Geschichten, die Geschichte machten, Teil 11:
Exkurs
In Großbritannien waren bis Ende der 1940er Jahre Banknoten im Allgemeinen und die großen Wertstufen ab 10 Pfund im Besonderen weit weniger gebräuchlich als in anderen Ländern. Dies wird auch insofern verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass der offizielle Kurs von 1 Pfund = rd. 20 Reichsmark bereits bei einer 5-Pfund-Note einen Wert von umgerechnet 100 Mark repräsentierte, zum damaligen Zeitpunkt für den Normalbürger eine Menge Geld! Zudem wurde im Vereinigten Königreich vielfach mit Schecks gearbeitet, eine Zahlungsweise, die sich zum Beispiel in der Bundesrepublik erst in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren so richtig entwickelte. Neben den Münzen von 1 Farthing (¼ Penny) bis zur Halfcrown (2 Shilling, 6 Pence) bildeten die Banknoten zu 10 Shilling und 1 Pfund den Hauptanteil des Geldumlaufs des täglichen Barzahlungsverkehrs, dazu kam eine gewisse Menge an 5-Pfund-Noten. Diese Banknoten ab 5 Pounds aufwärts bis zur 1000-Pfund-Note wurden, sobald sie zur Bank of England zurückflossen, von dieser nicht wieder ausgegeben. Sie wurden mit einem „Bezahlt“-Vermerk gestempelt, anhand ihrer Seriennummer in den Büchern der Bank als eingelöst gekennzeichnet und vernichtet. Dies war ein Relikt der ehemaligen Einlösepflicht der Banknoten in Gold, des heute noch auf den Banknoten der Bank of England aufgedruckten Zahlungsversprechens „I promise to pay...“, welches aber heute nur noch verdeutlichen soll, dass die Bank jederzeit die von ihr ausgegebenen Noten einlöst, egal wie alt sie sind und egal wie ihr Zustand ist. Die Vernichtung der Banknoten nach ihrer Einlösung bedeutete, dass genau diese Scheine mit ihren spezifischen Ausgabedaten und Seriennummern nicht mehr nachgedruckt wurden! Ersatzbedarf druckte die Bank of England dann mit einem aktuellen Datum zum Zeitpunkt des Beschlusses des Drucks und mit neuen Seriennummern. Das bedeutete, dass ein unautorisierter Nachdruck, und sei er noch so originalgetreu, möglicherweise recht schnell auffliegen würde, nämlich dann, wenn der Bank of England falsche Scheine zur Einlösung präsentiert wurden, deren Originale zwischenzeitlich ebenfalls bereits zu ihr zurückgeflossen, damit eingelöst und als vernichtet registriert worden waren. Dieser Problematik war man sich in Berlin durchaus bewusst und genau so wurden ja dann auch die perfekt gefälschten Scheine in London erkannt.
Die englischen Noten großer Wertstufen wurden damals also so behandelt wie das, was sie ursprünglich ja auch einmal waren: Ein Depositenschein über eine gewisse, hinterlegte Menge Edelmetall, der bei Einlösung seine Funktion erfüllt hatte und ungültig gemacht werden konnte. So gab die Bank of England stets nur neue Noten wieder in Umlauf.
