Spätestens seit Ende März/Anfang April 1945 war die Versorgung der Wirtschaft, der Verwaltung und vor allem der Bevölkerung mit Bargeld durch die Deutsche Reichsbank nicht mehr völlig gewährleistet. Die Reichsdruckerei in Berlin war ebenfalls nicht mehr in der Lage, ausreichend Geldscheine zu drucken und auszuliefern. So kam es zuerst im südwestdeutschen Raum zum spürbaren Mangel an Reichsgeld; es folgten zeitgleich die Vorbereitungen, der Druck und zum Teil die Ausgabe von Notgeld im Norden, in der Mitte und im östlichen Teil der immer kleineren unbesetzten Gebiete Deutschlands.
Bei den 1945er Notgeldscheinen sind wenige Unikate nachweisbar, z. B.:
10 Reichsmark vom 19. April 1945 Kreisverband Waiblingen,
10 Reichsmark Sparkasse Postelberg vom 25. April 1945,
50 Reichspfennig Landkreis Bischofteinitz vom 28. April 1945,
2 und 5 Reichsmark Spar- und Girokasse Radeburg vom 30. April 1945,
50 Reichsmark Landkreis Schwarzenberg (Probedruck April 1945),
20 Reichsmark Kreisverband Crailsheim vom 5. Mai 1945,
5, 10, 20 und 50 Reichsmark Stadt Chemnitz 7. Juni 1945 und
20 Reichsmark Stadt Klingenthal.
Die Serie der Stadt Klingenthal i. Sa., bestehend aus 5-, 20- und 50-RM-Scheinen, ist wie alle anderen sieben unterschiedlichen Notgeldausgaben in Sachsen interessant – und selten, wie der 50-RM-Schein aus Klingenthal auch. Der Schein, der 2013 in Kanada zum Kauf angeboten wurde, ist ebenso wie der vorgestellte 20er ein Unikat.
Klingenthal (Stadtrecht ab Oktober 1919) wurde am 6./7. Mai 1945 von den Amerikanern besetzt. Die seit 1896 in der Oberen Marktstraße befindliche Druckerei Adolf Poller wurde im April 1945 von Max Jahn geführt. Gemeinsam mit dem Schriftsetzer Max Dörfel und dem Drucker Karl Glaß stellten sie die Klingenthaler Gutscheine im Buchdruck her: Vorderseite dreifarbig/Rückseite zweifarbig. Ein Druckereibetrieb findet sich heute nicht mehr unter dieser Anschrift.
Es ist nicht bekannt, warum die andere und wirtschaftlich stärkere und von Gustav Bergmann geführte Druckerei nicht mit dem Auftrag für die Herstellung der Gutscheine betraut wurde. Neben dem Wappen ist das Rathaus der Stadt das Hauptmotiv auf allen drei Scheinen.
Die Maße des Klischees sind bei den 5- und 50-RM-Scheinen stets 93 mm x 71 mm, beim 20-RM-Schein jedoch nur 92 mm x 69 mm. Das bedeutet, dass die Linien um die Zinkätzung für die Verwendung beim 20er mit einem Klischeehobel entfernt wurden. Eine plausible Erklärung für die Veränderung gibt es dafür nicht. Beim 5er wurde die Abbildung über den Linienrahmen hinaus abgedruckt, so dass es kein Platzproblem für die Einrichtung des Klischees gegeben hat. Wir wissen nicht, wie der vermutete 10-RM-Schein aussah; dort liegt möglicherweise der Schlüssel zu dieser Ursache.
Abb. 1: Zeitgenössische Abbildung des Klingenthaler Rathauses neben der ev.-luth. barocken Rundkirche „Zum Friedefürsten“.
Auf jeden Fall wurden die 20-RM-Scheine nach dem Druck der 5- und 50-RM-Gutscheine hergestellt. Die Gesamtmenge der gedruckten Klingenthaler Gutscheine könnte anhand der bekannten Kontrollnummern bei über 2,0 Mio. Reichsmark gelegen haben.
Leider brachte eine Veröffentlichung in der Zeitung „Freie Presse“ (Lokales Vogtland/Oberes Vogtland) am 29. August 2013 keine weiteren Erkenntnisse. Die Mitarbeiter des Stadtarchivs der Stadt Klingenthal bedauerten, dass alle Recherchen ergebnislos waren; man schrieb aber: „Die Tatsache, dass es in Klingenthal Notgeld gab, ist mehreren Personen bekannt und einige Personen zeigten 5-RM- Scheine, die mit Ihren identisch sind.“ In lokalen Zeitungen wurde weder die Ankündigung der Notgeldausgabe, noch die Bekanntmachung einer Außerkurssetzung gefunden. Ratsprotokolle aus der Zeit von April bis Spätsommer 1945 sind nicht vorhanden.
Die Unterschrift des Bürgermeisters Artur Schlott erscheint als Faksimile-Druck „Schlott“; er war Nachfolger des früheren Bürgermeisters Max Götzel.
Objekttyp: Gutschein (Notgeldschein)
Sammlung: Sammlung Michael H. Schöne
Authentizität: Original
Land/Region/Ort: Deutsches Reich, Land/Gau Sachsen, Landkreis Auerbach, Stadt Klingenthal
Emittent: Stadt Klingenthal, Bürgermeister
Nominal: 20 Reichsmark
Datierung: 28. April 1945
Vorderseite: Text und Wertangabe im Rahmen, Abbildung des Rathauses, Stadtwappen
Rückseite: Straftext (gleichlautend wie auf den Gutscheinen der Stadt vom 15. August 1923),
Wertangabe
Material: Papier ohne Wasserzeichen
Format: 150 mm x 80 mm
Druck: Druckerei Adolf Poller, Klingenthal
Nummerierung: № 001290 in Rot
Umlauf: 1945
Zitat:
Nr. 182, in: „Zwischen den Fronten – Papiernotgeld 1945 in Deutschland“ (Schöne, 2014)
Michael H. Schöne
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