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100 Millionen Mark von 1923 als Einkaufszettel vor 95 Jahren!

Aktualisiert: 25. März 2021


Reichsbanknote über 100 Millionen Mark vom 22. August 1923, Vorderseite.

In der Zeit der deutschen Inflation nach dem Ersten Weltkrieg bis 1923/1924 wurden immer höhere Nominale gebraucht, weil sich die Mark spätestens ab Sommer 1923 im freien Fall befand. Erst waren es noch Tausender, dann Millionen, Milliarden und schließlich Billionen. Dadurch wurden immer mehr Geldscheine, die einst mit niedrigeren Nennwerten ausgegeben wurden, im Umlauf praktisch wertlos. Bekannt sind Fotos von Kindern, die mit Bergen von Geldschein-Bündeln wie mit Bauklötzen spielten; von Hausfrauen, die Papiergeld zum Feuer machen nutzten; von Wänden, die mit Geldscheinen tapeziert wurden, weil die billiger waren als Tapete und von ganzen Wäschekörben voller Papiergeld, die Arbeiter als täglichen Lohn erhielten.

Die unbedruckte Rückseite der Reichsbanknote wurde als Einkaufszettel benutzt.

Schon längst wurden Reichsbanknoten auch nur noch einseitig gedruckt. Weil 100 Millionen Mark im November 1923 vor genau 95 Jahren keine Kaufkraft mehr hatten, nutzte den Schein jemand als Einkaufs- bzw. Notizzettel und hinterließ uns damit einen äußerst interessanten historischen Beleg, der das Chaos der Nullen in Relation zur Kaufkraft in dieser Zeit stellt.

Es ist aber viel mehr als ein Einkaufszettel, es werden auch Preisentwicklungen an nur zwei aufeinander folgenden Tagen verglichen (wichtigste Positionen):


12. November 1923

1 Mark = 150 Milliarden

1 Schachtel Zünder (Zündhölzer) 6 Milliarden

1 Zigarette 4,5 Milliarden

1 kg Kalbfleisch 240 Milliarden

1 kg Butter 500 Milliarden

1 Paar Schuhe 7–8 Billionen

1 Liter Bier 80–110 Milliarden

1 Stück Waschseife 52 Milliarden

1 Fahrkarte Simbach–München IV. Klasse 530 Milliarden

1 Semmel 5 Milliarden

1 Liter Milch 28 Milliarden

1 kg Schmalz 400 Milliarden

1 kg Kartoffeln 100 Milliarden

1 kg Äpfel 180 Milliarden


13. November 1923

1 Mark = 200 Milliarden

1 Liter Milch 36 Milliarden

1 Zigarette 6 Milliarden

1 kg Brot 90 Milliarden

1 kg Margarine 400 Milliarden

1 kg Salz, grob 30 Milliarden

1 Backpulver 15 Milliarden


Das teuerste war 1 Sportzigarette = 16 Milliarden (1 Mark = 1 Billion)


Wie wir heute wissen, sollte es noch schlimmer kommen. Am Ende der Inflation waren 4,2 Billionen Papiermark = 1 Rentenmark = 1 Reichsmark.


Es ist immer wieder schön, Zeitdokumente – was die Reichsbanknoten aus der Inflationszeit ja ohnehin schon sind – zu finden, die zusätzlich auch noch zeitgenössische Notizen oder Anmerkungen enthalten und damit noch interessanter werden. Für Geldscheinsammler sind diese Noten zwar durch ihre Beschriftung und schlechte Erhaltung praktisch wertlos, aber für den Geschichtsinteressierten können sie deutlich wertvoller als eine druckfrische Note sein, die nie im Zahlungsverkehr war!

Im September 1923 kam der erste Milliarden-Schein in Umlauf, damals noch ein Überdruck-Provisorium. Dann ging es Schlag auf Schlag und im November 1923 rechnete man schon in Billionen. Die Inflationsbanknoten blieben auch noch nach der Währungsstabilisierung durch Einführung von Renten- und Reichsmark bis zum 5.7.1925 gültig! Am 2. März 1924 notierte jemand auf den Rückseiten einiger anderer Scheine deren tatsächlich zu dieser Zeit noch vorhandene Kaufkrauft. Da reichten 50 Milliarden Mark gerade noch für eine Briefmarke und 1 Billion Papiermark für vier Eier!


Hans-Ludwig Grabowski

Abb. Hans-Ludwig Grabowski (Josef Gerber)

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