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Die Passauer Bierpfennige aus den Jahren 1946 bis 1948

„Unsere Not wird der wahre Schöpfer sein“ sagte der griechische Philosoph Platon schon vor etwa 2.500 Jahren. Über das englische „Necessity is the mother of invention“ kam das Sprichwort ins Deutsche: „Not macht erfinderisch.“ Nach Kriegsende waren Erfindungen überlebenswichtig. Seit 1946 herrschte Kleingeldmangel in Süddeutschland. Ursache war der Abfluss von Münzen nach Österreich, wo deutsche Münzen weiterhin gesetzliche Zahlungsmittel waren, jedoch eine höhere Kaufkraft besaßen.


Überall im besetzten Deutschland wurde Ersatzgeld in unterschiedlichsten Materialien verwendet. Üblich waren Papier und Karton, seltener bedruckte/gestempelte Rückseiten von Formularen, Landkarten usw.; auch ungültig gewordene Eisenbahn-Fahrkarten dienten als Notgeld. Ein bekanntes Beispiel sind die Bierpfennige, die im Passauer Gasthaus „Zum Dreiflusseck“ ab 1947 in Gebrauch waren.


Der aufgestempelte Text lautet „Gasthaus / Zum Dreiflusseck / Passau–Bayern / Amerikanische Zone“ oder verkürzt „... Passau US-Z.“; seltener ist die Schreibweise „Dreiflußeck“. Der Zeitpunkt der Verwendung solcher Notgelder ist anhand der Prägestempel auf den Fahrkarten ersichtlich: z. B. „27.12.47“ oder „27o12“.


Abb. 1: Postkarte, Zusammenfluss von Donau, Inn und Ilz (Dreiflußeck) bei Passau.
Abb. 1: Postkarte, Zusammenfluss von Donau, Inn und Ilz (Dreiflußeck) bei Passau.

Nachweisbar sind folgende Notgelder mit den rückseitigen Zugstrecken:

  • Kaismühle-Bayerbach

  • München-Passau

  • Passau-Bayerbach

  • Passau-Sandbach

  • Rotthalmünster-Birnbach bzw.

  • Zuschlagkarten München Hbf, Eilzug Zone I, und

  • Stuttgart Hbf, Schnellzug, Zone I, sowie

  • Rückfahrkarten Passau-Sandbach.


Mit Sicherheit fanden auch Fahrkarten anderer Zugstrecken im Bezirk der Reichsbahndirektion München Verwendung. Die jeweiligen Wertstufen lauteten auf „Bierpfennig/e“, waren Ersatzgeld und keine Biersteuer.


Kostete ein halber Liter Bier 1947 in US-amerikanischen Militäreinrichtungen 10 Cents (= 1 Reichsmark), lag der Bierpreis in deutschen Gaststätten um die 50 Reichspfennig – bei einem Monatslohn eines Arbeiters von etwa 120 bis 150 Reichsmark.

Nicht erklärbar ist, weshalb die Wirtin für ihr Gasthaus unterschiedliche Gutscheine über 25 und 26 (25 + 1) Pfennige verwendete. Möglicherweise galten sie für verschiedene Biersorten lokaler Brauereien oder für ½ Liter Helles oder Pilsener.


Abb. 2: belegte Ersatzgelder der Bierpfennige des Gasthauses „Zum Dreiflusseck“ Passau [1].
Abb. 2: belegte Ersatzgelder der Bierpfennige des Gasthauses „Zum Dreiflusseck“ Passau [1].
Abb. 3: 5 Bierpfennige, Vs. und Rs., ca. 26 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Rückfahrkarte Passau–Sandbach.
Abb. 3: 5 Bierpfennige, Vs. und Rs., ca. 26 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Rückfahrkarte Passau–Sandbach.
Abb. 4: 10 + 5 Bierpfennige, Vs., ca. 55 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Fahrkarte Personenzug München–Passau über Dingolfing.
Abb. 4: 10 + 5 Bierpfennige, Vs., ca. 55 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Fahrkarte Personenzug München–Passau über Dingolfing.
Abb. 5: 25 Bierpfennige, Vs., ca. 40 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Karte Passau–Bayerbach.
Abb. 5: 25 Bierpfennige, Vs., ca. 40 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Karte Passau–Bayerbach.
Abb. 6: 25 + 1 Bierpfennige, Vs., ca. 55 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Schnellzugzuschlagkarte Stuttgart, Zone I – bis 300 km (mit Stempel kopfstehend „1 / Bier /Pf.“).
Abb. 6: 25 + 1 Bierpfennige, Vs., ca. 55 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Schnellzugzuschlagkarte Stuttgart, Zone I – bis 300 km (mit Stempel kopfstehend „1 / Bier /Pf.“).
Abb. 7: 50 Bierpfennige, Vs., ca. 55 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Fahrkarte Personenzug Kaismühle–Bayerbach.
Abb. 7: 50 Bierpfennige, Vs., ca. 55 × 30 mm, 27.12.1947, auf rückseitiger Fahrkarte Personenzug Kaismühle–Bayerbach.

