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Auftragsmuster, Farbproben, Musterdrucke und Werbescheine von Bradbury, Wilkinson & Co. Ltd.

Als im Jahr 1856 Henry Riley Bradbury und Robert Wilmot Wilkinson ihre Firma in der Fetter Lane in Holborn/London gründeten, ahnten beide nicht, dass sie später zu den vier bekanntesten englischen Wertpapierdruckereien aufsteigen sollten.


Henry Bradbury war der älteste Sohn von William Bradbury – der Vater betrieb ab 1824 eine eigene Druckerei. Dort war ab 1847 Robert Wilkinson als Graveur und Kupferdrucker beschäftigt. Henry Bradbury starb 1860 mit 31 Jahren und ein Jahr später wurde die Druckerei mit gleicher Firmierung in der Londoner Farringdon Road neu gegründet.


Abb. 1: Firmengründer Henry Riley Bradbury (1829–1860).



Bradburys Nachfolger zog sich 1890 aus dem Geschäft zurück – Wilkinson wandelte den Betrieb in eine Aktiengesellschaft um, verließ jedoch 1903 die Firma. In diesem Jahr kaufte die New Yorker American Bank Note Company die Londoner Bradbury, Wilkinson & Co., Ltd. auf. Seit 1890 hatte die ABNC schon Geschäftsanteile an der Firma und seit 1917 war sie 100%-iger Eigner. Percy Wilmot Wilkinson, Sohn vom Mitbegründer Robert Wilkinson, wurde mit 35 Jahren neuer Geschäftsführer des europäischen Ablegers der ABNC.




R. W. Wilkinson verstarb 83-jährig im Jahr 1910, sein Sohn Percy zehn Jahre später im Alter von 52 Jahren. 1922 schließlich bezog man auf der Burlington Road im Londoner Vorort New Malden neue Geschäftsräume; auf dem Gelände steht heute der Supermarkt Tesco. In den 1960er Jahren bestand noch ein Büro von BWCo. in der Londoner Coleman Street/Moorgate. Das letzte Betriebsgebäude wurde 1990 geschlossen.


Abb. 2: Firmenanlage von Bradbury, Wilkinson & Co., Ltd. an der Burlington Road in New Malden, auf der Rückseite einer Werbenote von 1965 und auf einer Werbe-Briefmarke wurden das Gebäude abgebildet.



Im März 1986 übernahm dann der frühere Konkurrent De La Rue die Traditionsfirma von der American Bank Note Company. In der Folgezeit wurde auch das Archiv von BWC freigegeben. Schon 1961 hatte Thomas De La Rue die 1810 als Familienunternehmen gegründete Druckerei Waterlow & Sons Ltd. und im Februar 1997 die Druckerei Harrison & Sons Ltd. übernommen, die 2003 geschlossen wurde. So sind die drei bekannten Wertpapierdruckereien in dem heute als DeLaRue plc firmierenden Konzern aufgegangen.

Im übrigen existiert außerdem das 1965 gebildete Gemeinschaftsunternehmen De La Rue Giori AS, das ebenfalls Werbe- und Testnoten druck(t)e.


Alle genannten vier englischen Druckereien prägten das Aussehen zahlreicher Banknoten des 20. Jahrhunderts weltweit. Die bei Bradbury, Wilkinson & Co. gedruckten Geldscheine zeichnen sich meist durch grafisch sehr gelungene Gestaltungen aus; bspw. für die Nationalbanken von Albanien (1926), Bulgarien (1925), Island (1928), Griechenland (1923), Lettland (1929), Rumänien (1933) oder Spanien (1906).


Eine typische Besonderheit sind die verwendeten Kontrollnummern mit einem Komma aller drei Ziffern. Außer den bekannten Banknoten sind die verschiedenen Musterdrucke etc. interessant.


Abb. 3: 10 Gulden vom 10. Januar 1924, Vs., Auftragsmuster (für die Nachauflage über 600.000 Exemplare der Serie A/A von 1928) für die Bank von Danzig, mit Auftragsnummer O/13467 und Datum 25.8.28 sowie mit CANCELLED perforiert.


