top of page

Wie die Deutsche Notenbank den Banknotendruck für Syrien verhinderte

Aktualisiert: 7. März 2023

Die Konferenz von Bandung/Indonesien im April 1955 gilt als Gründungsereignis der Bewegung der "Blockfreien Staaten" und Ausgangspunkt der Dekolonisierungsbewegung.

In den darauffolgenden Jahren erlangten zahlreiche Staaten in Afrika und Asien ihre Unabhängigkeit.


Auch die DDR war bestrebt, diplomatische sowie Handelsbeziehungen mit den neu entstandenen Staaten aufzunehmen. Denn diese schufen als Zeichen staatlicher Souveränität ihre eigene Währung und gaben neue Geldscheine heraus. Vielleicht lag darin ein Ansatz für Handelsgeschäfte, hatte man doch in Leipzig den VEB Deutsche Wertpapierdruckerei (DWD) – hervorgegangenen aus der 1948 verstaatlichen Banknotendruckerei Giesecke & Devrient,

die vor dem Krieg Geldscheine für diverse Länder gedruckt hatte? Könnte man hier Exportaufträge an Land ziehen?


Am 29. Mai 1956 besuchte ein Vertreter der DWD die Deutsche Notenbank in Berlin und legte eine Aufstellung nebst Musterscheinen aus Leipziger Produktion vor; die DWD setzte schriftlich am 8. Juni 1956 nach: Man stehe in Verhandlungen mit dem (seit 1946 unabhängigen und der Bewegung der Blockfreien angehörigen) Staat Syrien über den Druck von Banknoten. Daher habe man Mustermappen mit Druck-Erzeugnissen aus Leipzig zusammengestellt, die man zugleich den Vertretern der Deutsche Buch Export- und Import in Leipzig[1] an die Hand geben wolle als Referenz für das drucktechnische Können der DWD. Die Deutsche Notenbank möge hierzu bitte ihr Einverständnis erteilen.


Dort schrillten die Alarmglocken. Denn nicht etwa Scheine der Deutschen Notenbank Serie 1948 aus Leipziger Produktion hatte die DWD als Musterstücke ausgewählt. Neben Banknoten zu 100 RM vom 11. Oktober 1924[2] sowie zu 50 RM vom 1.9.1925[3], Scheinen

zu 2 und 5 Valuta-Mark der Messeschecks zur Leipziger Frühjahrsmesse 1949, Gutscheine zu 10 Pfennig, 1 und 10 DM des "Internationalen Basars", Inlandreiseschecks der DDR und anderen Wertpapierdrucken wollte man – ausgerechnet – diverse Exemplare der von Giesecke & Devrient 1936 und 1938 für die Banco de España Filiale Burgos gedruckten Noten zu 5 bis 1000 Pesetas[4] der Mustermappe beifügen.


Bayerische Notenbank, BAY-24: Muster zu 100 RM vom 11. Oktober 1924, Vorder- und Rückseite. Abb. Battenberg Gietl Verlag.


Sächsische Bank zu Dresden, SAX-27: Muster zu 100 RM vom 11. Oktober 1924, Vorder- und Rückseite. Abb. Battenberg Gietl Verlag.


Bayerische Notenbank, BAY-25: Muster zu 50 RM vom 1. September 1925, Vorder- und Rückseite. Abb. Battenberg Gietl Verlag.


Deutsche Notenbank: Muster zu Messe-Scheck über 1 Valuta-Mark zur Frühjahrsmesse 1949, Vorder- und Rückseite. Abb. Henning Huschka.

Messeschecks in verschiedenen Nominalen waren in einem Gutscheinheft im Wert von insgesamt 100 Valuta-Mark zusammengefasst und dienten als Zahlungsmittel für westliche Messebesucher. Sie wurden an diese im Tausch gegen Devisen ausgegeben.


Banco de España Filiale Burgos, ESP-101a: Banknote zu 100 Pesetas vom 21. November 1936, Vorder- und Rückseite. Abb. Hans Worbes, www.worbes-verlag.de.



Dieses Vorhaben war aus verschieben Gründen überaus pikant: Zum einen waren die Scheine nunmehr fast 20 Jahre alt und weder drucktechnisch noch grafisch herausragend. Sie waren wie die 1956 umlaufenden Banknoten der DDR im Buchdruck hergestellt; die grafische Gestaltung der Ausgabe 1936 der Banco de Españia Filiale Burgos war auf der Vorderseite mit den umlaufenden Scheinen der Deutschen Notenbank vergleichbar.

Zudem waren die Scheine von Giesecke & Devrient produziert worden – und zwar für die Regierung von Francisco Franco während des Spanischen Bürgerkriegs von 1936 bis 1939, die ihren Sitz in Burgos hatte. Banknoten gedruckt für einen faschistischen Diktator als Referenzen für die Leistungen eines volkseigenen Betriebes!


