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Leserpost: Flohmarktfund mit Proben von Notgeldscheinen aus Schlesien

Sehr geehrter Herr Grabowski, können Sie mir bitte bei einem Flohmarktfund helfen?

Die Scheine, von denen ich Kopien beigefügt habe, sind in der mir zur Verfügung stehenden Literatur nicht beschrieben, anders beschrieben und ohne Preisbewertungen.

Werden solche Probedrucke überhaupt gesammelt? Das Wort "PROBE" auf den Originalscheinen ist durchstochen.

K. H. Wiechmann


Antwort der Redaktion:

Bei den von Ihnen auf einem Flohmarkt gefundenen Stücken handelt es sich um Musterscheine deutscher Notgeldscheine aus Schlesien. Muster und Druckproben hat es praktisch zu allen Ausgaben von Banknoten sowie Kassen- und Notgeldscheinen gegeben. Nur wenige dieser Stücke sind jedoch erhalten geblieben, weshalb sie in Katalogen nur aufgeführt werden, wenn am Markt verfügbar. Manchmal kommen Muster sogar häufiger vor als gelaufene Exemplare, das ist jedoch die Ausnahme.

Schauen wir uns Ihre Scheine genauer an:


Breslau, Meyer Kauffmann Textilwerke A.-G.

Die Firma wurde 1909 im niederschlesischen Wüstegiersdorf bei Breslau gegründet.

Bei Ihren Scheinen handelt es sich um Muster zur Ausgabe von sog. Großnotgeld Ende 1918, als viele Städte und Gemeinden im Deutschen Reich vor und nach dem Waffenstillstand und der Novemberrevolution Notgeld ausgegeben haben. Einlösbar waren die Gutscheine, die es in Nennwerten zu 5, 10 und 20 Mark mit Datum vom 15. November 1918 (einlösbar bis 31. Januar 1919) gab, an den Kassen der Firma in Tannhausen, Wüstegiersdorf, Beerberg und Rengersdorf.

Im Geschäftsbericht für das Jahr 1918 wurde einleitend an 70 Angestellte und Arbeiter aus den Reihen der Werksangehörigen erinnert, die im Weltkrieg gefallen sind. Auf der Passiva-Seite wurde ein Betrag in Höhe von 68.060 Mark für ausgegebenes Notgeld aufgeführt.


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Breslau, Meyer Kauffmann Textilwerke A.-G.: 5 Mark vom 15.11.1918, ohne Prägestempel,

mit Perforation "PROBE" und KN "0000", Vorder- und Rückseite. Ohne Druckvermerk.


Anton Geiger führt in seinem Katalog "Das deutsche Großnotgeld 1918 - 1921" unter 069 nicht nur die Scheine der Textilwerke auf, sondern auch verschiedene Proben. Danach gibt es Proben mit Perforation und KN 0000, die aber anstelle eine Prägestempels auf der Vorderseite rechts unten das gedruckte Wort "Prägestempel" haben müssten.

Die abgebildete Probe zeigt diesen Aufdruck aber nicht. Es handelt sich also um eine bislang nicht katalogisierte Ausführung eines Probedrucks!


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Breslau, Meyer Kauffmann Textilwerke A.-G.: 5 Mark vom 15.11.1918, mit Prägestempel,

mit Perforation "PROBE", ohne KN, Vorder- und Rückseite. Mit Druckvermerk "Druck von Wilh. Gottl. Korn in Breslau".


Der abgebildete Schein, vorausgesetzt er verfügt über einen Prägestempel (auf der Abbildung kaum zu erkennen) ist als 069.01P2 zu bestimmen. Fehlt der Prägestempel, dann handelt es sich ebenfalls um eine bislang unbekannte Probe.


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Breslau, Meyer Kauffmann Textilwerke A.-G.: 10 Mark vom 15.11.1918, ohne Prägestempel,

mit Perforation "PROBE" und KN "0000", Vorder- und Rückseite. Ohne Druckvermerk.


Wie bei der Probe zu 5 Mark mit KN 0000, ohne Prägestempel und mit Perforation.


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Breslau, Meyer Kauffmann Textilwerke A.-G.: 10 Mark vom 15.11.1918, mit Prägestempel,

mit Perforation "PROBE" , ohne KN, Vorder- und Rückseite.

Mit Druckvermerk "Druck von Wilh. Gottl. Korn in Breslau".


Die Probe entspricht 069.02P2, da hier der Prägestempel deutlich erkennbar ist.


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Breslau, Meyer Kauffmann Textilwerke A.-G.: 20 Mark vom 15.11.1918, ohne Prägestempel,

mit Perforation "PROBE" und KN "0000", Vorder- und Rückseite. Ohne Druckvermerk.