Abb. 4: 5000 Pesetas vom 11. Juni 1938, Vs., Auftragsmuster für die Bank von Spanien, mit Auftragsnummer O/36387 und Datum 28.5.38 sowie mit CANCELLED perforiert.



Auftragsmuster


Abb. 5: 20 Pounds o. D., Vs., gelochte Farbprobe für die britische Kronkolonie Fidschi, mit Aufdruck SPECIMEN OF NO VALUE; es sind Auftragsmuster der Serie B/1 (10.000 Exemplare) mit O/26273 und Datum 27.10.33 und mit Perforation CANCELLED in Violett statt Grün bekannt.


Abb. 6: 10 Shillings o. D., Vs., gelochte Farbprobe für das britische Überseegebiet Bermuda, mit Aufdruck SPECIMEN OF NO VALUE; in Grünbraungelb statt in Rot der ausgegebenen Scheine.


Abb. 7: 100 Escudos o. D. (1946), Vs., gelochte Farbprobe Nr. 58 für die Banco Nacional Ultramarino, mit Aufdruck SPECIMEN; in Braun statt in Lila der ausgegebenen Scheine der Serie B für die portugiesische Kolonie São Tomé und Príncipe.


Farbproben


Abb. 8: 10 mexikanische Dollar o. D. (1909), Vs., für die Russisch-Chinesische Bank/Shanghai, in Russisch, Perforation SPECIMEN.


Abb. 9: 10 mexikanische Dollar o. D. (1909), Vs., für die Russisch-Chinesische Bank/Shanghai, in Englisch, Perforation SPECIMEN.


Musterdrucke

Bemerkenswert sind Banknoten, die auf frühere Werbedrucke zurückgehen. Beispiele sind die BWC-Werbenoten, die als Vorlage für die nicht ausgegebenen argentinischen 5-Pesos-Banknote der Banco de Cuyo von 1892 sowie die 100-Pesos-Scheine von 1867 der Provinz Buenos Aires dienten.


Abb. 10: 5er, einseitige Werbenote o. D. (1875), Vs., in Französisch; die spätere ähnliche Werbenote wurde zweiseitig und ohne Hausnummer in der Anschrift gedruckt.


Abb. 11: 5 Pesos Fuertes o. D. (18__), Vs., für die Banco de Cuyo, diese kommen vorder- oder rückseitig mit der Perforation SPECIMEN / B.W&Co / LONDON vor.


Abb. 12: 100 Lire o. D., Vs., Werbenote/La Banca Irlanda mit Perforation SPECIMEN / B.W&Co / LONDON vor, in Italienisch.


Abb. 13: 100 Pesos 1. April 1867, Vs., La Provincia de Buenos Ayres.



Werbedrucke

Im Vergleich der Werbenoten (advertising notes/promotional notes) anderer englischer Wertpapierdruckereien sind die von Bradbury, Wilkinson & Co. herausragend – aufgrund der Vielzahl verschiedener Beispiele aus mehreren Jahrzehnten und der außergewöhnlich gelungenen Gestaltung. Die Aussage des kanadischen Sammlers und Händlers Ian A. Marshall steht hier stellvertretend für viele andere sachkundige Papiergeld-Fachleute.

Er befasst sich seit 50 Jahren mit Geldscheinen aus aller Welt und aller Typen: „I have always favoured the artistically beautiful designs of Bradbury notes over all the other Security printers.“ (= Ich habe die künstlerisch schönen Designs der Bradbury-Noten immer gegenüber allen anderen Sicherheitsdruckereien vorgezogen.)


Abb. 14: 10 Pounds 1. Mai 1862, einseitige Werbenote, für 240 £ bei Spink verkauft; Henry Bradbury legte schon 1856 eine ebenso interessante Werbenote zu 10 Pfund vor (https://www.spink.com/lot/20009000024).


Abb. 15: 10er, o. D., einseitige Werbenote in Italienisch.