Wie konnte man die DWD von diesem Vorhaben abbringen, ohne an höherer Stelle unangenehm aufzufallen? Direktor Johannes Weissflog von der Deutschen Notenbank wurde mit der Sache beauftragt, die Rechtsabteilung um Stellungnahme gebeten sowie die Falschgeldabteilung (Ag 45) hinzugezogen.


In einem internen Vermerk wies man zunächst darauf hin, dass die betreffenden Scheine aus Spanien nach dem Interpol-Referenzwerk „Contrefacons et Falsifications“[5] in Spanien noch im Umlauf seien. Das stimmte nur bedingt: Zwar waren die von der Banco de Españia Filiale Burgos ausgegeben Scheine nach dem Sieg Francos allein gesetzliche Zahlungsmittel in Spanien. Sie waren nicht eingezogen worden und damit noch gültig, jedoch Mitte der 1950er Jahre nicht mehr im Umlauf anzutreffen und durch andere Scheine mit Ausgabeort Madrid[6] ersetzt worden, die in der staatlichen Wertpapierdruckerei Fábrica Nacional de Moneda y Timbre gedruckt und von denen die höheren Werte im Stahlstich-Tiefdruck ausgeführt waren. Das konnte man in Ost-Berlin wahrscheinlich nicht wissen, dennoch war das Argument tauglich: Musterscheine aus anderen Staaten erhalte man nur auf vertraulicher Basis, man müsse diese sicher verwahren und dürfte sie ohne Genehmigung der herausgebenden Bank nicht weiterverwenden. Diese Genehmigung habe die Notenbank für die betreffenden spanischen Banknoten nicht und hätte sie angesichts der Umstände auch nicht erhalten können. Denn gedruckt wurden die Noten ja noch von Giesecke & Devrient, und die Notenbank hätte schon aus politischen Gründen kaum in Madrid um Erlaubnis zur Verwendung in der Mustermappe bitten können. Auch eine Anfrage bei Giesecke & Devrient in München kam nicht in Betracht, nachdem das Unternehmen 1948 verstaatlicht und in die DWD überführt worden war. Hier lag eine weitere Pikanterie des Falles: Unbekannt war auch, ob sich Giesecke & Devrient die Schutzrechte an den Scheinen gesichert hatte.

Einer Auseinandersetzung darüber wollte man in jedem Fall aus dem Weg gehen. Politisch verklausulierte man, dass die DWD nicht offiziell in den Besitz dieser Scheine gelangt sei – eine in der Sache durchaus zutreffende Feststellung.


Für die HO-Kaufberechtigungen des "Internationalen Basars", die noch in Gebrauch seien, sei man als Notenbank nicht verantwortlich und könne keine Entscheidung treffen. Gegen die Verwendung von außer Kurs gesetzten Reichsmarknoten habe man dagegen keine Bedenken.


Dabei konnten neben den spanischen Banknoten auch die anderen für die Mustermappe vorgesehenen Scheine nicht unbedingt als Erzeugnisse von Spitzenqualität gelten:

Die Messeschecks zur Leipziger Frühjahrsmesse 1949 waren in einfachem Offsetdruck hergestellt und grafisch wenig ansprechend. Die ausgewählten Scheine der deutschen Privatnotenbanken aus den Jahren 1924 und 1925 waren über 30 Jahre alt und konnten

auch mit viel gutem Willen im Ausland nicht mehr als Druck-Erzeugnisse von zeitgemäßer Ausführung durchgehen, insbesondere wenn man sie mit den Produkten englischer Wertpapierdruckereien wie Thomas de la Rue oder Bradbury Wilkinson & Co. aus der Mitte der 1950er Jahre vergleicht, mit denen man in Wettbewerb treten wollte.


Nachdem alle Argumente zusammengetragen und besprochen waren, antwortete die Deutsche Notenbank mit Schreiben vom 20. Juni 1956 direkt an das Ministerium der Finanzen. Dabei trug man in gesetzter Form die dargestellten Argumente vor. Auch wies man darauf hin, dass eine Werbung im Ausland mit Erzeugnissen des verstaatlichten Privatunternehmens Giesecke & Devrient dem nunmehr volkseigenen Betrieb DWD kaum gedient sei. Die Messe- und Basarschecks sowie die Inlandreiseschecks der DDR hielt man als Werbeerzeugnisse für ungeeignet. Jedenfalls insoweit hatte man wohl auch aufgrund des Umgangs mit ausländischen Zahlungsmitteln bei der Notenbank in Berlin eine realistische Einschätzung von der Qualität dessen, was die DWD anbieten konnte.


Schreiben des stellvertretenden Finanzministers der DDR vom 8. Dezember 1956 an die Präsidentin der Deutschen Notenbank. Abb. des Autors.



