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Wertbeständiges Notgeld 1923: Kommunalmark-Pläne 1923/24

Die Pläne, für das gesamte besetzte Gebiet Deutschlands* ein einheitliches wertbeständiges Notgeld auszugeben, die sogenannte Kommunalmark, sind nie verwirklicht worden.

Es soll aber über sie berichtet werden, denn sie haben die Ausgabe anderen wertbeständigen Notgelds in diesem Gebiet beeinflusst. Man muss sie im Zusammenhang mit den Bemühungen rheinischer Kreise um die Gründung einer „Rheinisch-Westfälischen Goldnotenbank“ sehen, um zu erkennen, dass sie mehr als Pläne, nämlich Ausdruck des politischen Ringens um das Rheinland waren. Die Besatzungsbehörden hatten die Verwendung der Goldanleihestücke des Deutschen Reichs und der neu geschaffenen Rentenmark im besetzten Gebiet verboten und unter Strafe gestellt, da sie entgegen einer Spezial-Verordnung vom Oktober 1923 ausgegeben wurden, ohne in dieser Form der Interalliierten Rheinlandkommission ( IARK)** vorgelegt worden zu sein“.


Nördlicher Teil des von den Alliierten besetzten Rheinlands.


Die Rentenmark basierte im Wesentlichen auf Grundbesitz (Rentenbriefen). Da der westdeutsche Grundbesitz nach dem Willen der Besatzungsbehörden aber im besetzten Gebiet von der Haftung ausgeschlossen war, bestand aus ihrer Sicht für die Rentenmark im besetzten Gebiet keine Deckung und somit keine Umlaufmöglichkeit.


Die Finanzdezernenten der größeren westdeutschen Städte standen bei Besprechungen ab November 1923 einstimmig auf dem Standpunkt, dass die Ausgabe wertbeständigen Notgelds als Ersatz für Goldanleihe und Rentenmark durch sie nicht in Betracht komme, sondern dass ihre Versorgung mit solchem Geld Sache des Reiches sein müsse. Sie verurteilten sogar die eigenmächtige Herausgabe von Goldmark-Notgeld durch einzelne Städte und Kreise.


Zur gleichen Zeit bemühte sich eine mit französischen Finanziers sympathisierende Gruppe rheinischer Bankiers unter Führung des Präsidenten der Kölner Handelskammer, Louis Hagen, sowohl von den Besatzungsmächten als auch von der Reichsregierung die Zustimmung zur Errichtung einer Rheinisch-Westfälischen Goldnotenbank zu erhalten. Sie beabsichtigte die Emission einer „Rheinmark“, deren Wert auf 42 Goldpfennige festgelegt und die mit französischer Hilfe voll in Gold gedeckt werden sollte.


Die Gruppe um Louis Hagen konnte französischer Unterstützung gewiss sein, da einer autonomen rheinischen Notenbank ein von Frankreich dominiertes autonomes Rheinland hätte folgen können, was den politischen Wünschen der führenden Männer Frankreichs entsprach. Aus dem gleichen Grund hätte sie allerdings auch gewiss sein müssen, die Zustimmung der Reichsregierung zu diesem Projekt nicht zu erhalten.


Um dieser Gefährdung des Bestandes der Reichseinheit entgegenzuwirken, beschlossen die westdeutschen Städte in einer Sitzung am 17. November 1923 in Köln nun doch für die Herausgabe eines einheitlichen wertbeständigen Notgelds zu stimmen. Bei der Reichsregierung und bei den Besatzungsbehörden wurde hierzu um Genehmigung nachgesucht. Die Reichsregierung stimmte auf Grund einer Vereinbarung mit den Vertretern des Verbands der Stadt- und Landkreise des besetzten Gebiets vom 6. Dezember 1923 zu. Danach war auch vorgesehen, dass die Städte dem Deutschen Reich eine später festzulegende Quote des Notgelds gegen Kostenbeteiligung überlassen sollte. Ferner war für Übernahme dieses kommunalen Notgelds durch Stadt- und Landkreise eine „Notenabgabe“ von 4% und durch Privatbetriebe eine „Steuer“ von 3% der bezogenen Volumina in Aussicht genommen, die an das Reich abgeführt werden sollten.


Die Besatzungsbehörden lehnten dagegen die vorgesehene Bezeichnung „Goldmark“, die Relation zum Dollar, die Reichsaufsicht und damit die Genehmigung ab. Daraufhin wurde die Genehmigung der Bezeichnung „Kommunalmark“ und der Rheinischen Landesbank als Aufsichtsorgan beantragt.


