Geldscheine für jüdische DPs nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland
- Michael H. Schöne
- vor 4 Stunden
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Diese Überschrift ist Jiddisch und lautet „Wer weys epes wegen dem?“ (Wer weiß etwas darüber?). Und im Hebräischen hieße die Frage „lemi yesh meda al zeh?“ (למי יש מידע על זה? = Wer hat Informationen hierzu?). Es gibt also Fragen über Fragen zu den Geldscheinen für jüdische Überlebende 1946/47 in Deutschland.
Die Anzahl der aus ihrer Heimat vertriebenen Menschen in Deutschland – abgesehen von den etwa 15 Millionen deutschen Vertriebenen – schätzten alliierte Behörden auf etwa acht Millionen Menschen für das Frühjahr 1945. Das waren ehemalige Häftlinge aus Konzentrationslagern, Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter, die bereits seit den letzten Wochen des Kriegs von den alliierten Truppen befreit wurden. Davon gelangten bis zum Herbst 1945 etwa sechs bis sieben Millionen zurück in ihre Heimatländer. Die etwa eine Million Verbliebenen mussten untergebracht und versorgt werden – darunter waren etwa 250.000 jüdische Menschen.
Für die Holocaust-Überlebenden wurden in den westlichen Besatzungszonen Auffanglager – sog. DP camps – von der Hilfsorganisation UNRRA und der Nachfolgerin IRO eingerichtet, in denen eigenes Lagergeld verwendet wurde. Bekannt sind die Ausgaben für die Lager in Feldafing (UNRRA Team 109) und in Deggendorf (UNRRA Team 55) in der US-amerikanischen Besatzungszone. UNRRA = United Nations Relief and Rehabilitation Administration.
Zu diesen beiden Ausgaben liegen wenige Informationen vor. Wir kennen weder die gedruckten Stückzahlen noch die ausführende Druckerei(en).




Einheitlich ist der englische Aufdruck der Vorderseiten „JEWISH COMMUNITY / TREASURY“; ausführlicher ist die Rückseite der Feldafinger Scheine „OFFICIAL / FELDAFING JEWISH COMMUNITY / CURRENCY“. Auffallend ist die ähnliche Gestaltung der Scheine und die gleichen jeweiligen Wertstufen in US-Dollar-Währung: 10, 25 und 50 Cents sowie 1, 5 und 10 Dollars. Für das Lager Deggendorf ist außerdem ein 5-Cents-Schein bekannt – auch einer mit einem Druckfehler auf der Rückseite. Bekannt sind lediglich die Abmessungen und das Aussehen der beiden Lagergeldausgaben.

Auch die genauen Umlaufzeiten sind teilweise unbekannt und sogar widersprüchlich. Zu den Deggendorfer Ausgaben gibt es nur eine Angabe: nach dem 5. November 1945 ausgegeben. In Feldafing liefen die Lagergeldscheine angeblich bis zum 31. Mai 1951 um; möglicherweise galten die Scheine auch noch nach der Übernahme des Lagers durch deutsche Behörden bis März 1953. Auf der Rückseite befindet sich der Passus „SERIES OF 1946“. Die Wertstufen lauten auf Cents und Dollars US-amerikanischer Währung. Wir wissen leider nicht, was man mit diesem Lagergeld kaufen konnte – wahrscheinlich Dinge des täglichen Bedarfs, vielleicht auch zusätzliche Lebensmittel und mit Sicherheit galten die Scheine auch für die Zahlungen in der Lagerkantine. Und wer erhielt das Lagergeld für welche Leistungen in welcher Höhe? Fragen über Fragen! Wer kann da bitte Auskunft geben?
Noch unbefriedigender ist die Unkenntnis über zwei andere Papiergeld-Ausgaben von 1947: die 50-er und 100-er für jüdische Displaced Persons (DPs) in Westdeutschland. Von beiden Nominalen sind bisher jeweils nur wenige Exemplare bekannt. In der Fachliteratur sind diese erwähnt, aber auf dem Sammlermarkt kaum vorkommend und in Museen nicht vorhanden.
A.J.D.C. – Central Committee
Die Hilfsorganisation „American Jewish Joint Distribution Committee“ (= Gemeinsames Amerikanisch-Jüdisches Verteilungskomitee, oft auf „Joint“ verkürzt) wurde 1914 in New York gegründet und unterstützt seitdem jüdische Menschen weltweit. Nur eine Wertstufe ist von dieser Ausgabestelle bekannt; die Wertzahl 50 deutet auf Units hin, wie sie auf anderen Lagergeldscheinen vorkommen. Der Aufdruck ist in Englisch und in Jiddisch und datiert vom November 1947. Es ist davon auszugehen, dass die Scheine nicht in den DP-Lagern umliefen, sondern in den AJDC-Warenhäusern als Zahlungsmittel verwendet wurden. Dann sollte es auch weitere Wertstufen gegeben haben. So kennen wir nur zwei Exemplare mit den Kontrollnummern i 304167 und No. 357355. Der letztere Schein wurde im Januar 2011 beim Kedem Auction House Ltd. Jerusalem für 750 US-Dollars versteigert. Auch der andere befindet sich in einer Privatsammlung.




