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Soldat, ergib Dich! – Drei ukrainische Propaganda-Noten

Der Werchowna Rada, der ehemalige Oberste Sowjet der Ukraine, erklärt am 24. August 1991 die Unabhängigkeit des Landes, die durch ein Referendum am 1. Dezember 1991 von der Bevölkerung bestätigt wurde. Russland, Belarus und die Ukraine gründeten am 8. Dezember 1991 als „Nachfolge-Organisation“ der UdSSR die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS).[1] Ziel der Gemeinschaft war die Pflege eines gemeinsamen Wirtschafts- und Sicherheitsraumes.


Nach dem Zerfall der UdSSR wandten sich die osteuropäischen Staaten dem Westen zu, wurden Mitglied der NATO und der Europäischen Union. Anfang der 2000er-Jahre nahm auch in der Ukraine das Interesse zu, sich dem Westen zu nähern. Zwischen dem 21. November 2013 und 26. Februar 2014 gingen Hundertausende auf dem Majdan Nesaleschnosti („Platz der Unabhängigkeit“) in Kiew auf die Straße und protestierten gegen die überraschende Erklärung der ukrainischen Regierung, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen. Die blutigen Proteste führten schließlich zur Amtsenthebung des pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch und zu vorzeitigen Präsidentenwahlen.


Die Schwäche der ukrainischen Führung nutzte im Frühjahr 2014 Russland, um die ukrainische Krim zu besetzten und die Halbinsel am 18. März 2014 zu annektieren.[2] 

Der Bruch völkerrechtlicher Verträge, wie des Budapester Memorandums von 1994 über die Achtung der bestehenden Grenzen der Ukraine sowie weiterer Grundsätze der KSZE-Schlussakte von 1975, der Charta von Paris 1990 und der NATO-Russland-Grundakte von 1997 durch Russland erzeugte eine internationale Krise. Auch der 2008 verlängerte russisch-ukrainische Freundschaftsvertrag garantierte die Grenzen der Ukraine. In Resolution 68/262 der UN-Generalversammlung wurde am 27. März 2014 die territoriale Integrität der Ukraine und die Ungültigkeit des von Russland initiierten Referendums festgehalten und die friedliche Beilegung des Konflikts gefordert.


Acht Jahre nach der Annexion der Krim erreichten die Spannungen ihren vorläufigen Höhepunkt. Am 24. Februar 2022 geschah das, was westliche Mächte mit Gesprächen und den Androhungen von Sanktionen verzweifelt zu verhindern versucht hatten: Präsident Wladimir Putin ließ russisches Militär in die Ukraine einmarschieren – drei Tage nachdem er die Unabhängigkeit der selbsternannten ostukrainischen „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk anerkannt hatte. Dieser Schritt ermöglichte die Anordnung der militärischen Operation zur Unterstützung der pro-russischen Separatistenführer im Donbass.


Seitdem dauert der Angriffskrieg Russlands – von Putin verharmlosend „Spezialoperation“ genannt – mit zunehmender Härte und Zerstörung an. Der britische Militärgeheimdienst geht von 220 – 280.000 getöteten bzw. verwundeten russischen Soldaten aus, während auf ukrainischer Seite nach US-amerikanischen Schätzungen 100 – 120.000 Soldaten verwundet oder getötet wurden. Die genauen Opferzahlen sind unbekannt. 13,7 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer verließen nach Angaben des UNHCR ihr Land. 6,4 Millionen von ihnen sind zwar in der Zwischenzeit wieder zurückgekehrt, aber mehr als 7 Millionen Zivilisten sind innerhalb der Ukraine vor dem Krieg auf der Flucht. Nato- und EU-Staaten beschlossen umfangreiche Sanktionen gegen Russland und liefern humanitäre Hilfsgüter und Waffen zur Verteidigung des Landes.


Die Ukraine wehrt sich nicht nur mit Waffen, sondern auch mit psychologischen Mitteln.

