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Lexikon: Lagerscheine

Aktualisiert: 23. Apr.

Unter den Lagerscheinen nehmen die für Kriegsgefangene den ersten Platz ein.

Um den Kriegsgefangenen die Möglichkeit zu nehmen, das an sie ausgezahlte Geld auch außerhalb des Lagers nutzen zu können, wurde eigenes Lagergeld ausgegeben.

Man kann diese Scheine zwar als Notgeld bezeichnen, doch wurden sie nicht wie dieses aus Mangel an staatlichen Zahlungsmitteln hergestellt.


Das erste Kriegsgefangenenlagergeld waren während des Siebenjährigen Kriegs sowohl von Österreich als auch von Preußen ausgegebene Scheine. Auch 1813 wurden während der Napoleonischen Kriege in einem Lager bei Berlin für gefangene Preußen Scheine ausgegeben, ebenso 1815 nach der Schlacht bei Waterloo. Auch im Deutschen Krieg 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zirkulierte in verschiedenen Lagern eigenes Geld. Alle diese Ausgaben lassen sich zwar durch Archivunterlagen belegen, doch sind keine Scheine erhalten geblieben. Dagegen gibt es Exemplare von den Lagerscheinen, die der Kantinenwirt Luman Burr von Camp Douglas in Chicago für gefangene Soldaten der Südstaaten während des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-18865) ausgab.

Auch aus der Zeit des Burenkriegs 1900 sind verschiedene Kriegsgefangenenlagerscheine erhalten, so aus den Lagern Green Point und Simonstown in Südafrika und Diyatalawa und Ragama auf Ceylon, wohin die Briten gefangene Buren deportiert hatten.


Offizier-Gefangenen-Lager Helmstedt (Hzm. Braunschweig): Gutschein über 2 Mark ohne Datum (1917), Vorder- und Rückseite.


Essen (Rheinland), Kriegsgefangenenlager des Steinkohlebergwerks "Langenbrahm": Kassenschein über 10 Mark ohne Datum, Vorderseite mit Zechenstempel.


Inspektion der Kriegsgefangenenlager im Bereich des XVIII. Armee-Korps, Frankfurt am Main (Hessen-Nassau): 1 Mark vom 1. Juni 1917, Vorderseite.


IV. Armeekorps, Stendal (Provinz Sachsen): Scheckmarken zu 5, 10 und 20 Pfennig ohne Datum.


In Deutschland gab es während des Ersten Weltkriegs ab Ende 1915 einige Tausend verschiedene Scheine dieser Art für militärische Lager, Industrielager und Arbeitskommandos. Neben diesen übertragbaren Scheinen wurden auch Scheckmarken bekannt, die nur für einen einmaligen Gebrauch bestimmt waren. Man klebte die Marken in ein Heft oder auf ein Blatt; bei der Bezahlung in der Kantine wurde der entsprechende Wert dann herausgetrennt oder entwertet.


Österreich-Ungarn, Theresienstadt (Böhmen), k. u. k. Kriegsgefangenenlager:

2 Kronen vom 1. April 1917.



k. u. k. Kriegsgefangenenlager Somorja (Ungarn): 10 Kronen vom 15. Januar 1916, Vorder- und Rückseite (zweisprachig Deutsch und Ungarisch).

Auch in Österreich-Ungarn gab es während des Ersten Weltkriegs zahlreiche Kriegsgefangenenlagerscheine, die ab 1915 ausgegeben wurden. Vor allem die sehr farbenprächtigen Scheine der ungarischen Lager wurden schon damals von Sammlern sehr gesucht, so dass das Kriegsfürsorgeamt in Wien solche als Sammlerscheine gekennzeichneten Stücke zum Nennwert verkaufte.


Nur wenige Scheine der auf französischem Boden befindlichen belgischen Lager (Belgien war im Ersten Weltkrieg von deutschen Truppen besetzt) wurden bekannt. In Frankreich dagegen gab es wie in Deutschland einige Tausend verschiedene Kriegsgefangenenlagerscheine. Neben den im Druck verschiedenen Ausgaben örtlicher Lager und Gefangenenkompagnien gab es auch einheitliche Scheine der Armeekorps, die sich durch den Lagerstempel unterschieden.


Etwa 200 verschiedene Scheine aus russischen Lagern wurden während des Ersten Weltkriegs bekannt, die meist von den Gefangenen im Lager selbst hergestellt worden waren. Diese Scheine sind sehr selten.

Weitere Lagerscheine des Ersten Weltkriegs gab es in Großbritannien (auch einige Lager in Frankreich), den Niederlanden, Italien und den USA.

