser Stelle sei u.a. auf den lesenswerten Artikel „Im Wallis-Dorf Grächen zählt der Euro“, erschienen am 12.04.2015 innerhalb der Webseite des Deutschlandfunks, verwiesen.[6]
Vielleicht mache ich einmal Urlaub dort, wer weiß.
Thomas van Eck
Anmerkungen




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