In den vergangenen Wochen wurden in einer Internet-Auktion sog. ukrainische Propaganda-Scheine zum Kauf angeboten. Bei den drei Scheinen handelt es sich um nachempfundene Banknoten der Bank von Russland, und zwar um 1000- und 5000-Rubel-Scheine mit der Jahreszahl 1997 und dem 2000-Rubel-Schein von 2017. Die Originale wurden in der Wertzeichendruckerei Goznak in der Größe 157 x 69 mm auf Papier mit Wasserzeichen und gefensterten Sicherheitsstreifen gedruckt.



Abb. 1.1/2: Propaganda-Note zu 1000 Rubel, Vorder- und Rückseite.



Abb. 2.1/2: Bank von Russland, 1997, 1000 Rubel, Vorder- und Rückseite.


Die Vorderseite des 1000-Rubel-Scheins zeigt im mittleren Feld links die Statue des Fürsten Jaroslaw dem Weisen und rechts die Kapelle „Unserer Lieben Frau“ in Kasan mit der Mauer des Jaroslawler Kremels im Hintergrund. Das Wappen in OVI-Druck bildet einen stehenden Bären mit einer Hellebarde ab. Auf der Rückseite ist die Kirche „St. Johannes des Täufers“ und der Glockenturm in Jaroslawl zu sehen.



Abb. 3.1/2: Propaganda-Note zu 2000 Rubel, Vorder- und Rückseite.



Abb. 4.1/2: Bank von Russland, 2017, 2000 Rubel, Vorder- und Rückseite.


Im Mittelpunkt des Wertes zu 2000 Rubel findet sich auf der Vorderseite die Abbildung einer Schrägseilbrücke in Wladiwostok und auf dem rechten Schaurand ein Gebäude der Universität, während die Rückseite eine Rakete auf der Startrampe des Kosmodrom Wostotschny im Oblast Amur und eine Karte des östlichen Russlands zeigt.



Abb. 5.1/2: Propaganda-Note zu 5000 Rubel, Vorder- und Rückseite.



Abb. 6.1/2: Bank von Russland, 1997, 5000 Rubel, Vorder- und Rückseite.


Die 5000-Rubel-Banknote zeigt im mittleren Feld der Vorderseite die Statue des Staatsmannes Nikolaj Nikolajewitsch Murawjow-Amurski, rechts davon der Turm in Chabarowsk mit einem Handelsschiff, sowie das Wappen von Chabarowsk in einem kaminrot-grünem OVI. Auf dem linken Schaurand oben das OVI-Banksiegel. Die Rückseite zeigt eine Autobrücke über den Amur.


Die Propaganda-Scheine weisen nur geringfügige Veränderungen gegenüber den Originalnoten auf. Die Aufschrift „БИЛЕТ БАНКА РОССИИ“ (BANKNOTE DER BANK VON RUSSLAND) am oberen Rand wurde in „СОЛДАТ, СДАВАЙСЯ!“ (SOLDAT, ERGIB DICH!) abgewandelt. Dieser Aufdruck erscheint auch auf der Rückseite am oberen Rand.

Auf Vor- und Rückseite wurde auf dem jeweiligen linken Schaurand der zusätzliche vierzeilige Text „зто не твоя война. / получишъ денъги и / международный / иммунтет." aufgedruckt, der übersetzt „Es ist nicht Ihr Krieg. Sie bekommen Geld und internationale Immunität.“[3] lautet. Auf dem gegenüber liegenden Schaurand findet sich ebenfalls vierzeilig der folgende Text: „+38 099 669 79 79 / (Whatsapp, Signal, / Telegram, Viber) / 24savelife@gmail.com“. Die Scheine haben die gleichen Maße wie die Originale, sind jedoch auf glattem Papier hergestellt.


Über die Urheber der Propagandadrucke ist leider nichts bekannt, da keine zusätzlichen Druckangaben gemacht wurden. Sie können sowohl aus „offizieller“ Quelle stammen als auch private Erzeugnisse sein.


