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Der "Reviziós-Pengö"

Im Vertrag von Trianon vom 4. Juni 1920 musste Ungarn eine Mitschuld am Ersten Weltkrieg anerkennen und zwei Drittel seines Territoriums abgeben. Dem von Revolutionen durchgeschüttelten und wirtschaftlich völlig vom Westen abhängigen Nationalstaat Ungarn blieben knapp acht von einst 21 Millionen Einwohnern. Drei Millionen Ungarn wurden zu Minderheiten in den Nachbarländern, vor allem in den Regionen Siebenbürgen und im Banat. Wie die Deutschen den Vertrag von Versailles, so empfanden auch die Ungarn den Friedensvertrag von Trianon als Ungerechtigkeit und Schmach.


0.1: Die Grenzen Österreichs und Ungarns vor und nach dem Ersten Weltkrieg


Im Sommer 1921 gründete die ungarische Regierung das Zentrum für die Organisation sozialer Vereine, dessen Aufgabe es war, sich um die in den neu gebildeten Nachbarländern zurückgebliebenen ungarischen Minderheiten zu kümmern und mit Hilfe einer Anti-Trianon-Propaganda eine Revision des Vertrags zu erreichen. Doch das Büro wurde seinen Erwartungen nicht gerecht.


Im Juni 1927 war in der "Daily Mail" ein viel beachteter Artikel zu lesen. In ihm kritisierte der britische Lord Rothermere den Vertrag von Trianon und schlug vor, die überwiegend von Ungarn bewohnten Grenzgebiete wieder an Ungarn anzuschließen. In den nächsten Tagen begannen in Ungarn lebhafte Aktivitäten unter den Anti-Trianon-Organisationen, da erwartet wurde, dass eine neue Ära in der ungarischen Revisionspropaganda beginnen würde. Schnell wurde klar, dass die neue „halboffizielle“ außenpolitische Propaganda unter der Schirmherrschaft einer neu zu gründenden Organisation erfolgen müsse.


Am 27. Juli 1927 wurde die „Magyar Reviziós Liga“ (Ungarischer Revisionsbund) ins Leben gerufen. Präsident der Liga wurde Ferenc Herczeg [* 22. September 1863 in Versec, Kaiserreich Österreich; † 24. Februar 1954 in Budapest, Volksrepublik Ungarn).

Der deutschstämmige Herczeg wurde als Franz Herzog geboren und arbeitete als Schriftsteller, Dramatiker, Journalist und Politiker. In seinen Schriften förderte er die konservative, nationalistische Meinung in Ungarn und war eine der Leitfiguren des ungarischen, literarischen Konservatismus. Er war Mitglied und Vizepräsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA) und Nobelpreiskandidat in den Jahren 1926 und 1927. Vizepräsident der Liga wurde der Kleinbauernführer und Abgeordnete Tibor Eckhardt

(1888–1972).


Der Ungarische Revisionsbund sah sich als Dachverband, dessen Hauptaufgabe es war, die Irredenta-Aktivitäten[1] zu koordinieren und die Weltöffentlichkeit, vor allem in Großbritannien, der damals weltweit führenden Großmacht, auf die Ungerechtigkeit des Trianon-Friedens aufmerksam zu machen und so eine Revision des Vertrags zu erreichen. Die Liga rief daher alle Verbände, Organisationen und Gesellschaften zum Beitritt auf, um zu zeigen, dass die ungarische Nation in der Frage der Revision vereint ist. Bereits 1929 überstieg die Zahl der Mitgliedsverbände 500.


Abb. 1.1: 1 Pengö der Magyar Reviziós Liga, 1930, Vorderseite.


Abb. 1.2: 1 Pengö der Magyar Reviziós Liga, 1930, Rückseite.


Auch Einzelpersonen konnten dem Bund beitreten. Dazu mussten sie nur den 1930 ausgegebenen sog. "Reviziós Pengő" erwerben.

1930 hatte die Liga zwei Millionen Mitglieder. Der 156 mm x 82 mm große Schein zeigt auf

der rechten Seite in einem Oval das Porträt des Präsidenten der Liga, den beliebten Romancier Herczeg, und auf der linken Seite ein Wappen. Übersetzt lautet der Text des Scheines:


Revisionistische Pengö. Die Ungarische Revisionistische Liga bescheinigt, dass Herr ............... einen Pengö für die ungarische revisionistische Bewegung geleistet hat. Dieser Schein dient als Mitgliedsausweis der Ungarischen Revisionsliga. Budapest. 1930. Es folgen drei Unterschriften. In der Mitte unterzeichnete Ferenc Herczeg.

Am unteren Rand und auf Rückseite rot aufgestempelt: Quittung für 1932.


Im Laufe des Jahres 1941 trieb Ungarn allmählich in den Krieg hinein, und seine diplomatischen Beziehungen zu den angelsächsischen Mächten wurden abgebrochen. Anfang 1944 erreichten die Revisionsliga zunehmend alarmierende Nachrichten. Ungarn wurde 1944 von deutschen Truppen besetzt. Das Büro der Liga in der Zrínyi-Straße wurde mehrmals durchsucht. Obwohl keine Mitarbeiter festgenommen wurden, löste sich die ungarische Revisionsliga bald auf.


Uwe Bronnert


Anmerkungen [1] Der Irredentismus versucht territoriale Ansprüche auf der Grundlage historischer und/oder ethnischer Zugehörigkeit (real oder eingebildet) zu rechtfertigen. Nationalistische und revisionistische Bewegungen untermauern damit ihr Vorgehen, die verlorene Heimat zurückzuerobern.


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