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Vor 35 Jahren: Währungsunion ab 1. Juli 1990

„Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr.“


„Nach meiner Kenntnis ist das ... sofort, unverzüglich“ - mit diesen Worten zur neuen DDR-Reiseregelung läutete Politbüro-Sprecher Günter Schabowski am 9. November 1989 um 18.53 Uhr unfreiwillig das Ende der deutschen Teilung ein. Auch wenn die Grenzöffnung die Menschen in Ost und West gleichermaßen überraschte, war sie doch eine logische Konsequenz der Ereignisse in den Wochen zuvor.[1]


Forderten die Demonstranten im Herbst 1989 noch politische Reformen, so waren schon bald auch Plakate mit Forderungen nach der deutschen Einheit und mit dem Slogan „Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, geh‘n wir zu ihr!“ zu sehen.

In den ersten Monaten des Jahres 1990 trat die politische, soziale und wirtschaftliche Krise der DDR immer deutlicher zutage, der Arbeiter- und Bauernstaat war hoch verschuldet und bankrott. Nach der sozialistischen Planwirtschaft fehlte es in der DDR an allen Ecken und Enden. In der Staatskasse klafft ein riesiges Loch.  Gleich nach dem Mauerfall war die D-Mark endgültig zum inoffiziellen Zahlungsmittel geworden. Der Umtauschkurs lag zeitweise bei 1:20. Ab Januar 1990 konnten DDR-Bürger bei der Staatsbank der DDR sogenannte Valutakonten zum offizielle Umtauschkurs von 1:5 eröffnen. Auf dem Schwarzmarkt bekam man eine D-Mark für acht bis zehn DDR-Mark. Allen Beteiligten war klar, dass etwas geschehen musste. Täglich verließen 2000 DDR-Bürger das Land in Richtung Westen.

Zwar lehnte die Bundesregierung die direkte finanzielle Unterstützung der DDR-Regierung ab, aber am 6. Februar 1990 brachte Bundeskanzler Helmut Kohl gegenüber dem DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow[2] völlig überraschend das Thema einer Währungsunion ins Gespräch ein.


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Abb. 1.1: Staatsbank der DDR, 1971, 10 Mark, Vorderseite, Kontrollnummer im Typensatz, Umlauf: 5. März 1975 – 30. Juni 1990.


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Abb. 1.2: Staatsbank der DDR, 1971, 10 Mark, Vorderseite, Kontrollnummer im Computersatz, Umlauf: März 1985 – 30. Juni 1990.


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Abb. 1.3: Staatsbank der DDR, 1971, 10 Mark, Rückseite.


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Abb. 2.1: Staatsbank der DDR, 1971, 50 Mark, Vorderseite, Kontrollnummer im Typensatz, Umlauf: 1. Juni 1973 – 30. Juni 1990.


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Abb. 2.2: Staatsbank der DDR, 1971, 50 Mark, Vorderseite, Kontrollnummer im Computersatz, Umlauf: Januar 1986 – 30. Juni 1990.


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Abb. 2.3: Staatsbank der DDR, 1971, 50 Mark, Rückseite.


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Abb. 3.1: Staatsbank der DDR, 1975, 5 Mark, Vorderseite,

Kontrollnummer im Typensatz, Umlauf: 18. September 1979 – 30. Juni 1990.


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Abb. 3.2: Staatsbank der DDR, 1975, 5 Mark, Vorderseite,

Kontrollnummer im Computersatz, Umlauf:  März 1987 – 30. Juni 1990.


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Abb. 3.3: Staatsbank der DDR, 1975, 5 Mark, Rückseite.


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Abb. 4.1: Staatsbank der DDR, 1975, 20 Mark, Vorderseite, Kontrollnummer im Typensatz, Umlauf: 15. Januar 1976 – 30. Juni 1990.


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Abb. 4.2: Staatsbank der DDR, 1975,20 Mark, Vorderseite, Kontrollnummer im Computersatz, Umlauf: Mai 1986 – 30. Juni 1990.


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Abb. 4.3: Staatsbank der DDR, 1975, 20 Mark, Rückseite.


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Abb. 5.1: Staatsbank der DDR, 1975, 100 Mark, Vorderseite,

Kontrollnummer im Typensatz, Umlauf: Oktober 1978 – 30. Juni 1990.


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Abb. 5.2: Staatsbank der DDR, 1975,100 Mark, Vorderseite, Kontrollnummer im Computersatz, Umlauf: Januar 1986 – 30. Juni 1990.


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Abb. 5.3: Staatsbank der DDR, 1975, 100 Mark, Rückseite.