Uwe Bronnert


Anmerkungen

[1] Am 21. Dezember 1991 schlossen sich mit Aserbaidschan, Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldau, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan acht weitere ehemalige Sowjetrepubliken der neuen Gemeinschaft an. 1993 trat auch Georgien dem Bund bei.

Damit bestand die Gemeinschaft aus zwölf der ehemaligen 15 Sowjetrepubliken.

Die drei baltischen Staaten – Litauen, Lettland und Estland – hielten sich von Anfang an der GUS fern. 2009 trat Georgien und 2018 die Ukraine wieder aus und Turkmenistan ist seit 2005 nur noch beigeordnetes Mitglied. Vgl. <https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinschaft_Unabh%C3%A4ngiger_Staaten> (08.01.2024).


[2] Ein Blick auf die Geschichte der Krim-Halbinsel zeigt ein verworrenes Bild der staatlichen Zugehörigkeiten. Im Zuge der Auflösungserscheinungen der Goldenen Horde entstand um 1430 das Krim-Khanat, das bereits um 1475 unter osmanische Herrschaft kam, jedoch eine gewisse Autonomie behielt. Ende des 17. Jahrhunderts begannen erste russische Versuche, die Herrschaft über die Halbinsel zu erlangen. Erst am 8. April 1783 übernahm Zarin Katharina II. formell die Halbinsel.

Nach dem Friedensschluss von Brest-Litowsk wurde am 3. März 1918 auf der Krim die Sowjetische Sozialistische Republik Taurien ausgerufen. Im Russischen Bürgerkrieg hielten die Weißen Garden die Halbinsel besetzt. Nach der Niederlage General Wrangels marschierte die Rote Armee ein und 1921 wurde die Krim zur Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik im Rahmen der Russischen Sozialistischen Förderration Sowjetrepublik (RSFSR). Die Deportation der Krimtataren im Mai 1944 schuf die Voraussetzungen, den Autonomiestatus aufzuheben. Seit dem 30. Juni 1945 bildete die Krim nur noch eine Oblast innerhalb der RSFSR. Nach dem Tod Stalins wurde 1954 die Krim der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik übergeben.

Nach der Auflösung der UdSSR sprachen sich am 17. März 1991 in einem Referendum 93 % der Krimbewohner für eine Wiedergründung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (ASSR) und dem Verbleib in der Sowjetunion aus. Im Referendum vom 1. Dezember 1991 über die Unabhängigkeit der Ukraine stimmten auch in der ASSR 54 % der Wähler mit Ja.

Das Parlament der Krim sprach sich dagegen für eine Unabhängigkeit der Halbinsel aus.

Am 30. Juni 1992 schließlich erhielt die Krim weitreichende Autonomierechte bezüglich Finanzen, Wirtschaft, Kultur, Verwaltung und Recht. Außen-, Verteidigungs- und Währungspolitik blieben bei Kiew.

Nach der Besetzung durch russische Truppen sprachen sich nach russischen Angaben am 16. März 2014 96,77 % der Wähler bei einer Wahlbeteiligung von 83,1 % für den Anschluss an Russland aus. Am 18. März informierte der russische Präsident Wladimir Putin die Öffentlichkeit über das Beitrittsgesuch der Republik Krim zur Russischen Föderation.

Noch am selben Tag unterzeichnete Putin zusammen mit dem Ministerpräsidenten der Republik Krim Sergei Aksjonow, dem Parlamentsvorsitzenden Wladimir Konstantinow sowie dem Vorsitzenden des Koordinationsrates zur Organisation der Stadtverwaltung von Sewastopol, Alexei Tschaly, den Beitrittsvertrag der Krim zu Russland.

Die Krim ist für Russland von besonderer Bedeutung, da Sewastopol der Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte ist.


Abb. Propagandascheine: Uwe Bronnert, Banknoten der Bank von Russland: Hartmut Fraunhoffer, www.banknoten.de


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