Weltweit zeigen nur ca. fünfzehn Prozent der Geldscheine Bildnisse prominenter Frauen. Erwartungsgemäß unangefochten an der Spitze ist die im letzten Jahr nach über siebzig Jahren auf dem Thron verstorbene englische Königin Elisabeth II. (1926 – 2022), deren Porträts ab 1960 auf zahllosen Banknoten im gesamten Commonwealth verbreitet wurde.
Eigentlich sorgen Porträts auf Geldscheinen wegen der höheren Komplexität der Darstellung und einer vermuteten höheren Aufmerksamkeit bei der Betrachtung für eine höhere Fälschungssicherheit. Besonders lange Haare bei Frauen steigern die Herausforderung an den Fälscher.
In sozialistischen bzw. kommunistischen Staaten stets gern gewählte Motive für Vorder – oder Rückseiten von Banknoten betreffen landwirtschaftliche Darstellungen. Dabei werden sowohl traditionelle Handarbeit als auch die Moderne dargestellt, z. B. in Form von Arbeit mit Erntemaschinen und Traktoren.
Volksrepublik China, Chinesische Volksbank: Banknote zu 1 Yuan von 1960 (CHN-874a, SCWPM), Vorderseite mit Traktoristin und Rückseite berittener Hirte mit Schafherde vor Berglandschaft.
Wer aber war nun die junge Traktoristin auf einem der bekanntesten rot-chinesischen Geldscheine, der auch aktuell immer wieder angeboten wird, z. B. auf der Teutoburger Auktion 160 im September diesen Jahres?
Die inzwischen verstorbene Bauerntochter und Traktoristin Liang Jun (1930 – 2020) aus der Provinz Heilongjiang reklamierte in hohem Alter, das Model für die Frau auf dem Traktor gewesen zu sein. Ein Gestalter der 1960 gedruckten und 1962 ausgegeben Serie mit einzelnen Werktätigen auf 1-, 2- und 5-Yuan-Scheinen bestritt dies jedoch. Gleichwohl war Liang Jun ein Paradebeispiel für weibliche Aufstiegsmöglichkeiten im kommunistischen China. 1948 nahm sie als einzige Frau an einem der ersten Lehrgänge für Traktorführung in der Volksrepublik teil und wurde eines der Vorbilder im Rahmen der Heldenverehrung des neuen Menschen im Kommunismus. Nach dem Sieg der Rotchinesen auf dem Festland erhielt sie 1950 den Titel einer Nationalen Modell-Arbeiterin und durfte den „Großen Führer“ Mao Zedong (1893 – 1976) persönlich kennenlernen. Sie posierte oft auf Propaganda-Plakaten, weshalb sie wohl dachte, sie könne auch die Traktoristin auf der 1-Yuan-Note von 1960 sein, neben dem Arbeiter an der Drehbank auf dem 2-Yuan-Schein und dem Stahlarbeiter beim Abstich auf dem 5-Yuan-Schein.
Ausschnitt eines Propaganda-Plakats mit Liang Jun auf einem Traktor, Schanghai 1953.
Die Darstellung von Traktoren finden wir des Öfteren auf Geldscheinen kommunistischer Staaten im asiatischen Raum. Allerdings befinden sich diese traditionellen Modelle ohne Überrollbügel oder Kabine auch versteckt im Bildhintergrund der Rückseiten.
Kambodscha, Republik der Roten Khmer, Banque Nationale du Cambodge: Note zu 500 Riels ohne Datum (1975, CAM-16b, SCWPM), Vorderseite: junge Frau mit Wasserkrug, Rückseite: Feldwirtschaft mit zwei Traktoren.
Der kambodschanische Schein aus den 1970er-Jahren zeigt auf seiner Rückseite oberhalb des Tempelfrieses rechts und in der Mitte Frauen beim Reispflanzen, während im hinteren Teil zwei Traktoren von Männern gelenkt ein Feld vorbereiten.
Das Motiv scheint in der Nationalbank von Kambodscha so gefallen zu haben, dass es 1998 noch einmal auf einem Fünfhunderter Verwendung fand, dieses Mal allerdings in Rot.
Nicht nur in Asien fanden Traktoren und landwirtschaftliche Gefährte den Weg auf Geldscheine. Aus Europa können wir einen albanischen und einen bulgarischen Schein als Beispiele aufführen. Also jeweils aus einem damals kommunistischen Land und einem Arbeiter- und Bauernstaat der 1950er-Jahre, in denen mit heute archaisch anmutenden Ungetümen sogenannte „Ernteschlachten“ geschlagen wurden. Beide verfügen statt über Luft- oder Vollgummireifen über Eisenräder mit Ackerkrallen.
Albanien, ALB-31a: 500 Lekë von 1957, Vorderseite.
Bulgarien, BGR-83a: 10 Leva von 1951, Rückseite.
In Südamerika finden wir in Bolivien einen Schein mit Propaganda-Aussage für eine Agrarreform (Inschrift unten rechts Reforma Agraria). Ein Traktor zieht eine Erntemaschine, daneben wird ein traditionelles Ochsengespann beim Pflügen von einem Bauern geführt.
Auf dem afrikanischen Kontinent pflügt sogar ein kleiner moderner Traktor mit Kabine und Rückspiegeln den äthiopische Boden.
Bolivien, BOL-171a: 100.000 Pesos von 1984, Rückseite, Druck De La Rue.
Äthiopien, ETH-56: 50 Birr von 2020, Vorderseite.
Auf dem tunesischen Schein über einen halben Dinar von 1973 wacht Langzeit-Präsident Habib Bourguiba (1903 – 2000) auf der Vorderseite über einen Fellachen, der mit einem Kamel pflügt, wohingegen die Rückseite – versteckt hinter Schafen in der Bildmitte neben einem Baum, am Ufer eines Gewässers – einen Traktor zeigt.
Tunesien, TUN-69a: 1/2 Dinar von 1973, Vorder- und Rückseite.
Immer wieder finden wir Traktoren auf Banknoten der Nachfolgestaaten des ehemaligen französischen Kolonialreichs Indochina, wie auf dem vietnamesischen Zweihunderter von 1987 mit einem schon moderneren Traktor auf der Rück- und mit Onkel Ho ( Ho Chi Minh 1890 – 1969, Revolutionär und vietnamesischer Präsident) auf der Vorderseite.
Vietnam, VNM-100a: 200 Dong von 1987, Vorder- und Rückseite.
Mein Lieblingsmotiv befindet sich allerdings auf einem afrikanischen Geldschein der Zentralbank Westafrikanischer Staaten: Banque Central des Etats de l´Afrique de l´Ouest (BCEAO). Der abgebildete Einachsschlepper sieht mit seiner typischen Drehgrifflenkung aus wie ein Produkte der Firma Holder aus dem schwäbischen Metzingen, die z. B. ihr Modell ED 2 ab 1953 mit 14.243 Exemplaren gebaut hat. Vielleicht sind auch einige davon in Afrika "gelandet"?
Westafrikanische Staaten, WAS-110Ag: 500 Francs ohne Datum (1997), Rückseite.
Christian Merker
Abb. der Banknoten: Archiv für Geld- und Zeitgeschichte, Sammlung Grabowski.
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