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Ende 1923: Wertbeständiges Notgeld als Rentenmark?

Nach Erscheinen der Rentenmark am 16. November 1923 verstärkten sich die Ausgabe und der Umlauf des wertbeständigen Goldmark-Notgelds weiter, und zwar solange bis die neuen Rentenbanknoten in ausreichender Menge in der Bevölkerung verfügbar waren.

Das Goldmark-Notgeld übte in dieser Zeit auch eine wichtige Kleingeldfunktion aus, da anfangs Rentenmarkscheine fast nur in größeren Nennwerten und Rentenpfennige erst mit Beginn des Jahres 1924 in den Verkehr kamen.


Die neue Rentenmark: Rentenbankschein über 1 Rentenmark, Ausgabedatum 1. November 1923 in Berlin, Vorder- und Rückseite, Abb. Sammlung Grabowski.


Zum Zeitpunkt der Emission der ersten Rentenmark-Scheine nach den inzwischen erfolgten Währungs-Stabilisierungsmaßnahmen kursierte die "Papiermark" ohne Kursverluste und wurde mittlerweile wieder allgemein angenommen (Währungsumstellung: 1 Rentenmark = 1 Goldmark = 1 Billion "Papier-" Mark).


Auch die Mark wurde nach der Währungsreform noch gedruckt: Reichsbanknote über 100 Billionen Mark, ausgegeben in Berlin am 15. Februar 1924. Wert dieser nun währungsstabilen Banknote über 100 Billionen Mark = 100 Rentenmark = 100 Goldmark. Vorder- und Rückseite. Abb. Sammlung Gerber.


Die neuen Rentenmark-Scheine waren am 25. November 1923 noch nicht in Bayern eingetroffen. Rund 4 Mio. Rentenmark wurden hier gegen Ende November erwartet. So wird erklärlich, dass nicht weniger als ein Drittel aller bayerischen Goldmark-Notgeldausgaben gerade in diesen Zeitraum, nämlich in die Woche vom 19. bis 26. November 1923, fällt.


Am 16. November 1923, dem Tag der ersten Rentenmarkausgabe, bestanden rund 37 % aller umlaufenden Zahlungsmittel im Deutschen Reich aus wertbeständigem Notgeld.

Das vorhandene und nach dem 16. November 1923 neu ausgegebene wertbeständige Notgeld leistete dann der jungen Rentenmark Hilfestellung. Mit wachsender Rentenmarkmenge betrug der Anteil der beiden wertbeständigen Zahlungsmittel am 23. November 1923 rund 53% und am 30. November rund 58% des Geldumlaufs.


Wertbeständiges Notgeld als Rentenmark

Die Ausgabe von wertbeständigem Notgeld mit der Währungsbezeichnung „Rentenmark“ war aus Sicht des Reichsfinanzministeriums nicht zulässig. Dennoch erschienen illegaler Weise Ende 1923 elf Ausgaben von Rentenmark-Notgeld.


Arnstadt (Thüringen)

Die Firma E. Wagner Blaudruckfabrik in Arnstadt begab mit Datum vom 1. Dezember 1923 in Form von Schecks auf die Bank für Thüringen, vorm. B. M. Strupp, Aktien-Gesellschaft, Filiale Arnstadt, wertbeständige Notgeldscheine über 1, 2 und 5 Rentenmark. Die ohne Genehmigung des Reichsfinanzministeriums ausgegebenen Scheine lauteten unzulässiger Weise über Rentenmark.


Berlin (Brandenburg)

Am 15. November 1923 gaben die Siemens & Halske A. G. und Siemens-Schuckert Werke G.m.b.H. in Berlin gemeinsam „Konsum-Gutscheine“ mit den Werten 1, 2, 5, 10, 50 Rentenpfennig und 1 Rentenmark aus. Wie in verschiedenen anderen Orten übten diese kleinen Werte nur eine Wechselgeldfunktion aus, da von der Deutschen Rentenbank anfangs nur Noten zu 50 Rentenmark emittiert worden waren. Die Scheine liefen nicht in der Öffentlichkeit, sondern nur in den Siemens-Konsumanstalten um.