Man unterschied damals in England nach „Banknotes“, die eingelöst und vernichtet wurden, und nach „Bills“, also Scheine, die längere Zeit zirkulierten und auch bei Zurückfließen zur Bank of England von dieser wieder ausgegeben wurden. Hierzu gehörten die beiden kleinen Wertstufen. Ihren Namen „White Notes“ erhielten die Stückelungen ab 5 Pfund aufgrund ihres Aussehens: Lediglich die Vorderseite wies ein Druckbild auf, welches aus dem Notentext mit Wertbezeichnung und Unterschrift des Chief Cashiers bestand, und das durch ein verziertes Medaillon mit dem Bild der sitzenden Britannia ergänzt wurde. Das gesamte Vorderseitendruckbild war in einfarbig schwarzem Buchdruck gehalten, die Rückseite war komplett unbedruckt und diente den Eigentümern bei Weitergabe einer Note oftmals zum Vermerk des eigenen Namens, also ein Indossament, wie wir es heute von Scheck und Wechsel kennen. Dem Schutz vor Fälschung diente ein vollflächig über die gesamte Banknote gehendes, kompliziertes Wasserzeichen, welches aus eng liegenden, parallel verlaufenden Wellenlinien bestand, an drei Stellen durch die Wertbezeichnung in Zahlen und Buchstaben sowie am oberen und unteren Rand durch den Schriftzug „Bank of England“ unterbrochen war. Drei Besonderheiten enthielt dieses Wasserzeichen: Ein ovales Feld, das später mit dem Britannia-Bild überdruckt wurde, war ebenfalls ausgespart. Im unteren Teil in der Mitte des Wasserzeichenbildes befand sich ein ca. 35 x 8 mm großes Rechteck, welches eine Buchstaben/Zahlen-Kombination enthielt, die Produktionswoche und –jahr des Papiers angab. Des Weiteren war neben dem eigentlichen Wasserzeichenbild ein großer Buchstabe ebenfalls in Form eines Wasserzeichens enthalten. Dieser Buchstabe befand sind im handgeschöpften Papierbogen (Nutzen) immer zwischen zwei Wasserzeichenbildern, einmal oben, einmal unten. Durch das Zertrennen der Bogen wurde dieser Buchstabe oftmals geteilt, sodass er dann auf dem einen Schein zum Beispiel rechts unten nur als Fragment, auf dem gegenüberliegenden Schein dann links unten fast ganz zu sehen war oder umgekehrt. Dieser Buchstabe war immer mit dem aus der oben genannten Buchstaben/Zahlen-Kombination identisch. Es handelte sich hierbei um ein Siebzeichen, das heißt, neben der Produktionswoche des jeweiligen Jahres konnte immer auch festgestellt werden, von welchem Sieb und damit von welchem Schöpfer der betreffende Papierbogen (Nutzen) stammte. Beispiel: F1134 im Rechteck und der große Buchstabe F seitlich des Wasserzeichens bedeuteten, dass das Papier von dem mit „F“ gekennzeichneten Schöpfsieb in der
11. Produktionswoche des Jahres 1934 hergestellt worden war.
Die neuen Banknoten wiesen zur Unterscheidung zu den bisherigen Ausgaben geänderte Farben auf. Der Stichtiefdruck war durch Buchdruck ersetzt worden.
Die Nachahmung der beiden kleinsten englischen Notenwerte, der „Bills“, aber war schwerer als ursprünglich angenommen, da sie zum einen auf einem Papier gedruckt waren, das sich hinsichtlich Flächengewicht (ca. 80 g/m²) und Beschaffenheit kaum von den Banknotenpapieren ausländischer Währungen unterschied. Neben einem durchgängigen, über den ganzen Schein verlaufenden Flächenwasserzeichen mit parallel verlaufenden Wellenlinien (ähnlich dem Wasserzeichen der großen Wertstufen) enthielten die Scheine zusätzlich als Wasserzeichen ein Kopfbildnis der behelmten Britannia.
