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Leserpost: Reichsbanknoten mit roten und grünen Siegeln

Sehr geehrter Herr Grabowski,

darf ich mich heute mit einer Frage zu Ihrem anderen – ebenfalls beeindruckenden – Katalog "Die deutschen Banknoten ab 1871" 22. Auflage an Sie wenden? Es betrifft die braunen 1000-Mark-Scheine mit Datum 21.4.1910, einmal mit rotem und einmal mit grünem Siegel.


Das grüne Siegel war – wie Sie auf Seite 66 Ihres Katalogs schreiben – notwendig, "da die bisherigen Noten mit rotem Siegel nach dem Krieg im Ausland deutschen Kassen durch Spekulanten zur Einlösung in Gold vorgelegt wurden."


Das grüne Siegel wurde nach ihrem Katalog bis 04/1921 ausgeliefert. Warum gibt es aber dann die Inflationsausgabe der 1000 Mark ab Lieferzeitraum 05/1921 bis 05/1922 wieder mit dem roten Siegel? Bestand die Gefahr durch Spekulanten da nicht mehr?


War bei den beiden 100-Mark-Scheinen eine Rückänderung auf rotes Siegel nicht erforderlich? Die Lieferzeiten, aus denen man Schlüsse ziehen könnte, sind im Katalog bei diesen beiden Werten nicht angegeben.


Ich würde mich sehr freuen, wenn sie mich über Hintergründe der Siegelfarbwechsel aufklären könnten.


Dr. W. Reiß


DEU-40a, Reichsbanknote zu 1000 Mark vom 21. April 1910 mit roten Siegeln und Unterdruckbuchstabe V, ausgegeben ab 22. März 1914, Vorderseite.


DEU-69b, Reichsbanknote zu 1000 Mark vom 21. April 1910, Nachkriegsausgabe mit grünen Siegeln und Unterdruckbuchstabe G, ausgegeben von Januar bis April 1921, Vorderseite.


DEU-40c, Reichsbanknote zu 1000 Mark vom 21. April 1910, Inflationsausgabe mit roten Siegeln und Unterdruckbuchstabe T, ausgegeben im September 1922, Vorderseite.


Antwort der Redaktion:

Warum der Wechsel von den roten Reichsbanksiegeln des Kaiserreichs zu den grünen der Nachkriegszeit erfolgte, ist bereits im Katalog erklärt und wurde von Ihnen auch zitiert.

Ergänzend möchte ich noch darauf hinweisen, dass sich Deutschland entsprechend Waffenstillstandsvertrag vom 11. November 1918 hatte verpflichten müssen, die in den besetzten westlichen Gebieten in Umlauf gesetzten deutschen Geldscheine zum Vorkriegskurs einzulösen. Spekulanten kauften deshalb die in Deutschland bereits stark abgewerteten Scheine (meist Tausender) auf und brachten sie nach Frankreich, Belgien

und Luxemburg. Von hier aus wurden sie dann der deutschen Regierung zur Einlösung zum Vorkriegskurs vorgelegt. Nur deshalb wurden die Hunderter und Tausender mit den roten Siegeln vorübergehend zurückgezogen und durch Scheine mit grünen Siegeln ersetzt.


1921 war die Entwertung der Mark weiter vorangeschritten, so dass man ab Mai 1921 den "Braunen Tausender" wieder mit roten Siegeln ausgab, nun als Inflationsausgabe.

Im Januar 1919 hatte der US-Dollar noch etwa 8 Mark gekostet, Ende 1919 waren es bereits rund 48 Mark. Im Mai 1921 lag der Dollarkurs schon bei etwa 60 Mark. Man kann davon ausgehen, dass zu dieser Zeit, nicht zuletzt durch die Inflation, keine Gefahr mehr durch Forderungen ausländischer Spekulanten bestand. Seit der Erstausgabe der Scheine mit den grünen Siegeln im Dezember 1918 waren immerhin einige Jahre vergangen und es durfte mittlerweile jedem klar geworden sein, dass die Reichsbank die Einlösung von Reichsbanknoten in Gold bereits unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs eingestellt hatte und keine Einlösung der Scheine zum Vorkriegskurs im Ausland mehr stattfand, weil längst der Waffenstillstandsvertrag durch den Versailler Vertrag abgelöst worden war.

Die Inflationsausgabe des Tausenders erfolgte noch bis Mai 1922.


Mit Datum vom 19. Januar 1922 war bereits ein neues Höchstnominal über 10.000 Mark vorbereitet, das dann schließlich auch ab Mai 1922 in Umlauf kam. Am 19. Januar 1922, der Tag, auf den der neue Wert zu 10.000 Mark datiert war, stand der Wechselkurs bei 190,50 Mark für 1 US-Dollar. Da hätte der Tausender also nur noch einen Gegenwert von etwa

5 US-Dollar gehabt. Als der Zehntausender dann schließlich im Mai 1922 in Umlauf kam, musste man schon rund 300 Mark für einen Dollar bezahlen. Der Tausender wurde trotzdem weiterhin im Zahlungsverkehr benötigt, nun aber nicht mehr als höchstes Nominal, das in der Zeit des Kaiserreichs noch etwa einem Jahresverdienst eines Arbeiters entsprach, sondern fast schon als "Kleingeld", denn zu dieser Zeit lag der durchschnittliche Wochenlohn schon bei 1048 Mark.


Anders als bei den 100-Mark-Scheinen, bei denen ebenfalls ein Wechsel von den roten zu den grünen Reichsbanksiegeln erfolgt war, gab es bis Mitte 1922 keinen neuen Tausender.

Ein neuer Hundert wurde dagegen im Mai 1922 in Umlauf gegeben. Es handelte sich um den Schein mit dem Bamberger Reiter mit Datum vom 1. November 1920. Es war also nicht notwendig den "Blauen Hunderter" erneut mit rotem Siegel herstellen zu lassen, sein Gegenwert wäre dafür auch zu gering gewesen.


Ein neuer Tausender war dennoch auch 1922 weiterhin notwendig und kam dann schließlich im September in den Zahlungsverkehr, hergestellt von zahlreichen privaten Druckereien im Auftrag der Reichsbank. Der Schein trägt das Datum vom 15. September 1922, an diesem Tag stand der Dollarkurs bei 1038,70 Mark. Für den neuen Tausender konnte man also nicht mal mehr einen US-Dollar eintauschen. Durch die Inflation waren die Tausender ab August 1923 praktisch wertlos. Am 1. August 1923 kostete der US-Dollar 1,1 Millionen Mark, am 31. August schon 10,3 Millionen. Ein Brot kostete im August 1923. Ein durchschnittlicher Wochenlohn betrug im August 1923 4.387.500 Mark, ein Brot kostete 85.000, aber ein Pfund Wurst schon 1 Million Mark.


Hans-Ludwig Grabowski

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