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Die „Läden der Sehnsucht“ und die Jagd nach Devisen

Geschichte der Schecks der forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H.

Sicher, seit Überwindung der Nachkriegszeit musste in der DDR niemand mehr hungern.

Zwar wurde in den 1950er Jahren das Warenangebot in den HO- und Konsum-Geschäften breiter und vielfältiger,[1] Bekleidung, Fahrräder, Radios wurden billiger und 1958 wurde auch die Rationierung der Lebensmittel beendet, jedoch konnte die DDR bei der Befriedigung weitergehender Konsum-Bedürfnisse ihrer Bürger mit der Bundesrepublik nicht Schritt halten.


„Es gab alles – nur nicht immer, nicht überall und schon gar nicht, wenn man es brauchte.

Mit Selbstversorgung, Schlangestehen, ‚Bückware‘[2] und Erfindungen mussten sich die Menschen in der DDR 40 Jahre lang mit der Mangelwirtschaft arrangieren. Deshalb galt als Lebensregel: Immer erst anstellen, dann fragen, was es gibt.“[3]


Doch es gab auch Glücksmomente, wenn nach 15 Jahren Wartezeit für sage und schreibe 14.000 (Ost)Mark – also etwa 2 Jahresgehälter – endlich der langersehnte Trabant abgeholt werden konnte. Überhaupt mussten die DDR-Bürger bei hochwertigen Konsumgütern wie Fernsehern, Waschmaschinen oder Kühlschränken extrem lange Wartezeiten und hohe Preise in Kauf nehmen. Wer Westgeld besaß, konnte in den „Läden der Sehnsucht“ – sprich in den Intershops – fast alles kaufen und ersparte sich auch noch das Schlangestehen und die Rennerei.


Da die DDR-Mark eine reine Binnenwährung war, mussten alle Waren, die im westlichen Ausland nicht über Tausch von Gütern oder Know-how erworben werden konnten, in frei konvertierbarer, „harter“ Währung bezahlt werden. Ein Teil der dringend benötigten Devisen sollte bei Besuchern und Transitreisenden aus dem westlichen Ausland abgeschöpft werden. Auf Weisung des Ministers für Verkehrswesen unterzeichneten am 14. Dezember 1962 Vertreter der „MITROPA“[4] und der „Deutschen Genußmittel GmbH“ den Vertrag zur Gründung der „Intershop GmbH“.


Ihre erste Verkaufsstelle wurde auf einem S-Bahnsteig in Berlin-Friedrichstraße eingerichtet. Er war nur für Transitreisende zugänglich. Hier wurden gegen konvertierbare Devisen vorwiegend Zigaretten und Tabakwaren angeboten. Dabei lagen die Preise leicht unter denen in West-Berlin. Der daraufhin einsetzende „Zigarettenschmuggel“ rief natürlich den West-Berliner Zoll auf den Plan. Schon bald wurden Intershop-Verkaufsstellen an Autobahnraststätten, Grenzübergangsstellen und Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen und Flugplätzen eingerichtet. In den 1980er Jahren waren es mehrere hundert auf dem gesamten Gebiet der DDR. Auch das Sortiment wurde sukzessive ausgeweitet. Neben den Zigaretten und Tabakwaren traten Nahrungsmittel, Alkoholika, Kleidung, Spielwaren, Schmuck, Kosmetika, technische Geräte, Tonträger und andere Konsumgüter.


Abb. 1: Hinweis auf Intershop-Verkaufsstelle.


Ab 1974 erhielten auch DDR-Bürger Zugang zu den Intershop-Läden, vorausgesetzt sie verfügten über Westgeld. Seit Dezember 1973 erlaubte das Devisengesetz den DDR-Bürgern auch frei konvertierbare Valuta zu besitzen.







Von nun an gab es quasi offiziell zwei Währungen im Land: Die DDR-Mark für die Masse der Bevölkerung und die D-Mark für die Privilegierten, z. B., weil man von den Verwandten im Westen D-Mark geschenkt bekam. Der Unmut in der DDR-Bevölkerung wuchs. In den Akten der Staatssicherheit finden sich zahlreiche Stimmungsbericht mit dem Tenor: „Früher galten Bürger mit Westverwandtschaft als verpönt, heute gelten sie als gute Bürger, weil sie dem Staat Devisen bringen.“[5] Auch die Verkäuferinnen, die in den Intershops arbeiteten, waren privilegiert; sie erhielten neben ihrem normalen Verdienst in DDR-Mark durchschnittlich monatlich 30 DM ausgezahlt.