Bethel bei Bielefeld (Westfalen)

Rentenmarkscheine über 1, 2 und 5 Rentenpfennige sowie 1 und 2 Rentenmark wurden von den Vorständen der Anstalten Bethel, Sarepta und Nazareth am 1. Dezember 1923 in Bethel ausgegeben. Diese Scheine sind nicht als wertbeständiges Notgeld anzusehen, da diese Institution schon seit Jahrzehnten mit behördlicher Genehmigung eigenes Anstaltsgeld verwenden darf.


Stadt Dinkelsbühl, Notgeldschein über 1 Rentenmark, ausgegeben in Dinkelsbühl am 16. November 1923.


Dinkelsbühl (Bayern)

Die bayerische unmittelbare Stadt Dinkelsbühl begab am 26. November 1923 mit Genehmigung des Reichsministers der Finanzen Notgeldscheine zu 10 und 50 Rentenpfennige sowie 1 Rentenmark. Die Scheine über 10 Rentenpfennige und 1 Rentenmark wurden 1924 überdruckt and als Quittungen für die städtische Hockersteuer weiterverwendet.


Freistaat Sachsen, Sächsisches Finanzministerium in Dresden, Rentenmark-Schatzanweisung über 20 Rentenmark, Ausgabedatum: 13. Dezember 1923. Vorder- und Rückseite. Abb. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Münzkabinett.


Freistaat Sachsen, Sächsisches Finanzministerium in Dresden,

Rentenmark-Schatzanweisung über 20 Rentenmark, Ausgabedatum: 13. Dezember 1923. Dresden (Sachsen)

Der Sächsische Staat gab kurz nach Erscheinen der Rentenmark Rentenmark-Schatzanweisungen aus. Emittent dieser unverzinslichen Stücke war das Sächsische Finanzministerium. Die Abgabe erfolgte „nach Maßgabe des auftretenden Kreditbedarfs im Verkehr“ durch die Landeshauptkasse und durch sämtliche Niederlassungen der Sächsischen Staatsbank. Die mit Datum 13. Dezember 1923 versehenen Stücke lauteten über 20, 50 und 100 Rentenmark. Die Laufzeit war auf den 31. Dezember 1924 begrenzt. Es ist bis heute nicht erwiesen, dass die in der Presse angekündigten Werte von 5 und 10 Rentenmark auch ausgegeben wurden.

Sofort nach Erscheinen wurden die Scheine allseits heftig kritisiert. Dass sie über „Rentenmark“ lauteten, eine Bezeichnung, die nach dem Rentenbankgesetz nur den Noten der Rentenbank zustand, war der kleinste aller Vorwürfe. Zu diesem späten Zeitpunkt bestünde kein Bedürfnis mehr nach neuem wertbeständigen Notgeld, denn um ein solches handele es sich trotz der Tarnbezeichnung als Schatzanweisung bei diesen „kleinen“ Nennwerten offensichtlich. Es wurde von einer „sächsischen Inflationsgefahr“ gesprochen und, es wurden bei dieser Gelegenheit auch die etwa zur gleichen Zeit erschienenen Zwischenscheine einiger preußischer Provinzen und die noch kleiner gestückelten Schatzanweisungen des Landes Thüringen kritisiert. Wenige Tage später erschien in den Zeitungen eine Beruhigungsnotiz des Reichsfinanzministers, in der mitgeteilt wurde, dass die sächsischen Rentenmark-Schatzanweisungen innerhalb von zwei Monaten wieder eingezogen würden und dass bei der Auflage von nur 5 Mio. Rentenmark inflatorische Wirkungen nicht zu befürchten seien. Bis zum Einlösungstermin könnten die Scheine bei jeder Reichskasse in Zahlung gegeben werden. Diese Kassen hätten Anweisung, eingelieferte Stücke der Sächsischen Regierung in Anrechnung auf die Steuerüberweisungen zu übermitteln.


Elberfeld (Rheinland)

Zwei kleinformatige, im Vervielfältigungsverfahren hergestellte Stücke der Stadthauptkasse Elberfeld über 0,01, 0,02, 0,05, 0,10, 0,20 und 0,50 Rentenmark vom 19. November 1923 galten nur kurze Zeit als Kleingeld zu den höherwertigen Rentenmarkscheinen der Deutschen Rentenbank und nach ihrem Text nur im Gehalts-Verrechnungsverkehr mit den städtischen Beamten, Lehrern und Angestellten.