Anfangs war vorgesehen, die auszugebende Notgeldmenge zu 60% in Goldanleihe und zu 40% mit Wechseln der empfangenden Stellen zu decken. Als sich herausstellte, wie groß der Umfang der Auflage sein würde, zeigte sich die Unmöglichkeit der Deckung in dieser Form, und man begann nach Ersatz zu suchen.


Mit Schreiben vom 20. Dezember 1923 an die Stadt- und Landkreise des besetzten Gebiets teilte der Vorsitzende des Verbands, Dr. Konrad Adenauer, mit, dass die Emissionsgenehmigung der Interalliierten Rheinlandkommission (IARK) noch nicht eingegangen sei, und mit Schreiben vom 8. Januar 1924 fragte er bei den Städten und Kreisen an, wie groß ihr Bedarf an dem kommunalen Notgeld sei. Im Durchschnitt errechnete sich danach ein Bedarf von 20 bis 30 Goldmark je Kopf der Bevölkerung und ein Gesamtbedarf von rund 300 Mio. Goldmark für das besetzte Gebiet.


Geplantes gemeinsames Notgeld aller Kommunen des besetzten rheinischen Gebiets.

Das Notgeld kam nicht mehr zur Ausgabe. Aus einigen Sammlungen ist ein Probedruck über 5 Kommunalmark bekannt. Er trägt das Datum 1. Januar 1924, ausgegeben durch die Landesbank der Rheinprovinz, Düsseldorf. Nach seinem Text sollte Aufruf im Deutschen Reichsanzeiger und Einlösung in Kommunalanleihe, Reichsgoldanleihe, Schatzanweisungen des Deutschen Reichs oder in einem Barbetrag entsprechend dem Kurs dieser Anleihen erfolgen (Vorderseite).


Probedruck über 5 Kommunalmark bekannt. Er trägt das Datum 1. Januar 1924, ausgegeben durch die Landesbank der Rheinprovinz, Düsseldorf (Rückseite).


In dieser Höhe sollte nunmehr eine 6%ige Goldanleihe durch die Kommunen aufgenommen werden, für die die Kommunalverbände die selbstschuldnerische Bürgschaft für Verzinsung, Tilgung und Kosten übernehmen sollten. Zugleich mit der Ausgabe des neuen wertbeständigen Geldes sollte sämtliches umlaufendes Papiermark-Notgeld zurückgezogen werden. Am 6. Dezember 1923 erteilte das Reichsfinanzministerium vorsorglich Druckauftrag. Mitte Dezember 1923 wurden neun Druckereien, die sich auf das ganze besetzte Gebiet verteilten, zur Durchführung des Drucks gewonnen. Die Herstellung des Notgelds war in der Stückelung 0,10, 0,25, 0,50, 1, 2, 5, 10, 20 und 50 Kommunalmark vorgesehen, wurde aber weiterhin verschoben, da inzwischen auch eine neue politische Situation eingetreten war. Nach der Aufgabe des passiven Widerstands an der Ruhr hatten am 5. Oktober 1923 in Düsseldorf Verhandlungen zwischen der sogenannten „Sechserkommission des Bergbaulichen Vereins“ und der „Micum: Mission Interalliée de Contrôle des Usines et des Mines“, einer wirtschaftspolitischen Organisation der französischen Besatzungsmacht, zwecks Wiederaufnahme der Produktion und insbesondere der Kohlenlieferungen an Frankreich begonnen. Sie zogen sich wochenlang hin und in ihrem Verlauf wurde ersichtlich, dass für die Inbetriebnahme der Zechen unbedingt Kredit und wertbeständiges Geld erforderlich waren. Ohne dass dieses bis dahin sichergestellt war, wurden die Verhandlungen am 23. November 1923 mit dem Abschluss eines „allgemeinen Lieferungsvertrages“ beendet. Da das "Micum-Abkommen" für die Besatzungsmacht von erheblicher Bedeutung war, gestattete sie nunmehr den Umlauf der Rentenmark, jedoch nicht die Ausdehnung der Rentenbank-Gesetzgebung auf das besetzte Gebiet.


