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Ein unedierter Gutschein aus Sinzig am Rhein

An dieser Stelle möchte ich einen bislang unbekannten Gutschein aus Sinzig vorstellen. Dieser Schein hat aus meiner Sicht eine interessante Geschichte zu erzählen.



Vor etwa 30 Jahren habe ich diesen Gutschein in den USA erworben und seitdem in meiner Sammlung aufbewahrt. Jetzt, bei einer erneuten Sichtung, habe ich ihn „wiederentdeckt“.

Dabei stellten sich mir einige Fragen wie: Was war der "Rheinische Hof", wann wurde der Schein ausgegeben und warum? In keinem der bekannten Notgeldkataloge ist dieser Schein aufgeführt. Meine Neugier war geweckt und so begannen meine Nachforschungen.


Der Gutschein hat das Format 47 x 40 mm und ist einseitig auf grau-beigem Kartonpapier gedruckt. Datum, KN, Wasserzeichen, Unterschrift oder Stempel fehlen. Der Wert beträgt 20 Pfennig. Als Herausgeber ist der „Rheinische Hof Sinzig“ angegeben.


Sinzig ist eine Stadt mit heute rund 17.500 Einwohnern am Mittelrhein im Landkreis Ahrweiler im Bundesland Rheinland-Pfalz.

Der Rheinische Hof war ein gut geführtes Hotel mit Restaurant im Stadtzentrum von Sinzig. Die heutige Adresse soll Mühlenbachstraße 44 gewesen sein. Die Straße wurde im Laufe der Zeit mehrfach umbenannt. Das Hotel-Restaurant bestand bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg und wurde bis zu seiner Schließung und dem Abriss in den 1960er Jahren mehrfach verkauft und umgebaut. Von 1927 bis Ende 1928 verfügte es sogar über einen eigenen Kinosaal mit 200 Plätzen.


Postkarte Hotel Rheinischer Hof aus den 1950er Jahren.


Zunächst wurde vermutet, dass der Gutschein als Wechselgeld für den Kinobesuch gedient haben könnte. Im Jahr 1927 war jedoch allgemein genügend Münzgeld vorhanden, so dass die Ausgabe von Gutscheinen überflüssig wurde.


Weitere Recherchen ergaben, dass nach dem Ende des Ersten Weltkrieges im Rahmen der alliierten Rheinlandbesetzung US-amerikanische Truppenteile im Kreis Ahrweiler untergebracht waren. In Sinzig hatte Brigadegeneral Douglas MacArthur als Kommandeur der 84th Infantry Brigade sein Hauptquartier aufgeschlagen. MacArthur, der hochdekorierte General beider Weltkriege.[1]


Den damals 3.500 Einwohnern von Sinzig standen ca. 2.700 US-amerikanische Militärangehörige gegenüber, die in der Stadt einquartiert waren. Die Soldaten blieben bis zu ihrer Rückkehr in die USA Ende 1919/Anfang 1920 in Sinzig und versorgten u.a. ca. 30-40.000 Pferde und Maultiere, die auf der „Goldenen Meile“ standen. Als „Goldene Meile“ wird allgemein die fruchtbare Rheinebene zwischen Remagen und Bad Breisig bezeichnet. Traurige Berühmtheit erlangte die „Goldene Meile“ nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Kriegsgefangenenlager für bis zu 290.000 deutsche Kriegsgefangene.


Die Unterbringung so vieler Militärangehöriger muss die Stadt Sinzig vor zahlreiche Probleme gestellt haben. Zwar wurde in den Jahren 1917 bis 1919 von der Stadt geprägtes Notgeld ausgegeben, aber es ist anzunehmen, dass dies nicht immer ausreichte, um den Bedarf zu decken. Auch die US-Soldaten gingen aus, besuchten Gaststätten und konsumierten. Vermutlich hat der damalige Pächter des Rheinischen Hofes der Kleingeldknappheit durch die Ausgabe von Gutscheinen entgegengewirkt. Immerhin stand auf den Scheinen ein Einlöseversprechen.

Es ist denkbar, dass einer der US-amerikanischen Gäste des Restaurants den Gutschein mit in die Heimat nahm und dort aufbewahrte. Seine Erben verkauften ihn dann später.


Aus meiner Sicht kann die Ausgabe des Gutscheins daher für das Jahr 1919 angenommen werden. Es handelt sich um das einzige bisher bekannte Exemplar. Weitere gedruckte Gutscheine der Stadt Sinzig oder des Handels und Gewerbes aus der Zeit von 1918 bis 1920 sind nicht bekannt.


Thomas van Eck


Anmerkungen:

Meinen Dank gilt dem Heimatmuseum in Sinzig für die freundliche Unterstützung bei der Recherche.

[1] An dieser Stelle sei auf den lesenswerten Vortrag „Herta Heuser und der General - ein Hauch von Weltgeschichte in Sinzig“ verwiesen (www.museum-sinzig.de/2019-02-ein-amerikaner-in-sinzig.html).

[2] Vgl. Wikipedia „Goldene Meile“ und „Goldene Meile (Kriegsgefangenenlager)“.

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