Zum anderen waren diese Banknoten im hochwertigen Stichtiefdruck hergestellt, der – wenn überhaupt – nur mit großer Mühe zu imitieren war. Neuerliche Probleme kamen im April 1940 auf die Fälscher zu: Soeben hatte die Bank of England die sogenannten Kriegsausgaben der Nominale zu 10 Shilling und 1 Pfund in Umlauf gegeben, die sich in der Farbgebung von den bisherigen Emissionen unterschieden. Zwar hatten die Engländer diese Scheine nun im einfachen und zeitsparenden Buchdruck angefertigt, aber das Papier wies jetzt als Fälschungsschutz einen neuentwickelten, metallischen Sicherheitsfaden auf, der kaum nachzuahmen war. Die Engländer hatten Angst vor Fälschungen aus Deutschland, denn sie waren bereits im Februar 1940 davor gewarnt worden, dass sich die deutsche Regierung mit dem Plan befasste, Pfundnoten perfekt zu fälschen. Fernand Romano, ein England wohlgesinnter italienischer Jude und verlobt mit einer Engländerin, hatte die Meldung in Wien in Erfahrung gebracht und der britischen Botschaft in Paris mitgeteilt. Angeblich hatte ihm eine Redakteurin des Blattes Neue Wiener Zeitung, Viktoria Kunst-Gunther, eine Gegnerin der Nationalsozialsten, jedoch zur Tarnung Mitglied der NSDAP, die Mitteilung zugespielt in der Hoffnung, diese so über Romanos Kontakte den Engländern zur Kenntnis bringen zu können. Aus welcher Quelle diese angebliche Frau Kunst-Gunther die hochbrisante Information bezogen hatte, bleibt einmal mehr unbekannt. Die Richtigkeit dieser Geschichte voraussetzend, lässt sich jedoch vermuten, dass sich wohl im Amt VI des RSHA eine undichte Stelle befunden haben könnte. Die Nachricht wurde von der britischen Botschaft in Paris an das Schatzamt in London gemeldet, welches sie an die Bank of England weiterreichte und dort für helle Aufregung sorgte. Denn kurz zuvor waren einige neue und gefährlich gute Fälschungstypen der 1-Pfund-Note angehalten worden, die in dieser Qualität auf hervorragende Meister ihres Fachs schließen ließen und bereits zu diesem Zeitpunkt in der Londoner Threadneedle-Street den ungeheuerlichen Verdacht keimen ließen, dass bei diesen Falsifikaten eine staatliche Stelle die Hände mit im Spiel haben könnte. Eilends wurde daher die farblich veränderte Ausgabe der beiden gängigsten Wertstufen zu 10 Shilling und 1 Pfund vorbereitet. Zwar wiesen diese jetzt, wie erwähnt, nur noch Offsetdruck auf, dafür aber mit dem neuen metallischen Sicherheitsfaden einen ganz ausgezeichneten Fälschungsschutz. Allerdings hatte man zu keiner Zeit geplant, auch die „White notes“ von 5 Pfund an aufwärts mittels dieses Fadens sicherungstechnisch aufzurüsten. War man doch felsenfest davon überzeugt, dass diese Banknoten aufgrund ihres handgeschöpften Spezialpapiers mit seinem hochkomplizierten Wasserzeichen, den mehreren Dutzend geheimen, zum Teil auch im Druckbild versteckten Sicherheitsmerkmalen sowie des bestimmten Regeln folgenden und nur Eingeweihten geläufigen Nummernsystems so gut wie unfälschbar seien. Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich herausstellen sollte.
Innerhalb des Unternehmens „Andreas“ waren mit großer Wahrscheinlichkeit nur 5- und 10-Pfund-Noten gefälscht worden.
