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Die Rendsburger Festmarkscheine von 1923

Aktualisiert: 1. Juni 2023

Als in der Hyperinflation vor 100 Jahren die deutsche Markwährung zusammenbrach, wurden spezielle Finanzinstitute gegründet, die kreative Lösungen zur Schaffung von wertbeständigem Notgeld anboten. Ein Beispiel hierfür war die Deutsche Festmarkbank GmbH in Berlin. Die Festmarkbank emittierte 1923 in größeren Stückzahlen als wertbeständiges Notgeld Gutscheine auf Dollarbasis (Festmarkscheine) – in Fachkreisen auch Goldwechselscheine genannt. Auch der Landkreis Rendsburg emittierte im Oktober 1923 in der Währungseinheit „Festmark“ Gutschriftscheine seiner Goldkasse.


Dr. Rudolf Wilhelmy berichtet 1962 in seiner Doktorarbeit: „Interessant ist die Entstehungsgeschichte der Festmarkscheine über 1 und 5 Festmark des Kreises Rendsburg vom 25. Oktober 1923. Das Hamburger Exporthaus Schlubach, Thiemer & Co., das schon zeitig in der Inflation in Anknüpfung an die alte Hamburger Bankomark-Tradition einen „Mark-Banco“-Verkehr eingerichtet hatte, verfügte zwar laufend über Devisen, konnte dafür aber Goldanleihestücke und Hamburger wertbeständiges Notgeld nicht immer in genügender Menge erhalten. Zur Zahlung der Löhne und Gehälter und der hohen Frachtrechnungen war man daher auf größere Papiermark-Beträge angewiesen. Papiermark wurde aber mit fortschreitender Entwertung wegen der Verzögerung beim Druck neuer, höherwertiger Noten immer knapper.


Man fand einen Ausweg: Dr. Roderich Schlubach, der Inhaber des Exporthauses, war befreundet mit dem Landrat des Kreises Rendsburg, Theodor Steltzer, der mit Sorge die Annahmeverweigerung der Papiermark durch die Bauern seines überwiegend landwirtschaftlich geprägten Kreises verfolgte. Zur Behebung der beiderseitigen Nöte wurde beim Kreisausschuss eine Goldmarkkasse errichtet. Hier gaben Unternehmer und Bauern ihre nicht sofort benötigten Papiermarkbeträge gegen Goldmarkgutschrift zum Dollarkurs des folgenden Tages ab. Bis zum nächsten Tag wurden die Papiermarkbeträge zu Schlubach, Thiemer & Co. nach Hamburg gebracht und mit der Goldmarkkasse zum Tageskurs gutgeschrieben. Von allen Seiten wurde spesenfrei gearbeitet; nur das Hamburger Exporthaus hatte einen geringen Zins an die Goldmarkkasse zu entrichten.


Anfangs verfügten die Einleger in Rendsburg nur auf dem Giroweg über ihre Kontoguthaben. Als aber der Ruf nach wertbeständigen Zahlungsmitteln immer lauter wurde, ließ die Goldmarkkasse am 25.Oktober wertbeständiges Notgeld drucken, das sie den Guthabeninhabern in Höhe ihrer Salden am 25.10.1923 aushändigte. Diese verwendeten es auf Ersuchen der Gewerkschaften zu Lohnzahlungen, womit es Eingang in den allgemeinen Zahlungsverkehr fand. Bald stellte sich ein Mangel heraus: es fehlte das Kleingeld zu den Scheinen über 1 und 5 Festmark (1 Festmark war gleich 1 Goldmark: 4,2 Goldmark = 1 Dollar).


Daraufhin gaben mehrere Industriebetriebe und Händler „Gutscheine zum wertbeständigen Kreisgeld“ in verschiedenen Wertstufen zwischen 1 und 50 (Gold)-Pfennigen heraus.

Aus Rendsburg und Büdelsdorf sind insgesamt zehn solcher Kleingeldausgaben bekannt, darunter von der Aktiengesellschaft der Holler'schen Carlshütte bei Rendsburg und von zwei Konsumvereinen. Insgesamt ist unter Bürgschaft des Kreises für rund 500.000 Goldmark wertbeständiges Kreisgeld ausgegeben worden; es war vom Regierungspräsidenten, nicht aber vom Reichsminister der Finanzen genehmigt.“


Gutschriftschein Nummer 209541 der Goldmarkkasse des Kreises Rendsburg über eine Festmark (Goldmark), ausgestellt am 25. Oktober 1923 durch den Kreisausschuss Kreis Rendsburg.



Die Konditionen der Gutschriftscheine werden vorderseitig wie folgt beschrieben:

„Über die Festmarkkonten der Goldmarkkasse kann mit täglicher Kündigung verfügt werden. Die Festmarkkonten sind durch kurzfristig realisierbare Sicherheiten gedeckt, außerdem haftet für sie der Kreis Rendsburg. Die Goldmarkkasse des Kreises Rendsburg schreibt dem Einlieferer dieses Gutschriftscheines (1 Goldmark) auf Festmarkkonto gut. Dieser Gutschein erlischt 30 Tage nach öffentlicher Aufrufung. Eine Festmark ist die im Münzgesetz vom 1.6.1909 festgesetzte Mark deutschen Reichsgoldgeldes. Diese Festmark „Deutsche Goldmark“ entspricht dem Verhältnis 1 Golddollar nordamerikanischer Währung: 4.20 = 1 Festmark.“

Hans-Georg Glasemann


Bildquelle: Dank an Privat

Literaturhinweis: Wilhelmy, Rudolf; Geschichte des deutschen wertbeständigen Notgeldes von 1923/1924, Dissertation, Berlin, 1962.


Literaturempfehlung:


Manfred Müller:

Deutsches Notgeld, Band 12: Das wertbeständige Notgeld der deutschen Inflation 1923/1924


Titel: Gietl Verlag

ISBN: 978-3-86646-519-0

Auflage: 1. Auflage 2011

Format: 14,8 x 21 cm

Abbildungen: zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen

Cover-Typ: Broschur

Seitenanzahl: 608

Preis: 39,90 Euro





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