Alexander Schalck-Golodkowski war Leiter des geheimen Bereichs für Kommerzielle Koordinierung (KoKo) im Ministerium für Außenhandel und maßgeblich für die Beschaffung von Devisen zuständig. Unter seiner Regie erhielten die Intershop-Läden am 1. Januar 1977 eine neue Organisationsform, fast unbemerkt wurden sie zur „forum Handelsgenossenschaft“.


Die „Aktuelle Kamera“ – Nachrichtensendung des Deutschen Fernsehfunks, vergleichbar mit der Tagesschau im Westen – verkündete am 16. April 1979: „Das Ministerium für Außenhandel der Deutschen Demokratischen Republik teilt mit, dass der Verkauf von Waren in den Einrichtungen des Außenhandels (Intertank, Genex, Intershop) an Bürger der DDR nur mit Scheck der Forum Außenhandelsgesellschaft mbH erfolgt. Die Mark-Wertschecks der Forum-Außenhandelsgesellschaft mbH können ab sofort mit der Einzahlung frei konvertierbarer Währungen bei Bankinstituten der DDR erworben werden.“[6]


Um Waren des täglichen Bedarfs aus begehrten westdeutschen Produktionen wie Strumpfhosen, Originaljeans, Kaffee oder Legospielzeug in den 400 übers Land verteilten Intershops zu kaufen, mussten fortan Forum-Schecks bei Banken kostenfrei erworben werden: 1 DM = 1 Mark in Forumsscheck. Ihr Verkauf erfolgte „beleglos“, d. h. der Minister für Staatssicherheit verzichtete freiwillig auf die offizielle Überwachung von Devisenbesitz. Kunden aus dem nicht-sozialistischem Ausland konnten ihre Einkäufe auch weiterhin direkt mit Devisen im Laden bezahlen.

Zur Ausgabe gelangten Schecks zu 50 Pfennig, 1, 5, 10, 50, 100 und 500 Mark. Sie sind einheitlich gestaltet und unterscheiden sich nur in der vorherrschenden Farbe und Größe. Gedruckt wurden die Scheine auf Papier mit Wasserzeichen, das ein geometrisches Muster zeigt. Der sechsstelligen Kontrollnummer sind zwei Serienbuchstaben vorangestellt.

Die Serienbuchstaben ZA bzw. ZB wurden bei Austauschscheinen verwendet.


Schecks der Forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H.



Abb. 2.1/2: forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H., 1979, 50 Pfennig, Vorder- und Rückseite.


Abb. 3.1/2: forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H., 1979, 1 Mark, Vorder- und Rückseite.


Abb. 4.1/2: forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H., 1979, 5 Mark, Vorder- und Rückseite.


Abb. 5.1/2: forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H., 1979, 10 Mark, Vorder- und Rückseite.


Abb. 6.1/2: forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H., 1979, 50 Mark, Vorder- und Rückseite.


Abb. 7.1/2: forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H., 1979, 100 Mark, Vorder- und Rückseite.


Abb. 8.1/2: forum Außenhandelsgesellschaft m.b.H., 1979, 500 Mark, Vorder- und Rückseite.


Die Forumschecks wurden bei Einkäufen wie Bargeld benutzt und es gab auch entsprechendes Wechselgeld zurück. Problematisch wurde es bei Intertank und Intershop, wenn Wechselgeld unter 50 Pfennig fällig wurde, dann gab es statt des Rückgelds kleine Schokoladentafeln, Gummibärchen oder Kaugummi auf die Hand.


Bei der Jagd nach Devisen wurden alle ideologischen Bedenken über Bord geworfen.