Kohls Alleingang löste in Ost und West Entsetzen aus. Im Westen fürchtete man die Plünderung des Bundeshaushaltes und im Osten die Zerstörung der eigenen Wirtschaft. Kanzleramtschef Rudolf Seiters wiegelt daher ab und erklärte:

„Löhne, Gehälter, Stipendien, Mieten, Pachten und Renten sowie andere wiederkehrende Versorgungszahlungen zum Beispiel Unterhaltszahlungen werden im Verhältnis 1:1 umgestellt.“ 

Dies veranlasste Bundesbankpräsident Karl-Otto Pöhl[3], oberster Währungshüter der Bundesrepublik, zu der folgenden Äußerung:

„Das halte ich doch für sehr fantastisch, diese Ideen, und ich glaube, dass das eine Illusion ist, wenn man sich vorstellt, dass durch die Einführung der D-Mark in der DDR auch nur eines der Probleme, die die DDR hat, gelöst würde.“

Auch für dem Vize-Chef der Staatsbank der DDR, Edgar Most, glich der Umtauschkurs von 1:1 einem ökonomischen Selbstmord.


Nach dem Wahlsieg der „Allianz für Deutschland“ bei der Volkskammer-Wahl und der erfolgreichen Regierungsbildung trafen sich Lothar de Maizière und Helmut Kohl am 23. April 1990 im Bundeskanzleramt in Bonn zu Gesprächen. Bereits am 18. Mai 1990 unterzeichneten Bundesfinanzminister Theo Weigel und sein DDR-Kollege Walter Romberg den Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschaft- und Sozialunion in Bonn. Bundestag und Volkskammer stimmten ihm am 21. Juni 1990 mit großer Mehrheit zu. Er gilt als der erste formale Schritt zur deutschen Wiedervereinigung. Zentraler Bestandteil des Vertrags war die Übernahme der

D-Mark als alleinige Währung in der DDR.


Nur sechs Wochen lagen zwischen der Unterzeichnung des Staatsvertrags und der Einführung der D-Mark. Wenig Zeit für die logistische Mammut-Aufgabe. Die Bundesbank lieferte aus ihren Reserven die notwendigen Banknoten und Münzen; allerdings reichten die Bestände an 5-DM-Münzen nicht aus. Die kurzfristige Beschaffung des notwendigen Münzmetalls, die Herstellung der Ronden sowie die Prägung war in so kurzer Zeit nicht möglich. Daher beschloss man bei der Bundesbank, entsprechende Banknoten drucken zu lassen. Jedoch waren die beiden westdeutschen Wertpapierdruckereien[4] mit der Herstellung der 100- und 200-DM-Noten der neuen Reihe BBk III, die im Herbst 1990 ausgegeben werden sollten, voll ausgelastet. So erteilte man gezwungenermaßen den Druckauftrag an die VEB Wertpapierdruckerei in Leipzig. Da der Serienbuchstabe B, mit dem die bisherigen 5-DM-Noten gedruckt wurden, bereits ausgeschöpft war und der Buchstabe C für die 10-DM-Noten reserviert war, erhielten die Scheine aus Leipzig den Kennbuchstabe R.


„Insgesamt wurden rund 56,1 Mio. Stück (genau: 56.099.995) des Fünfers in Leipzig gedruckt. Die Nummerierung reicht von R 0000001 A bis R 61000000 F. Davon waren 683.000 Stück Austauschnoten mit den Nummern Y 1904001 A bis Y 2587000 A, die anstelle von Mangelexemplaren in die Herstellung einflossen.“[5]

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Abb. 6.1: Deutsche Bundesbank, 2. Januar 1980, 5 DM, Vorderseite. Der Druck der Scheine mit der Kennnummer „R“ erfolgte in der VEB Wertpapierdruckerei der DDR in Leipzig.


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Abb. 6.2: Deutsche Bundesbank, 2. Januar 1980, 5 DM, Rückseite.


In gepanzerten Fahrzeugen unter Polizeischutz wurden 460 Tonnen Banknoten im Wert von 27,5 Milliarden D-Mark über die noch bestehende innerdeutsche Grenze gebracht und in den 14 Zweigstellen der Staatsbank der DDR zwischengelagert. Mitarbeiter der westdeutschen Landeszentralbanken bezogen hier Quartier.


Dem Vize-Bundesbankpräsidenten Tietmeyer bereitete die technische Umsetzung der Währungsunion kaum Sorgen, wohl aber die ökonomische Frage nach einem generellem Umtauschkurs. In einem vertraulichen Memorandum schlug die Zentralbank einen Umtauschkurs von DDR-Mark in D-Mark von 2:1 vor. Ansonsten könnte die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft gefährdet werden und eine Inflation entstehen. Eigentlich hielt man in Frankfurt a. M. selbst diesen Kurs für zu hoch. Experten hatten einen Umtausch von 3,50 bis vier DDR-Mark in eine D-Mark vorgeschlagen. Der politisch gewünschte Kurs von 1:1 verstieß für Tietmeyer „gegen allen ökonomischen Verstand“. Als der Plan der Bundesbank bekannt wurde, gingen Zehntausend Menschen in der DDR erneut auf die Straße. Daher entschied die Bundesregierung gegen den Rat der Ökonomen. Auch Theo Waigels Stufenplan blieb in der Schublade. Er sah für die Schaffung der Währungsunion einen Zeitraum von zwei bis acht Jahren vor.


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Schlange vor der Genossenschaftskasse im thüringischen Gera. Viele Bürger wollten sich bereits am 1. Juli 1990 einen Abschlag in D-Mark von ihrem Konto holen.