Schon ein Jahr zuvor wurden Bierpfennige als Geldersatz verwendet: keine „gute Erfindung“, da man Streichholzschachtel-Blättchen verwendete. Das Abstempeln der Schreichholzschachtel-Teile brachte unbefriedigende Ergebnisse; auch das zusätzliche Aufkleben von gestempeltem Papier hatte sich nicht bewährt. Außerdem war das Material zerbrechlich und unhandlich in den Geldbörsen aufzubewahren. Deshalb entschloss man sich für die Wiederverwendung der vorgestellten Eisenbahnfahrkarten. Dort wurden die selben Rahmenstempel verwendet: 1 und 2 Pfennig 10 × 26 mm, 5 Pfennig 18 × 18 mm,

10 Pfennig 23 × 18 mm, 25 Pfennig 36 × 22 mm und 50 Pfennig 47 × 27 mm.

Es wurden verschiedene Stempelfarben genutzt.


Abb. 8: belegte Ersatzgelder der Bierpfennige des Gasthauses „Zum Dreiflusseck“ Passau, beidseitig auf Teilen von Streichholzschachteln gestempelt.
Abb. 8: belegte Ersatzgelder der Bierpfennige des Gasthauses „Zum Dreiflusseck“ Passau, beidseitig auf Teilen von Streichholzschachteln gestempelt.


Abb. 9: 1 Bierpfennig, Vs. und Rs., ca. 12 × 26 mm, o. D. (1946/47).

Abb. 10: 1 + 1 Bierpfennig, Vs. und Rs., ca. 12 × 50 mm, o. D. (1946/47).


Abb. 11: 5 Bierpfennige, Rs., 27 × 22 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 11: 5 Bierpfennige, Rs., 27 × 22 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 12: 10 Bierpfennige, Rs., ca. 36 × 27 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 12: 10 Bierpfennige, Rs., ca. 36 × 27 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 13: 25 Bierpfennige, Rs., 46 × 29 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 13: 25 Bierpfennige, Rs., 46 × 29 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 14: 50 Bierpfennige, Vs., ca. 50 × 35 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 14: 50 Bierpfennige, Vs., ca. 50 × 35 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 15: 50 Bierpfennige, Rs. überklebt, ca. 50 × 35 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 15: 50 Bierpfennige, Rs. überklebt, ca. 50 × 35 mm, o. D. (1946/47).

Mitunter wurden auch die Deckseiten mit den Schachteletiketten als Notgeld verwendet und gestempelt. [2] Die Streichholzschachtel-Notgelder sind nachweisbar seltener als die späteren gestempelten Eisenbahnfahrkarten. Noch seltener sind nur einseitig gestempelte Streichholzschachtel-Blättchen. Über die Menge an hergestellten und verwendeten Ersatzgeldern herrscht völlige Unklarheit.


Abb. 16: 50 Bierpfennige, Etikett überstempelt, ca. 50 × 35 mm, o. D. (1946/47).
Abb. 16: 50 Bierpfennige, Etikett überstempelt, ca. 50 × 35 mm, o. D. (1946/47).

Der Name der Gaststätte „Zum Koppenjäger“ wurde 1940 geändert: in „Gasthaus Zum Dreiflusseck“. Als „Gastwirtschaftspächterin“ führte ab August 1943 Therese Ulm das Gasthaus. Die 52-jährige Oberösterreicherin hatte am 10. August 1943 den Gastwirt und Kaufmann Josef Ulm geheiratet. Sie betrieben das Gasthaus bis etwa Ende der 1950er Jahre. Spätestens ab 1960 war es nach Umbauten ein normales Wohnhaus. Das Gasthaus „Zum Dreiflusseck“ ist nicht identisch mit dem erst 1980 eröffneten 4-Sterne-Hotel „Dreiflüssehof“ in der Danziger Straße 44 in Passau.


Abb. 17: Hausfront des früheren Gasthauses „Zum Dreiflusseck“ in der Bräugasse 21

in Passau, nach 1756 als Bierschänke nachweisbar (im Jahre 1932 kam es zum „Passauer Sittenskandal“ – das Amtsgericht Passau verurteilte die damaligen Besitzer des „Koppenjägers“. Im Urteil hieß es: „Die beiden Angeklagten haben, um sich eine ständige Einnahme zu verschaffen, durch Gewährung und Verschaffung von Gelegenheit der Unzucht Vorschub geleistet. Sie beherbergten in dem Wirtschaftsanwesen ständig einige Mädchen zu dem ausgesprochenen Zwecke, diese den Gästen zur Unterhaltung zur Verfügung zu stellen. Die Mädchen mussten die Gäste zum Trinken animieren und durften sich natürlich auch etwaigen Wünschen von Gästen zur Vornahme von unzüchtigen Handlungen nicht abgeneigt zeigen.“) Abb. Konrad Leckerbeck.


Michael H. Schöne


Quellen:

[1] „Das Papiergeld im besetzten Deutschland 1945 bis1949“ M. H. Schöne, Regenstauf 1994

[2] https://www.geldscheine-online.com „Lexikon: Holzgeld“ A. Pick, 20. Januar 2024

https://www.passau.de (vielen Dank für Unterstützung der Recherchearbeiten an Stadtarchivar Herrn Richard Schaffner, Leiter der Kommunalen Medienzentrale)

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