Wie bei den Proben zu 5 und 10 Mark mit KN 0000, ohne Prägestempel und mit Perforation.


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Breslau, Meyer Kauffmann Textilwerke A.-G.: 20 Mark vom 15.11.1918, mit Prägestempel,

mit Perforation "PROBE" , ohne KN, Vorder- und Rückseite.

Mit Druckvermerk "Druck von Wilh. Gottl. Korn in Breslau".


Die Probe entspricht 069.03P2, da hier der Prägestempel deutlich erkennbar ist.



Klettendorf bei Breslau, vom Rath, Schoeller & Skene G.m.b.H.

Die Firma wurde 1839 als Zuckerfabrik in Klettendorf bei Breslau erbaut. Im Jahr 1910 wurden hier rund 100.000 t Zuckerrüben verarbeitet (1.450 t täglich). 1922 wurde aus der GmbH eine Aktiengesellschaft. Bei der Umstellung des Kapitals nach der Inflation und Einführung der Reichsmark wurde das 1925 nach einem Umstellungssatz 1000 Mark = 200 Reichsmark mit 15 Millionen RM angegeben.

Die Firma ließ Großnotgeldscheine über 1, 5 und 20 Mark mit Datum vom 20. Oktober 1918 (Gültigkeit bis 31. Januar 1919) herstellen. Die 1-Mark-Scheine wurden nicht mehr ausgegeben.


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Klettendorf bei Breslau, vom Rath, Schoeller & Skene G.m.b.H.: 20 Mark vom 20.10.1918,

mit Prägestempel, niedrige Kontrollnummer, mit Stempel "Muster ohne Wert",

Vorder- und Rückseite. Ohne Druckvermerk.


Anton Geiger führt in seinem Katalog zum deutschen Großnotgeld keine Proben und Muster unter 277 bei den Ausgaben dieser Firma auf.



Neustadt O.S., Magistrat der Stadt

Die Stadt Neustadt (heute Prudnik) in Oberschlesien liegt südlich von Oppeln. Mit Datierungen vom Januar 1917 bis August 1920 gab sie verschiedene sog. Kleingeldscheine (amtliche Verkehrsausgaben) in Pfennig-Beträgen aus.


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Neustadt O.S., Magistrat der Stadt: 10 Pfennig ohne Datum (gültig bis 31.12.1919),

mit Kontrollnummer und Perforation "PROBE".

Mit Druckvermerk "Druck von Wilh. Gottl. Korn in Breslau".


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Neustadt O.S., Magistrat der Stadt: 10 Pfennig ohne Datum (gültig bis 31.12.1919),

ohne Kontrollnummer, mit Perforation "PROBE".

Mit Druckvermerk "Druck von Wilh. Gottl. Korn in Breslau".


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Neustadt O.S., Magistrat der Stadt: 50 Pfennig ohne Datum (gültig bis 31.12.1919),

ohne Kontrollnummer, mit Perforation "PROBE".

Mit Druckvermerk "Druck von Wilh. Gottl. Korn in Breslau".


Ich habe in meinem Katalog "Deutsche Kleingeldscheine: Amtliche Verkehrsausgaben 1916 - 1922" kaum Proben und Muster aufgenommen. Die Ausgabe selbst ist hier unter N30.2 zu finden. Reinhard Tieste führt in seinem Katalog "Kleingeldersatz aus Papier "Verkehrsausgaben" 1915 - 1922" diese Ausgabe unter 4960.05/06 auf. Auch er erwähnt keine Proben.


Ihre Proben sind für Notgeldsammler, insbesondere für Regionalsammler mit dem Schwerpunkt Schlesien, von Interesse. Da es sich bei den Scheinen der Zuckerfabrik und von Neustadt O.S. um Proben der selben Druckerei handelt, könnten die Proben evtl. aus einem Nachlass mit Bezug zu dieser ehemaligen Druckerei in Breslau handeln.

Bei Verkaufsinteresse wird ein Verkauf über ein einschlägiges Auktionshaus wird empfohlen.


Hans-Ludwig Besler (Grabowski)


Literaturempfehlungen


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Anton Geiger

Deutsches Notgeld, Band 3:

Das deutsche Großnotgeld 1918 – 1921


Titel: Gietl Verlag

ISBN: 978-3-86646-533-6

Auflage: 3. Auflage 2010

Format: 14,8 x 21 cm

Abbildungen: zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen

Cover-Typ: Broschur

Seitenanzahl: 608

Preis: 39,90 Euro






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