Abb. Bundesarchiv Bild 183-1990-0706-400.


In der Nacht auf den 1. Juli 1990 warteten Tausende DDR-Bürger auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz darauf, dass sich die Türen der neuen Zweigstelle der Deutschen Bank öffneten. Die Wartenden einte die Sehnsucht, unbedingt als Erste in den Besitz der begehrten D-Mark zu kommen. Denn um Mitternacht würde die Währung der DDR Geschichte sein. An ihre Stelle trat die Deutsche Mark.


Alle, die in der Schlage standen, hatten in den Wochen zuvor ihr Bargeld bei Banken und Sparkassen eingezahlt und einen Antrag auf Umstellung des Kontos von DDR-Mark auf

D-Mark gestellt. Für den Erstbedarf wurden auch sogenannte Auszahlungsquittungen ausgestellt, die aber nur bis zum 6. Juli 1990 gültig waren. Diese Auszahlungsquittungen berechtigten zur Auszahlung von bis zu 2.000 D-Mark pro Person. Ab der zweiten Woche sollte der Zahlungsverkehr dann wieder ohne Begrenzungen bei den Auszahlungen laufen.


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Abb. 7: Auszahlungsquittung, Vorderseite, Rückseite unbedruckt.


Der allgemeine Umstellungssatz zur Währungsunion am 1. Juli 1990 betrug: 1:1.

  • für Personen bis 14 Jahre für bis zu 2.000 Mark der DDR Kontoguthaben

  • für Personen bis 60 Jahre für bis zu 4.000 Mark der DDR Kontoguthaben

  • für Personen ab 60 Jahre für bis zu 6.000 Mark der DDR Kontoguthaben

  • Soweit die Guthaben die bevorzugt umzustellenden Beträge überstiegen, erfolgte die Umstellung im Verhältnis 2:1. [Das führte zu Unmut, immerhin wurde so das Ersparte, die finanzielle Lebensleistung der DDR-Bürger, meistens fast halbiert. Viele schichteten eilig Geld auf Kinder oder Verwandte um, aber das konnte den Verlust und die damit verbundene Ernüchterung über die ersehnte Währungsunion nicht ausgleichen.]

  • Guthaben, die nach dem 31. Dezember 1989 entstanden waren, wurden zu einem Umtauschkurs von 3:1 umgetauscht.

  • Löhne, Gehälter, Renten, Mieten und Pachtkosten wurden im Verhältnis 1:1 umgestellt.

  • Bankguthaben von natürlichen und juristischen Personen mit Wohnsitz außerhalb der DDR, die vor dem 31. Dezember 1989 entstanden, wurden im Verhältnis 2:1 umgestellt. Für Bankguthaben, die nach dem 31. Dezember 1989 entstanden, galt ein Umstellungsverhältnis von 3:1.

  • Im Durchschnitt belief sich der Konversionssatz, bezogen auf alle bilanziell erfassten Forderungen und Verbindlichkeiten des Geld- und Kreditsystems der DDR, auf 1,8:1.

  • Die Guthaben juristischer Personen oder sonstiger Stellen wurden ausschließlich im Verhältnis 2:1 umgestellt.

  • Pfennigmünzen blieben noch ein Jahr länger gültig bis zum 30. Juni 1991.




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Abb. 8.1: Aufbausparbuch der Deutschen Sparkasse mit Eintragungen

vom 31. Juli 1962 bis 5. Februar 1992.


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Abb. 8.2 Seite mit Umstellungsguthaben auf D-Mark.


Feierten die DDR-Bürgern die Einführung der D-Mark mit Rotkäppchen-Sekt und Böllern, so kam die Ernüchterung schon bald. Der politisch durchgesetzte Umtauschkurs von weitgehend 1:1 gehörte zu den entscheidenden Gründen für den endgültigen Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft, neben der mangelnden Konkurrenzfähigkeit mit westlichen Produkten. Dem „Währungssilvester“ folgte ein langer und schmerzhafter Kater – übrigens für beide Teile des bald wiedervereinigten Deutschlands.


Uwe Bronnert


Anmerkungen

  1. Sie haben deutlich gemacht, dass das DDR-Regime politisch am Boden lag. Ab August flüchteten Tausende DDR-Bürger über die ungarische Grenze in den Westen, andere versammelten sich in den bundesdeutschen Botschaften in Prag und Warschau.

  2. Hans Modrow [* 27. Januar 1928 in Jasenitz, Kreis Randow, Provinz Pommern; † 10. Februar 2023 in Berlin] war während der Wende und friedlichen Revolution vom 13. November 1989 bis zum 12. April 1990 der letzte Vorsitzende des Ministerrats der Deutschen Demokratischen Republik und somit Chef der Regierung.

  3. Diese Meinungsäußerung bezahlte Karl-Otto Pöhl mit seinem Amt – er trat nach der Währungsunion zurück, angeblich „aus persönlichen Gründen“.

  4. Bundesdruckerei Berlin und Giesecke & Devrient GmbH in München.

  5. Karlheinz Walz, 5-DM-Noten aus der DDR!, in: Münzen & Sammeln, September 2008, S. 149.

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