Für Westgeld gab es im Intershop alles; selbst Tiefkühlkost wurde aus West-Berlin geliefert. Zuletzt sorgten 700 Lieferanten aus dem „Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ für Nachschub in den Läden. „Die Umsätze der Handelskette waren enorm: Bereits in den 1970er Jahren wurden jährlich über eine Milliarde Mark umgesetzt. … Um die Bevölkerung ohne Zugang zu Valuta nicht zu verärgern, verzichteten die Intershops .. auf Schaufenster. Ebenso herrschte in den Verkaufsläden absolutes Fotografierverbot wie in militärischen Sicherheitsbereichen üblich.“[7]


Mit dem Fall der Mauer und dem Ende der DDR kam auch das Aus für die Forumschecks und Intershops sowie dem Genex-Geschenkdienst. In der Zeit vom 10. November 1989 bis 31. Mai 1990 konnten die Forumschecks gebührenfrei in den DDR-Wechselstellen der Staatsbank der DDR sowie der Kreditbank AG in DM zurückgetauscht werden. Bei Zahlung in den Intershops waren sie noch bis zum 30. Juni 1990 gültig.


Bleibt noch anzumerken: Ab den 1960er-Jahren führten steigende Löhne bei gleichbleibenden, weil subventionierten Preisen für Miete, Grundnahrungsmittel und einfachen Konsumgütern bei vielen Haushalten zu erheblichen frei verfügbaren Geldmitteln, denen aber nur wenige kaufbare hochwertige Waren gegenüber standen. Um diese Kaufkraft abzuschöpfen, entstanden bereits 1962 auf Beschluss des Ministerrates der DDR Exquisit-Läden, in denen exklusive Bekleidungsartikel, Schuhe und Kosmetika zu überteuerten Preisen verkauft wurden. 1966 erweiterten die Delikat-Läden das Angebot an hochwertigen Lebens- und Genussmitteln. Im Sortiment fand man hier vieles, was sonst nicht zu erhalten war: Konserven mit Ananas, Pfirsichen oder Mandarinen, hochwertige Alkoholika aus westlicher und heimischer Produktion, edle Schokoladen oder seltene Fleisch- und Wursterzeugnisse in Dosen. Auch hier waren die Preise deutlich über dem gängigen Preisniveau.

Uwe Bronnert


Anmerkungen [1] Die 1945 gegründete Konsumgenossenschaft Konsum und die 1948 gegründete staatliche Handelsorganisation HO deckten ca. 77 Prozent des gesamten Einzelhandels- und Gaststättenumsatzes in der DDR ab.

[2] Als Bückware bezeichnete man Dinge, die es in der DDR-Mangelwirtschaft nicht ausreichend gab, die man deshalb nur „unter dem Ladentisch“ bekam. (Anm. d. Verf.) [3] Einkaufen, tauschen, besorgen erfinden. <https://www.mdr.de/geschichte/eure-geschichte/themen/alltag-nischenkultur/einkaufen/einkaufen110.html> (12.03.2023)

[4] Die MITROPA (Mitteleuropäische Schlafwagen- und Speisewagen-Aktien-Gesellschaft) wurde 1916 unter Beteiligung verschiedener Banken und Eisenbahngesellschaften der damaligen Mittelmächte gegründet. In den 1920er Jahren ging das Unternehmen fast vollständig auf die Deutsche Reichsbahn über. Nach 1945 wurde die MITROPA zwischen Ost und West aufgeteilt. In der Bundesrepublik gründete die Deutsche Bundesbahn (DB) als Nachfolgefirma die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft (DSG) während in der DDR die Deutsche Reichsbahn (DR) die MITROPA weiterführte und das Tätigkeitsfeld auf den Betrieb der Bahnhofsgaststätten und Autobahnraststätten ausweitete.

[5] Die Intershop GmbH: Zahlen mit den Forumschecks. <https://www.mdr.de/geschichte/ddr/wirtschaft/intershop-devisen-dmark-100.html> (12.03.2023)

[6] Zitiert nach: SWR2 Zeitwort – In der DDR wird der Besitz von Devisen verboten. <https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/1641979-in-der-ddr-wird-der-besitz-von-devisen-verboten-100.html> (12.03.2023)

[7] Läden und Kaufhäuser in der DDR. Die Intershop-Handelskette, <https://www.ddr-museum.de/de/blog/archive/laeden-und-kaufhaeuser-der-ddr-intershop> (12.03.2023)

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