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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Aus privaten Sammlungen: 100 Kronen aus dem Getto Theresienstadt von 1943

Theresienstadt wurde Ende des 18. Jahrhunderts im Auftrag von Kaiser Joseph II. als Festung mit Garnisonsstadt im Norden Böhmens erbaut. Nach der Besetzung des Protektorats Böhmen und Mähren richtete die Gestapo im Juni 1940 in der sog. „Kleinen Festung“ ein berüchtigtes Gefängnis für Männer und ab 1942 nach dem Heydrich-Attentat auch für Frauen ein, die im tschechischen Widerstand aktiv waren.

Im Protektorat lebten etwa 88.000 Juden, über deren Schicksal im Oktober 1941 entschieden wurde. In der Garnisonsstadt entstand im November 1941 ein Getto, das nach der „Wannsee-Konferenz“ zur „Endlösung der Judenfrage“ ab 1942 auch zum Sammel- und Durchgangslager für Juden aus ganz Europa wurde. Anders, als alle anderen Gettos, die aus einem oder mehreren sog. „Jüdischen Wohnbezirken“ bestanden, war Theresienstadt durch die Festungsmauern eine quasi isolierte jüdische Stadt. Für das Getto war deshalb keine Stadtverwaltung zuständig, sondern die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag, die eine Kommandantur einsetzte, welche sich in Befehlen auf die „Jüdische Selbstverwaltung“ bezog. Theresienstadt war niemals der SS unterstellt und deshalb auch kein Konzentrationslager, wie oft fälschlich behauptet. Zur Bewachung waren rund 100 tschechische Gendarmen eingesetzt.

Die Idee, Theresienstadt auch als „Altersgetto“ für ausgewählte deutsche Juden zu nutzen, geht auf Reinhard Heydrich zurück, der dies Goebbels im November 1941 vorschlug. Auf der „Wannsee-Konferenz“ wurde das „Altersgetto“ dann im Januar 1942 beschlossen. Hier sollten alle „Reichsjuden“ über 65 Jahre sowie alle Juden mit Kriegsbeschädigungen oder Auszeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg untergebracht werden.

Nach dem Anschluss des Sudetengebiets und der Besetzung der „Rest-Tschechei“ wurde im Protektorat auch die Reichsmark als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt. Bereits im Herbst 1942 forderte die Kommandantur vom Ältestenrat der Juden, dass eine Bank zu errichten sei, die eigenes Geld ausgeben, den Notenumlauf kontrollieren und für die Geldschöpfung sorgen sollte. Nach einer besonderen Tabelle mit fünf Tarifen waren alle Gettobewohner mit Bargeld zu versorgen. Am 12. Mai 1943 öffnete die Bank der Jüdischen Selbstverwaltung im Rathaus von Theresienstadt ihre Schalter. Je nach Tarif erhielten die Bewohner zwischen 50 und 250 Kronen monatlich. Etwa die Hälfte aller Arbeitsentgelte wurde einem Sperrguthaben für jüdische Auswanderung gutgeschrieben. Weil viele Menschen, die von Theresienstadt aus in Vernichtungslager deportiert wurden, ihr Bargeld an Verwandte und Freunde verteilten, wurde eine Obergrenze von 700 Kronen pro Kopf festgesetzt.

Der Umlauf der Quittungen betrug zum Höchststand 18 Millionen Kronen, sank dann aber ausgehend von der durch Transporte in die Vernichtung reduzierten Zahl der Gettobewohner auf rund 7 Millionen Kronen im Jahr 1945 ab.

Im Februar 1945 sah die Kommandantur den Krieg als verloren an und ließ viele Unterlagen, auch die zu freien und gesperrten Guthaben vernichten. So schrumpfte allein das Sperrguthaben durch vernichtete Unterlagen von 100 auf nur noch 20 Millionen Kronen. Schließlich übernahm das Rote Kreuz das Getto und am 9. Mai 1945 wurde die Bank geschlossen.


 

 

Objekttyp: Quittung (Gettogeld)

Sammlung: Archiv für Geld- und Zeitgeschichte, Sammlung Grabowski

Authentizität: Original (Abbildungsvorlage für Katalog)

 

Land/Region/Ort: Protektorat Böhmen und Mähren, Böhmen, Theresienstadt

Emittent: Der Älteste der Juden (Ältestenrat im Getto, Jüdische Selbstverwaltung)

Nominal: 100 Kronen

Datierung: 1. Januar 1943

Vorderseite: Davidstern

Rückseite: Moses mit den Gesetzestafeln, Davidstern

Unterschrift: Jakob Edelstein (1903–1944)

Material: Papier ohne Wasserzeichen

Format: 150 mm x 75 mm

Druck: Staatsdruckerei, Prag

Nummerierung: F 022420

Gültigkeit: 12. Mai 1943 bis 8. Mai 1945

Zitate:

  • GET-14 (Grabowski: Die deutschen Banknoten ab 1871)

  • TH 7 (Grabowski: Das Geld des Terrors)

 

Hans-Ludwig Grabowski


Wenn auch Sie ein besonderes Stück aus Ihrer Sammlung vorstellen möchten, dann schicken Sie einfach eine E-Mail an: info@geldscheine-online.com.


Literaturempfehlung:


Hans-Ludwig Grabowski:

Die deutschen Banknoten ab 1871

Das Papiergeld der deutschen Notenbanken, Staatspapiergeld, Kolonial- und Besatzungsausgaben, deutsche Nebengebiete und geldscheinähnliche Wertpapiere und Gutscheine


23. Auflage 2023/2024

ISBN: 978-3-86646-224-3

864 Seiten, durchgehend farbig

Preis: 39,90 Euro


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