Die Scheine der Lager Maadi und Tura in Ägypten sowie im Bandō-Lager in Japan waren für deutsche Kriegsgefangene aus Deutsch-Ostafrika bzw. dem deutschen Pachtgebiet Kiautschou bestimmt.


Bandō-Lager (Japan): Lagergeld über 1 Yen vom 1. Juli 1918.



Während des Zweiten Weltkriegs gab in Deutschland des Oberkommando der Wehrmacht (OKW) für alle Lager bestimmte einheitliche Lagergeldscheine aus. Diese zirkulierten meist ohne Stempel, es gibt aber auch einzelne Scheine mit Lagerstempel. Spezielle Scheine für einzelne Lager gab es nur wenige.


Oberkommando der Wehrmacht: Einheitliches Kriegsgefangenen-Lagergeld zu 10 Reichspfennig ohne Datum (1939), Rückseite mit einer der seltenen Lagerstempel

(Stalag VI E = Stammlager Soest, eingerichtet am 15. November 1939, im Mai 1940 Eintreffen französicher Offiziere, am 5. Juni 1940 umbenannt in Oflag VI A (Oflag = Offizierslager).


Auch in Großbritannien waren spezielle Lagerscheine die Ausnahme. Allgemein genutzt wurden Einheitsscheine, die mit Lagerstempeln versehen wurden. In Frankreich dagegen gab es neben einer Einheitsausgabe über 500 verschiedene Scheine einzelner Lager.

Die italienischen Lagerscheine des Zweiten Weltkriegs tragen nur selten einen Ortsnamen; meist wurden sie nur mit der Lagernummer bezeichnet (Campo Concentramento P. G. No …).

Vorsicht! Es gibt zahlreiche für Sammler angefertigte Fälschungen!

Aus der Sowjetunion wurden nur Scheine aus zwei Lagern bekannt: Kondrovo, Distrikt Kaluga (1946 handschriftlich für gefangene Ungarn angefertigt) und Lager N-84 (Asbest/Ural).

Für die 300.000 deutschen und italienischen Kriegsgefangenen in den USA wurden in den einzelnen Lagern kleinformatige Kantinenbons, auch "Schecks" genannt, herausgegeben.

Es gibt weit über 1000 verschiedene dieser Scheine.


Weitere Länder, in denen während des Zweiten Weltkriegs Lagergeld ausgegeben wurde, waren Algerien, Ägypten, Australien, Indien und Kanada.


In der Nachkriegszeit gab es noch Kriegsgefangenenlagergeld in Vietnam. Diese von Hồ Chí Minh für gefangene Franzosen bestimmten Scheine, die angeblich französischen Truppen in die Hände fielen und über französische Sammler bekannt wurden, sind zwar sehr originell gemacht, aber ihre Echtheit ist doch anzuzweifeln. Außerdem gibt es für gefangene Vietcong-Angehörige bestimmte südvietnamesische Scheine mit Lagerstempeln aus Saigon.


Außer den Kriegsgefangenen wurden Menschen auch aus anderen Gründen in Lagern festgehalten, für die in solchen Lagern besondere Geldscheine ausgegeben wurden.

Wir kennen Scheine aus Konzentrationslagern, die in der Zeit von 1933 bis 1945

in Deutschland und in einigen von Deutschland besetzten Ländern existierten.


Dabei handelt es sich allerdings in den meisten Fällen um kein Lagergeld im eigentliche Sinn, sondern um Prämienscheine, die Häftlinge für ihre Arbeit erhielten, um damit in Kantinen einkaufen zu können. Die Prämienscheine ersetzten nicht reguläre Zahlungsmittel, um die Fluchtgefahr zu mindern, sondern ergänzten deren Verwendung. [Anmerkung der Redaktion]


Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in einigen Deportiertenlagern eigenes Geld ausgegeben, so von der UNNRA (United Nations Relief an Rehabilitation Administration),

der IRO (International Refugee Organisation) und den Joint Jewish Camps in Österreich, außerdem für D. P. (Displaced Persons) in verschiedenen deutschen Lagern und in den Niederlanden (vom Netherland Liaison Officer).


Weitere Lagerscheine gibt es aus den Internierungslagern für Juden auf Zypern, denen nach 1945 die Einreise nach Palästina verweigert wurde, ausgegeben vom America Jewish Joint Distrubution Committee (1956) sowie aus Österreich (1956) für ungarische Flüchtlinge in den Lagern Steyr und Haid (Währung Taber-Pont = Lagerpunkte).


Albert Pick / Hans-Ludwig Grabowski (Überarbeitung und Bebilderung)

Abbildungen: Archiv für Geld- und Zeitgeschichte

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