Greifenberg (Pommern)

Die von der Kreissparkasse Greifenberg in Pommern ab 1. Dezember 1923 ausgegebenen Notgeldwerte über ½, 1 und 5 Rentenmark waren vom Reichsfinanzministerium nicht genehmigt gewesen, da die Währungsbezeichnung „Rentenmark“ für wertbeständiges Notgeld nicht zulässig war.


Insterburg (Ostpreußen)

Die Insterburger Spinnerei und Weberei A. G. in Insterburg gab mit Datum vom 1. Dezember 1923 Gutscheine mit den Werten über 2, 5 und 10 Rentenpfennig sowie 5 Rentenmark aus. Die Gutscheine besaßen keine Genehmigung des Reichsfinanzministeriums.


„Velima“ Handelsgesellschaft m.b.H. Carl Höpner in Mummendorf, Gutschein über 1/10 Rentenmark, ausgestellt im schleswig-holsteinischen Mummendorf am 1. Dezember 1923.


Mummendorf (Schleswig-Holstein)

Die „Velima“ Handelsgesellschaft m.b.H. Carl Höpner in Mummendorf gab am 1. Dezember 1923 Gutscheine für Waren, Getreide, Butter und Milch aus. Die seitens des Reichsfinanzministeriums ungenehmigten Scheine galten nur auf der Insel Fehmarn bis auf Widerruf und hatten einen Nennwert von 1/10 Rentenmark.


Oderberg (Brandenburg)

Der Magistrat der Stadt Oderberg gab illegaler Weise durch Scheck über die Vereinsbank

in Oderberg mit Datum vom 28. Dezember 1923 Geldscheine über 1 Rentenmark aus.


Oberpfalzwerke Aktiengesellschaft für Elektrizitätsversorgung, Notgeldschein in Scheckform, gedruckt in Regensburg Ende 1923, nummeriertes Blankostück.


Regensburg (Bayern).

Die Oberpfalzwerke Aktiengesellschaft für Elektrizitätsversorgung im bayerischen Regensburg begab Ende 1923 in Scheckform nicht gesetzeskonforme Notgeldscheine über

2 Rentenmark. Die Einlösung war möglich an den Werkkassen sowie durch die Bayerische Vereinsbank, Filiale Regensburg, die Handelsbank in Regensburg und durch das Bankhaus Karl Schmidt in Weiden. Die Stücke sind bisher nur blanko bekannt, so dass unklar ist, ob sie seinerzeit überhaupt in den Umlauf kamen.


Hans-Georg Glasemann


Bildquelle, wenn nicht anders angegeben: Privat und KENOM - Virtuelles Münzkabinett (8/2023)

Literaturhinweise (Daten und Texte teilweise entnommen):

  • Lindman, Kai: Das wertbeständige Notgeld von 1923/24, 2008;

  • Müller, Manfred: Das wertbeständige Notgeld der deutschen Inflation 1923/1924, Deutsches Notgeld, Band 12, 2011;

  • Wilhelmy, Rudolf: Geschichte des deutschen wertbeständigen Notgeldes von 1923/1924, Dissertation, Berlin, 1962.


Literaturempfehlung:


Manfred Müller:

Deutsches Notgeld, Band 12: Das wertbeständige Notgeld der deutschen Inflation 1923/1924


Titel: Gietl Verlag

ISBN: 978-3-86646-519-0

Auflage: 1. Auflage 2011

Format: 14,8 x 21 cm

Abbildungen: zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen

Cover-Typ: Broschur

Seitenanzahl: 608

Preis: 39,90 Euro






Hans-Ludwig Grabowski:

Deutsches Notgeld, Band 10: Das Papiergeld der deutschen Länder 1871 – 1948


Titel: Gietl Verlag

ISBN: 978-3-86646-500-8

Auflage: 2. Auflage 2006

Format: 14,8 x 21 cm

Abbildungen: zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen

Cover-Typ: Broschur

Seitenanzahl: 640

Preis: 39,80 Euro




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