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Silver Certificate „Running Antelope“

Aktualisiert: 25. März 2021

Silver Certificates wurden in den USA zwischen 1878 und 1964 ausgegeben. Auslöser der Emission dieser Geldscheine, die für ihren Nennwert in Silberdollar-Münzen getauscht werden konnten, war das US-Münzgesetz von 1873, welches den Goldstandard festlegte und somit den zuvor herrschenden Bimetallismus, also ein Währungssystem, das aus Gold- und Silbermünzen bestand, abschaffte.

Der Bimetallismus in den USA basierte auf einer vertragsmäßigen Verankerung eines festen Wertverhältnisses zwischen Gold und Silber.


5 Dollar Silver Certificate 1899, „Running Antelope“. Repro nach: Wikipedia (National Numismatic Collection at the Smithsonian Institute).

Der vorliegende 5-Dollars-Schein wurde 1899 emittiert. Auf seiner Vorderseite ist, wie leider oft falsch beschrieben, nicht einfach nur ein „Indianerkopf“ abgebildet, sondern es handelt sich um das Porträt des Häuptlings Running Antelope (1821–1896), der zu den Lakota gehörigen Hunkpapa, die einen Stamm der Sioux bilden. Dieser Geldschein ist bis heute einer der wenigen US-Geldscheine, die einen amerikanischen Indianer zeigen.

Running Antelope, oder Tatoka Iyanke in Lakota, war einer von vier Beratern Sitting Bulls (um 1831–1890) in der Spätphase der American-Indian-Wars, die sich insgesamt über fast vier Jahrhunderte hinzogen (1540–1924). Er nahm so an einigen wichtigen Treffen zwischen den US-Amerikanern und den Indianerstämmen teil und war 1868 Unterzeichner des Vertrags von Fort Laramie, der der Great Sioux Nation weitreichende Gebiete und Jagdrechte zusprach. Nachdem jedoch 1874 Gold in den für die Lakota-Sioux heiligen Black Hills gefunden wurde, wurde der Vertrag missachtet und es kam,

in Kurzform, 1876 zur Schlacht am Little Bighorn. Auch wenn die teilnehmenden Indianerstämme die Schlacht gegen Lieutenant Colonel Custer gewannen, verloren sie den Krieg: die Black Hills wurden 1877 enteignet und sind es bis heute. Ein 1980 erzielter Vergleich mit der US-amerikanischen Regierung brachte zwar das Eingeständnis der unrechtmäßigen Enteignung, jedoch nicht das Land zurück. Vielmehr wurde der Sioux Nation eine Entschädigungszahlung angeboten, die sich mittlerweile auf über 1,2 Milliarden US-Dollars beläuft, welche aber bis heute abgelehnt wird.

Running Antelope wuchs in Süd Dakota in den Großen Ebenen der Prärie in einem noch sehr ungestörten Umfeld auf, das heißt, dass es dort nur wenige weiße Siedle gab. Deren Anzahl nahm mit den Goldfunden im Westen und der sich ausdehnenden Frontier durch einwandernde Europäer schnell zu. Übrigens ist der Begriff „Antelope“ also Antilope eine gebräuchliche Fehlbezeichnung, denn schließlich kommen Antilopen nur in Afrika und Asien vor. Im vorliegenden Fall handelt es sich um „Pronghorns“, die aber aufgrund ihrer Gestalt als „American Antelopes“ bezeichnet werden; eine Verwandtschaft besteht nicht.


Das Gebiet der Lakota-Stämme. Repro nach: Wikipedia.

Running Antelope führte die letzten großen Bison-Jagden der Sioux 1882 und 1883 an. Für sie bildeten die Bisons schon immer einen Teil ihres Lebens; als Nahrung aber auch als Ressourcen-Spender für Dinge des täglichen Gebrauchs. Einige Stämme waren mehr Ackerbauern als Jäger, aber mit dem Auftauchen von Pferden, die mit den Europäern nach Amerika kamen, begannen sich die Sioux Büffel zu jagen, die in der Prärie in riesigen Herden auftraten. Es wird geschätzt, dass einmal bis zu 30 Millionen Bisons auf dem Gebiet der Great Plains lebten, das sich heute über das Gebiet von zehn Bundesstaaten erstreckt.

Obwohl schon Dekaden vorher Gesetze geschaffen wurden, z.B. 1834, die die kommerzielle Jagd auf Bisons verboten bzw. von Händlern und Jägern Lizenzen verlangt wurden und welche das Indian Country für ihre Bewohner beschützen sollten, wurden diese Gesetzte nicht durchgesetzt und es fanden illegale Jagden statt. So waren die Bisons bereits um 1885 vom Aussterben bedroht. Folgende zeitgenössische Fotos verdeutlichen die schonungslose kommerzielle Jagd auf Bisons, die ihre beinahe Ausrottung verursachte.


Beim ersten Bild handelt es sich um Berge von Bisonknochen, die auf ihre Abholung warten, um z. B. in Dünger oder Kleber verarbeitet zu werden.

Repro nach: https://www.ndstudies.gov/gr8/content/unit-iii-waves-development-1861-1920/lesson-2-making-living/topic-5-bison-hunting/section-1-bison-hunting (SHSND A3361-1)


Auf dem zweiten Bild sieht man Berge von Bisonhäuten bzw. -fellen (1878), wie auf dem Bild angegeben 40.000, die ebenso auf ihre Abholung warten.

Repro nach: https://nmnh.typepad.com/rogers_archaeology_lab/2016/11/happy-national-bison-day.html


Running Antelope, undatiert (1872?). Repro nach: Wikipedia.

Aber zurück zum Schein. Denn um das Porträt auf der Vorderseite gab es einen Skandal, der schließlich wohl auch dazu führte, dass die Herstellung dieser 5-Dollars-Scheine mit Running Antelope eingestellt wurde. Ein Vergleich des verwendeten Originalfotos Running Antelopes mit dem Porträt auf dem Geldschein macht das Problem deutlich.


Dass dieses Foto als Vorlage für das Porträt auf dem Geldschein diente ist ersichtlich. Wie kam es aber zur Umgestaltung des Kopfschmucks? Als Grund für diese Änderung findet sich mehrfach die Angabe, dass die Maße des Originalkopfschmucks zu groß gewesen seien, also die Federn zu lang, sodass sie nicht auf den vorgesehenen Platz auf dem Geldschein gepasst hätten – weshalb man einen anderen Kopfschmuck wählte.

Dass für diesen aber ausgerechnet ein Pawnee-Kopfschmuck gewählt wurde, löste den Skandal aus: die Pawnee waren Feinde der Hunkpapa. Ob es sich bei dieser Entscheidung des Bureau of Engraving and Printing um Inkompetenz, Achtlosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber den Indianern gehandelt hat, ist nicht mehr nachvollziehbar.


Silver Certificates konnten noch bis 1967 gegen ihren Nennwert in Silberdollar-Münzen eingetauscht werden. Für das folgende Jahr waren sie dann nur noch gegen Silberbarren (raw silver bullion) eintauschbar und ab 1968 schließlich nur noch gegen US-Banknoten. Zahlen kann man theoretisch noch immer mit ihnen, sie gelten weiterhin als gesetzliches Zahlungsmittel.


Sylvia Karges

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