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Leserpost: Protestaufdruck auf 50 Pfennig der Deutschen Notenbank von 1948

Sehr geehrter Herr Grabowski,

angeregt durch Ihre zahlreichen Leserbrief-Antworten wende auch ich mich heute mit Bitte um Auskunft an Sie.


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Der als Kopie beigefügte 50-Pfennig-Schein der Sowjetischen Besatzungszone ist mit einem politischen Protestaufdruck (Druckkastenstempel) versehen. Ich habe davon drei Stück kurz nach der Wende in einem ganz billigen, kleinen, zusammengewürfelten Geldscheinposten auf einem der damals neue Flohmärkte in Ostberlin gekauft. Eine wertsteigernde Manipulation seitens des Verkäufers halte ich für ausgeschlossen, er hat die Stempel vermutlich garnicht gesehen, auch ich habe sie erst zuhause bemerkt. Ob ein Vorbesitzer "gebastelt" hat oder ein zeitgenössischer Protest vorliegt, ist also unklar.

Ich glaube mich zu erinnern, dass die drei Scheine fortlaufende Nummern hatten. Einen habe ich damals mit der Bitte um Auskunft verschickt, aber nie eine Antwort erhalten und weis heute auch nicht mehr an wen. Der zweite Schein ist unauffindbar und der Dritte liegt Ihnen als Kopie vor.

Meine Frage: Ist Ihnen so etwas schon begegnet oder ist Ihnen eine Veröffentlichung dazu bekannt?

F. Heidenreich


Antwort der Redaktion

Da Geld schon aus seiner Bestimmung heraus von Hand zu Hand geht, eignet es sich in besonderer Weise als Träger von politischen Botschaften. Neben der typischen Propaganda insbesondere kommunistischer Diktaturen durch entsprechende Motive – denken wir zum Beispiel nur an Banknoten aus China oder Nordkorea – wurden Geldscheine auch immer wieder genutzt, um sie mit Propagandaaufdrucken, Stempeln oder auch handschriftlichen Zusätzen zu versehen, um so eine rasche Verbreitung der Botschaften zu erreichen.

Selbst wenn Geld bereits ungültig ist, behält es doch rein äußerlich seinen typischen Geldcharakter, der durch seine Gestaltung erkannt wird. Ein wertloser oder auch geldähnlicher Propagandaschein erzeugt deshalb immer deutlich mehr Aufmerksamkeit und wird eher zur Kenntnis genommen, als ein beliebiges Flugblatt.


In der Zeit der "Weimarer Republik" nutzten verschiedene rechte Parteien, darunter die NSDAP, wertlos gewordene Banknoten und Notgeldscheine der Inflation als Träger ihrer politischen Propaganda. Besonders bekannt sind die Scheine mit antisemitischen Aufdrucken aus dieser Zeit. Es gibt aber auch Scheine mit politischen Parolen linker Parteien.

Ihr Schein der Deutschen Notenbank über 50 Pfennig aus dem Jahr 1948 wurde in der Sowjetunion gedruckt und war bis 1. Mai 1965 gültig. Er lief also über einen längere Zeitraum in der Sowjetischen Besatzungszonen (SBZ) und der DDR um.


Der Aufdruck bzw. die Stempelung (wohl mit den Typen einer Kinderdruckerei erzeugt) bezieht sich auf die "Nationale Front". Gemeint ist hier die von der SED kontrollierte überparteiliche "sozialistische Volksbewegung" aller Parteien (Blockparteien) und gesellschaftlichen Organisationen (bis auf die christlichen), die über eine Einheitsliste ihre Kandidaten zu den "Wahlen" in der DDR aufstellte. Die Bürger hatten also nicht die Wahl zwischen verschiedenen Parteien, sondern konnten lediglich den vorgeschlagenen Kandidaten der "Nationalen Front" zustimmen, indem der Wahlzettel einfach gefaltet und in die Urne geworfen wurde, oder aber einzelne Namen streichen. Im Volksmund sprach man deshalb auch vom "Zettel falten" oder "Falten gehen" statt "Wählen", da bereits der Gang in eine Wahlkabine als verdächtig galt. Dadurch wird der Sinn der Protest-Botschaft

Die "Nationale Front" – ein aufgelegter Wahlschwindel" klar.

Die "Nationale Front" war übrigens keine Erfindung der DDR, sondern in allen kommunistischen Diktaturen zum Zwecke der "Gleichschaltung" üblich.


Gegen das System gerichtete Propaganda bzw. Proteste wurden in der DDR scharf verfolgt.

Man kann sich vorstellen, dass die Botschaft auf diesem Schein aus der Zeit des Volksaufstandes im Jahr 1953 stammen könnte. Hier wäre sogar eine Quelle aus Westberlin denkbar, natürlich mit dem Ziel der Verbreitung in der DDR, insbesondere Ostberlin.

Diese These wird auch durch den Kauf auf einem Ostberliner Flohmarkt gestützt.

Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich in meiner Kindheit immer wieder mal Luftballons gesehen habe, die mit Propaganda aus Westdeutschland auf die Reise in der DDR geschickt wurden. Dagegen spricht allerdings die recht improvisierte Machart.

Möglich, aber weniger wahrscheinlich, wäre auch eine Verbreitung im direkten Zusammenhang mit einer bevorstehenden Wahl in der DDR. Das war eine risikovolles Unternehmen, gerade in der Anfangszeit der DDR, in der auch schon mal protestierende "Nichtwähler" über Nacht in sowjetischen Speziallagern verschwanden, die zuvor als Konzentrationslager vom NS-Regime genutzt wurden, oder aber gleich in der UdSSR.


Mir ist noch kein Schein mit exakt dieser Botschaft begegnet. Von einer modernen Manipulation gehe ich aber ebenfalls nicht aus.

Ein spannendes Zeitdokument, das es verdient, für die Nachwelt aufbewahrt zu werden.


Hans-Ludwig Besler (Grabowski)


Literaturempfehlung:

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Hans-Ludwig Grabowski:

"Der Jude nahm uns Silber, Gold und Speck …"

Für politische Zwecke und antisemitische Propaganda genutzte Geldscheine

in der Zeit der Weimarer Republik

und des Driten Reichs

Titel: Battenberg Verlag

ISBN: 978-3-86646-122-2

Auflage: 1. Auflage 2015

Format: 17 x 24 cm

Abbildungen: durchgehend farbige Abbildungen

Cover-Typ: Hardcover

Seitenanzahl: 280

Preis: 29,90 EUR

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