Abb. 16: 5er, Werbenote o. D. (1860–1870er Jahre), Vs., mit Aufdruck „as adopted by the Austro-Hungarian Government“ – ein öst.-ung. Schein in ähnlicher Ausführung wurde nie realisiert.


Beispiele

Von vielen Werbenoten sind unterschiedliche Varianten bekannt; die zuvor abgebildete „anti-photographic“-Note gibt es auch in Blau und mit „Comb. No 12“. Auch wurden Gestaltungen übernommen und in mehr oder weniger abgeändertem Design gedruckt – wie die beiden folgenden 1-£-Noten aus den 1870-1890er Jahren und die weiteren Werbenoten mit der Büroanschrift (2 Moorgate/New Malden) aus den 1920-1940er Jahren zeigen. Dieser Verfahrensweise begegnet man häufig bei der Sichtung aller Werbenoten von Bradbury, Wilkinson & Co.


Abb. 17: 1 Pound o. D., einseitige Werbenote um 1870.


Abb. 18: 1 Pound o. D., einseitige Werbenote ähnlich Abb. 17 (2021 für 210 £ bei Spink verkauft).


Abb. 19: 10 Pounds o. D., seltene einseitige Werbenote aus den Jahren zwischen 1873 und 1917, angeblich auf einem mexikanischen Flohmarkt gefunden und für 400 Pesos gekauft.


Abb. 20: 10 Pounds o. D. (1st. June 18__), Vs., für die Australisch-Europäische Bank in Melbourne gedruckte, aber nicht ausgegebene Banknote; katalogisiert in „The Catalog of Printers Promotional Sheets & Test Notes“ (Roland Rollins 17. Aufl., unter BW-292) – die Bank wurde 1874 in Melbourne gegründet, 1879 von der Commercial Bank of Australia übernommen, die wiederum 1982 mit der Bank of New South Wales zur Westpac Banking Corporation fusionierte; mit Perforation SPECIMEN / B.W&Co / LONDON; es sind auch 50-Pfund- sowie 20-Pfund-Noten mit Aufdruck SPECIMEN und Lochung bekannt.



Interessant ist ein aufwendig gestalteter Zwanziger, der den auf der Weltausstellung 1900 in Paris erhaltenen Grand Prix als Werbeträger würdigt – er stammt aus den 1920er Jahren.


Abb. 21: 20er, einseitige Werbenote um 1920 mit der von Jules-Clément Chaplain entworfenen Grand-Prix-Medaille, mit Perforation SPECIMEN.


Abb. 22: einseitige Werbenote um 1927, Britannia-Büste links.


Abb. 23: einseitige Werbenote um 1940, Britannia-Büste links und rechts, ähnlich Abb. 22.


Abb. 24: einseitige Werbenote um 1900, Königin Elisabeth I. links; es sind auch Varianten

in Violett bekannt und für 160 £ bei Spink verkauft.


Abb. 25: einseitige Werbenote um 1930, König Charles I. Links, ähnlich Abb. 24; es sind Noten mit dem Porträt von König Charles I. in der Mitte bekannt.


Abb. 26: einseitige Werbenote aus den 1910-1920er Jahren, Porträt Admiral Horatio Nelson; in fünf verschiedenen Farbkombinationen, außerdem mit gestalterischen Abänderungen bekannt.


Abb. 27: 50er, einseitige Werbenote vor 1900, Firmenanschrift: Farringdon Road 25–27, London; ähnliche Ausgaben mit spanischem Text in Grün um 1930 bekannt.


Abb. 28: 50er, zweiseitige Werbenote aus den 1950-1960er Jahren, Vs., Büroanschrift: Moorgate 2, London; es gibt frühere Noten aus den 1900–1920er Jahren in Dunkelblau mit der Ansicht des BWC-Fabrikgebäudes in New Malden/London auf der Rückseite.


Abb. 29: zweiseitige Werbenote, Vs., o. D., Charles Dickens.