Jetzt wiederum war die Reichsregierung der Auffassung, die Rentenmark könne nicht in einem Gebiet kursieren, in dem durch französisches Dekret die Haftung von Grundbesitz und Wirtschaft für das Geld ausgeschlossen sei. Sie gab deshalb die für die Inbetriebsetzung der Zechen ursprünglich vorgesehenen 100 Mio. Rentenmark nicht an das besetzte Gebiet ab. Keine Seite war zu entscheidenden Zugeständnissen bereit. Die deutsche Regierung versagte ihre Genehmigung zur Errichtung der Rheinisch-Westfälischen Goldnotenbank, die französische Besatzungsmacht die ihre zur Ausgabe des gemeinsamen wertbeständigen Kommunalmark-Notgelds. Aber die Verhandlungen gingen weiter. Sie wurden auch noch dadurch gehemmt, dass die Interalliierte Rheinlandkommission (IARK) in allen wichtigen Fragen die Genehmigung der französischen Regierung einholen musste. Inzwischen schritten weitere Städte und Firmen zur Ausgabe eigenen wertbeständigen Notgelds, weil sie nicht mehr an die Verwirklichung des Plans vom gemeinsamen Notgeld glaubten.


Als die Genehmigung der IARK bis zum 29. Januar 1924 noch immer nicht erteilt war, wurden alle Vorbereitungsarbeiten eingestellt. Die Pläne für eine einheitliche wertbeständige Kommunalmark und eine Rheinisch-Westfälische Goldnotenbank in den besetzten Gebieten waren gescheitert.


Hans-Georg Glasemann


Bildquelle: Privat (8/2023)

Literaturhinweis (Daten und Texte teilweise entnommen): Wilhelmy, Rudolf: Geschichte des deutschen wertbeständigen Notgeldes von 1923/1924, Dissertation, Berlin, 1962.


Anmerkungen

* Zum „besetzten Gebiet“ gehörten im Herbst 1923: der gesamte linksrheinische Raum, das sogenannte „Sanktionsgebiet“ etwa identisch mit dem nördlichen Teil der rechtsrheinischen Provinz Rheinland; das sogenannte „Ruhr-Einbruchsgebiet“, das im Norden bis Haltern, im Osten bis hinter Dortmund und im Süden bis kurz vor Hagen reichte, ferner große Teile des Bergischen Landes nördlich, östlich und südöstlich von Köln und einige Brückenköpfe, von denen die am weitesten in das unbesetzte Gebiet hineinragenden die von Koblenz (bis Diez) und von Mainz (bis kurz vor Frankfurt) waren. Politisch betrachtet umfasste es die gesamte Bayerische Pfalz, fast die gesamte Rheinprovinz, das zu Oldenburg gehörende Land Birkenfeld, wesentliche Teile der Provinz Westfalen und kleinere Teile von Hessen und von Hessen-Nassau.

** I.A.R.K.: Der Interalliierte Hohe Ausschuss für die Rheinlande, auch als Interalliierte Rheinlandkommission (IRKO oder IARK) bezeichnet, war eine nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ab 1920 im Rheinland bestehende Institution der vier alliierten Besatzungsmächte Frankreich, Belgien, USA und Großbritannien mit Sitz in Koblenz. Sie fungierte in den aufgrund des Friedensvertrags von Versailles und des zugehörigen Rheinlandabkommens besetzten Gebieten des Rheinlands als oberste Verwaltungsbehörde. Angelehnt an Rheinbrückenköpfe wurden drei Besatzungszonen gebildet: Eine britische Zone mit Sitz in Köln, eine US-amerikanische Zone mit Sitz in Koblenz und eine französisch-belgische Zone mit Sitz in Mainz. Die Kommission konnte Ordonnanzen (Verordnungen) erlassen, die vor allem die Sicherheit und den Unterhalt der Besatzungstruppen sowie die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens sicherstellen sollten. Sie war gegenüber den deutschen Behörden in den besetzten Gebieten weisungsberechtigt, deutsche Gesetze und Verordnungen mussten durch die Kommission genehmigt werden. Verstöße gegen die Anweisungen der Kommission waren strafbar.


Literaturempfehlung:


Manfred Müller:

Deutsches Notgeld, Band 12: Das wertbeständige Notgeld der deutschen Inflation 1923/1924


Titel: Gietl Verlag

ISBN: 978-3-86646-519-0

Auflage: 1. Auflage 2011

Format: 14,8 x 21 cm

Abbildungen: zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen

Cover-Typ: Broschur

Seitenanzahl: 608

Preis: 39,90 Euro






Hans-Ludwig Grabowski:

Deutsches Notgeld, Band 10: Das Papiergeld der deutschen Länder 1871 – 1948


Titel: Gietl Verlag

ISBN: 978-3-86646-500-8

Auflage: 2. Auflage 2006

Format: 14,8 x 21 cm

Abbildungen: zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen

Cover-Typ: Broschur

Seitenanzahl: 640

Preis: 39,80 Euro




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