Naujocks stellte die im Frühjahr 1940 vollendeten ersten Druckversuche der kleinen Nennwerte sofort wieder ein, zumal der Nutzen im Verhältnis zum Aufwand der Herstellung viel zu gering gewesen wäre. Die wenigen angefertigten Falsifikate der 10 Shilling- bzw. 1-Pfund-Note waren sowohl hinsichtlich des Papiers als auch des Druckausfalls nur von mittelmäßiger Qualität und nicht zu verwenden, sie wurden vernichtet. Mit ein Grund für diesen Fehlschlag war sicherlich der dienstverpflichtete zivile Drucker August Petrick, ein Druckermeister, der in der Brunnenstraße 99 in Berlin-Friedrichshain (in der Nähe der Jannowitz-Brücke, die über die Spree führte) eine kleine Druckerei betrieb. Petrick war zwar ein erprobter, hochdekorierter Altnazi, in seinem Fach als Drucker aber ein absoluter Stümper. Derrick Byatt schreibt, dass es nach den Unterlagen der Bank von England ein Meistergraveur namens Gerhard Kreische gewesen sei, der angeblich die Platten für den Druck der Fälschungen der beiden kleinen Wertstufen angefertigt hatte. Es gab in Berlin zu dieser Zeit tatsächlich einen Künstler dieses Namens, und zwar einen Graphiker. Ob er mit dem erwähnten angeblichen Graveur identisch ist, war nicht nachzuprüfen. Auch die einschlägige Literatur nennt vielfach diesen Namen, der aber im weiteren Verlauf der Falschgeldaktion nie mehr auftaucht. Dies hat auch seinen guten Grund, denn ein Gerhard Kreische war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an der Fälscheraktion nie beteiligt gewesen. Die Platten wurden unter strengster Geheimhaltung in den Werkstätten der Reichsdruckerei angefertigt! Auch die Druckfarben waren unter der Hand von dort bezogen worden. Anscheinend wusste auch die Leitung der Reichsbank hierüber Bescheid. Die leitenden Herren hatten sich zwar mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, an einer solchen Aktion mitzumachen, waren aber schließlich dem Druck von Reinhard Heydrich nicht gewachsen gewesen, zumal die deutsche Notenbank zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Unabhängigkeit verloren hatte und unter ihrem Präsidenten Walther Funk, in Personalunion Wirtschaftsminister, voll und ganz in den Dienst der nationalsozialistischen Ziele gestellt worden war. Letzterer wusste ganz sicher Bescheid. So stimmte man letztlich zähneknirschend zu.
Nun aber ging es mit Hochdruck an die Realisierung der großen Noten ab 5 Pfund. Grundsätzlich hatte man zwar zunächst geplant, alle Wertstufen bis zum 100-Pfund-Schein zu fälschen. Dann aber entschloss man sich, nur die Werte zu 5 und 10 Pfund nachzuahmen. Man ging ja zu diesem Zeitpunkt nach wie vor davon aus, dass der Hauptzweck der Fälschungen darin bestehen sollte, in der Mehrzahl durch deutsche Flugzeuge über England abgeworfen zu werden. Da sich unter den englischen Normalbürgern von den „White Notes“ aber fast ausschließlich nur der 5- und der 10-Pfund-Schein in Verwendung befanden, hätten wertgrößere Stückelungen bei der Verausgabung Verdacht erregt. Damit wäre die Aktion, auch im Hinblick auf die sprichwörtliche Disziplin der englischen Bevölkerung, mit großer Wahrscheinlichkeit ins Leere gelaufen. Allerdings ist heute nicht mehr nachzuprüfen, ob nicht doch einige Exemplare größerer Wertstufen gedruckt worden sind, und sei es nur testhalber. Dass das Projekt unter der Einstufung als „Geheime Reichssache“ lief, der damals höchsten Geheimhaltungsstufe (vergleichbar mit der heutigen höchsten Verschlusssachenstufe „Streng geheim – Amtlich geheimgehalten“), machte die Sache für Naujocks und seine Leute nicht einfacher. Denn sie durften niemanden um Hilfe bitten oder einweihen, es sei denn, sie kamen anders absolut nicht weiter. Sie waren auf sich alleine gestellt und mussten damit beinahe alles selbst organisieren und managen. Die Fälschung englischer Banknoten hatte eine ganz andere Dimension, als die Nachahmung eines Führerscheins oder eines amtlichen Schreibens, wie man sie bisher produziert hatte. Aber Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich waren nicht kleinlich. Für das Projekt „Falsche Pfunde für den Endsieg“ stellten sie zwei Millionen Reichsmark bereit, für damalige Verhältnisse eine gewaltig große Summe.
Karlheinz Walz
Fortsetzung folgt …
Karlheinz Walz: Fälscher & Falschgeld,
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