Abb. 30: 100er, einseitige Werbenote, o. D. (1970–1980), mit dem Porträt von William Shakespeare, experimenteller Schein aus Tyvek (Polyethylen), im März 2015 für 200 US-Dollars versteigert.


Abb. 31: Werbenote, Vs., 1985, mit dem Porträt von Sir Isaac Newton, als Souvenirschein von der IBNS anlässlich des 17. Treffen der europäischen Geldscheinsammler ausgegeben (6-stellig nummeriert); neben früheren Ausführungen in Grün gibt es ähnliche Nachfolgescheine schon 1986 von DeLaRue mit dem Aufdruck BRADBURY WILKINSON a member of the DE LA RUE GROUP of COMPANIES sowie das bekannte Scherenschnitt-Logo.


Bekannte Graveure bei BWC waren u. a. Enrique Vaquer (1914 bis 1921) und Philip Goodwyn Hall (1930–1950er Jahre). Hall studierte an der Kingston Art School in Surrey und gravierte neben Banknoten auch Briefmarken für die britischen Postbehörden auf der Insel und für Übersee. Er arbeitete auch bei Thomas De La Rue & Co. und bei Waterlow & Sons.



Abb. 32/33: Phil Hall (1905–1979) bei Gravurarbeiten im Februar 1940 zur 8-Pence-Briefmarke „Centennial of New Zealand 1840/1940“ (100 Jahre Kronkolonie) – in den 1950er Jahren kündigte er wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Firmenleitung und war dann bis zum Ende seiner Karriere freiberuflich tätig.


Auffallend ist die große Menge an alten und sehr alten Werbenoten. Ursache dafür war der Verdrängungswettbewerb unter den Druckereien, der zu Konsolidierungen in der Branche führte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der Wettbewerb zwischen konkurrierenden Druckereien sehr hart, der weltweite Bedarf an Papiergeld war gewaltig – der Markt dafür explodierte. Zeitzeugen berichteten von rivalisierende Druckereien, die sich gegenseitig ausspionierten. Mengenmäßig liegen die "Brads" (Scheine von Bradbury, Wilkinson & Co.) an vorderster Stelle. Die Werbenoten der Mitbewerber waren jedoch nicht weniger attraktiv und ebenso von hoher Qualität.


Abb. 34: 1 Pound o. D. (um 1821), frühe einseitige Werbenote; 1819 firmierten Jacob Perkins, Gideon Fairman und Charles Heath ihre Druckerei: Perkins, Fairman, & Heath, die sich 1887 zu Perkins, Bacon & Co. Ltd. umbenannte, Geschäftsaufgabe dann 1935.


Abb. 35: einseitige Werbenote aus den Jahren 1910–1920 der Druckerei Waterlow & Sons Ltd. mit dem Porträt des Firmengründers Sir Philip H. Waterlow; auch Variante von 1940/41 in Rot bekannt.


Abb. 36: One/1er, Vs., aus den 1930–1950er Jahren stammende zweiseitige Werbenote der Londoner Druckerei Thomas De La Rue & Co. Ltd., mit dem Porträt des Firmengründers Thomas de la Rue; die starke Ähnlichkeit zu US-amerikanischen Silver Certificates wurde bewusst gewählt (für 500 US-Dollars im April 2017 versteigert).


Abb. 37: Rückseite von Werbenoten der Druckerei Harrison & Sons Ltd. London, hier von 1989 (schon 1979 wurde das Unternehmen von Lonrho übernommen).


Abb. 38: Poster von 1912, ca. 20 × 33 cm, Porträt von König George V., von BWC wurden seit 1867 Jahreskalender mit Vignetten und in verschiedenen Sprachen gedruckt.


Michael H. Schöne


Quellen

https://bm.linkedin.com/posts/ian-marshall

https://books.google.de/books/about/Specimens_of_bank_note_engraving

https://en.wikipedia.org

http://maldensandcoombeheritagesociety.weebly.com/bradbury

https://stampengravers.blogspot.com

https://web.archive.org

https://www.britishmuseum.org

https://www.pmgnotes.com/bradbury

https://www.stampcommunity.org


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