Doch diese ließ nicht locker und eskalierte den Konflikt. Im Dezember 1956 wandte sich der stellvertretende Finanzminister der DDR schriftlich an die Präsidentin der Deutschen Notenbank, Greta Kuckhoff[7], und drängte angesichts der politischen Bedeutung auf rasche Genehmigung. Nunmehr war (ohne nähere Beschreibung) auch von luxemburgischen Banknoten die Rede[8], die dieser Mustermappe beigefügt werden sollten. Dabei zeigte auch der stellvertretende Finanzminister ein erstaunliches Maß an Realismus, was die Beurteilung der Qualität der von der DWD für die Deutsche Notenbank produzierten Scheine betraf:

Mit den Banknoten der DDR könne keine Exportwerbung betrieben werden, weil bei diesen Noten nicht die besten Papiere und nicht der Qualitätsdruck verwendet wurde, der heute bei Banknoten gefordert sei. Deutlicher hätte man auch auf ministerieller Ebene kaum sagen können, auf welchem Niveau die DWD 1956 zu produzieren imstande war. Vom angestrebten „Weltstandard“ waren die Druck-Erzeugnisse der DWD weit entfernt. Doch politisch wollte man im Ausland Flagge zeigen. Die Präsidentin der Notenbank blieb trotz direkter Intervention des Finanzministeriums standhaft – eine Genehmigung wurde weiterhin versagt. Das Projekt Mustermappe verschwand schließlich in der Schublade.


Bei dem angestrebten Druckauftrag für Syrien ging DWD leer aus: Die Banknoten der Ausgabe 1958 der Syrischen Zentralbank wurden für die kleineren Wertstufen zu 1, 5 und 10 Pfund[9] von der Pakistanischen Staatsdruckerei und für die Werte 25, 50, 100 und 500 Pfund[10] von der niederländischen Wertpapierdruckerei Joh. Enschede & Zn. gedruckt.

Beide Druckereien lieferten grafisch ansprechende Scheine in zeitgemäßer Gestaltung und von hoher drucktechnischer Qualität.


Peoples Bank of Burma, BUR-54: Banknote zu 10 Kyats ohne Datum (1965), Vorder- und Rückseite. Abb. Sammlung Grabowski.



Einige Jahre später kam die DWD dann doch noch zum Zug, nämlich beim Druck der Scheine der Ausgabe 1965 von Burma[11]. Anfang des Jahres 1964 unternahm der Stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats der DDR, Bruno Leuschner, eine ausgedehnte Reise nach Südostasien, die ihn unter anderem auch nach Burma führte. Dort hatte die DDR schon 1961 ein Generalkonsulat eingerichtet. Es wurden politische Beziehungen zu der 1962 errichteten sozialistischen Regierung unter General Ne Win aufgebaut, die dann – vielleicht unabhängig von der Qualität der Druckleistung – zu einer Beauftragung der DWD führten. Da die Scheine Burmas allein im Inland zirkulierten und sich das Land zunehmend handelspolitisch isolierte, kam es auf einen Vergleich mit dem „Weltstandard“ nicht an. Ob Leuschner eine Mustermappe der DWD mit sich führte und welche Scheine sie enthielt – wer weiß?

Dr. Sven Gerhard


Anmerkungen [1] Der 1953 gegründete Außenhandelsbetrieb Deutscher Buch-Export und -Import war zuständig für den Export und Import von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, Kunstdrucken, Noten, Briefmarken, Kalendern, Schallplatten u. a. Er war dem Ministerium für Außenhandel und dem Ministerium für Kultur der DDR unterstellt. Quelle: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig.

[2] Es könnte sich um den Schein BAY-24 der Bayerischen Notenbank oder SAX-27 der Sächsischen Bank zu Dresden gehandelt haben.

[3] BAY-25 der Bayerische Notenbank.

[4] ESP-99, 100, 101, 110, 111, 112, 113, 114 und 115 (World Paper Money).

[5] Contrefaçons et falsifications: Revue internationale des marques caractéristiques de billets de banque et autres valeurs authentiques et de leurs falsifications – diverse Jahrgänge.

[6] ESP-116 ff.

[7] Greta Kuckhoff war von 1950 bis 1958 Präsidentin der Deutschen Notenbank. Im April 1958 trat sie von ihrem Amt zurück. [8] Giesecke & Devrient hatte diverse luxemburgische Banknoten hergestellt, zuletzt die Kassenscheine zu 1000 Franken mit Datum 1.9.1939 (LUX-40) sowie zu 10 Franken mit Datum 20.4.1940, die unter deutscher Besatzung ausgegeben wurden.

[9] SYR-86-88. [10] SYR-89-92.

[11] BUR-52-55.

bottom of page