Leider liegen fast keine Einzelheiten wie Druckzahlen, Druckerei oder Gültigkeitszeitraum zu dieser Ausgabe vor. Wir kennen nur die Abbildungen und die Maße der Papierscheine, die mindestens im Zweinutzendruck hergestellt wurden.
Das Central Committee der A.J.D.C. wurde am 7. September 1946 in München eingerichtet und organisierte u. a. die Auswanderung jüdischer Menschen nach Palästina. Auch verwaltete es die Finanzen der UNRRA und deren DP-Camps.
Employment Board for Jewish Displaced Persons U.S. Zone Germany
Der „Arbeitsvermittlung für jüdische DPs in der US-amerikanische Zone in Deutschland“ werden Scheine zu 1, 10, 50 und 100 Points zugeordnet; Pick/Rixen nennen noch einen Schein zu 500 Points. [1] Bildlich belegt sind nur zwei Exemplare der 100-Units-Scheine mit den Kontrollnummern i 812733 und i 812750. Der erstgenannte Schein wurde am
10. Dezember 2021 für 2.300 Euro in Borgholzhausen (141. Auktion, Teutoburger Münzauktion GmbH) versteigert. Beide Scheine tauchten vor über 40 Jahren in der Tschechoslowakei auf und wurden möglicherweise von einem ehemaligen jüdischen DP zurückgehalten und aufbewahrt. In seinem Artikel „Jewish Banknotes of Postwar Europe“ schrieb Dr. Samuel Halperin: „Die Scheine wurden als Bezahlung für die vom Joint und der Jewish Agency for Palestine unterstützten Arbeit verwendet. Die Initialen beider Organisationen sind auf Englisch und die Kurztitel ,Joint‛ und ,Sochnut‛ auf Jiddisch.“ [2]




Im selben Artikel wird auch eine dem Hunderter ähnliche Ausgabe aus der Serie vom Employment Board gezeigt. Diese 50-Points-Note hat die gleiche Gestaltung und die selben Abmessungen. Leider ist nur die Rückseite in schlechter s/w-Qualität abgebildet, so dass eine Kontrollnummer nicht belegt werden kann.

Der Druck der Scheine für das D. P. Center Bad Wörishofen erfolgte bei der ortsansässigen und traditionellen Fa. Hans Holzmann. Und der litauische Maler Antanas Rūkštelė gestaltete die Scheine für das UNRRA-Center Dillingen. Ob für die AJDC-Ausgaben ebenfalls die genannte Druckerei und der Designer infrage kommen ist denkbar, aber nicht gesichert.



Im erwähnten Artikel von Dr. Halperin werden weitere Geldscheine für jüdischen DPs genannt: 1, 5 und 10 Einheiten – jedoch für die Aktivitäten des AJCD in Österreich.
Der Aufdruck lautet „Works Program / Austrian Operations“ und weitere Angaben gibt es zur Farbgebung (schwarz, rot, grün) und zur Papiergröße (70 × 40 mm). Fellers[3] katalogisieren sie unter AS-1860 ff. Bekannt sind auch AJCD-Geldscheine für die Zwischenstation Zypern bei der Auswanderung jüdischer Menschen nach Palästina.
Bleibt zu hoffen, dass sich ein Sammler, ein Händler, ein Museum oder ein Verein meldet und die Frage „Wer weiß etwas darüber?“ beantworten kann – zu weiteren Wertstufen oder zu Abbildungen der beschriebenen Geldscheine oder zu bisher unbekannte Ausgaben oder zu Einzelheiten darüber oder zu ...!
Herzlichen Dank an Frau Dr. Tamar Lewinsky von der Stiftung Jüdisches Museum Berlin und an Frau Sophia Gal vom Besht Yeshiva Dresden (Zentrum für jüdisches Leben und Kultur) für die hilfreichen Übersetzungen.
Michael H. Schöne
Quellen:
[1] Albert Pick/Carl Siemsen „Das Lagergeld der Konzentrationslager und D.P.-Lager 1933–1947“, Regenstauf 1993
[2] Dr. Samuel Halperin „Jewish Banknotes of Postwar Europe“, in „The Shekel“ Nr. 4, New York 1972
[3] Ray Feller/Steven A. Feller „Silent Witnesses: Civilian Camp Money of World War II“, Port Clinton 2007
Frank Passic/Steven A. Feller „Displaced Persons Camp Money“ in „The Numismatist“, Colorado Springs 1984
Michael H. Schöne „Militär-, Kantinen- und Lagergeld-Ausgaben der Alliierten seit 1944 in Deutschland“, Pirna 2013
„The Knight“, Publikationen der Lithuanian Numismatic Association, Columbia 1979 ff.