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Der Blutsauger auf den Zehntausendmarkscheinen

Aktualisiert: 15. Sept. 2022

So lautet die Überschrift zu einer kleinen Meldung in einer Zeitung aus dem Jahr 1922.

Bereits 1920 hatten die Vorarbeiten für die Ausgabe höherwertiger Reichsbanknoten begonnen und am 18. Mai 1922 machte das Reichsbankdirektorium die Ausgabe einer Note zu 10.000 Mark mit dem Ausgabedatum 19. Januar 1922 bekannt. Zu diesem Zeitpunkt entsprach ihr Wert etwa 50 US-Dollars. „Der Schein war gutgeschützt, aber so anspruchsvoll in der Ausführung, daß er trotz wiederholter Vereinfachung nicht in den vom Verkehr verlangten Mengen geliefert werden konnte; seine Auflage betrug 117.436.144 Stück.“[1]


Abb. 1: Bekanntmachung betreffend die Ausgabe neuer Reichsbanknote zu 10.000

Quelle: Dieter Hoffmann, „Das Notenbuch“, Katalog der deutschen Banknoten ab 1874,

5. erweiterte Auflage 1989/90, Regenstauf 1989, S. 30.


Abb. 2.1: DEU-76, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Reichsdruckerei, Vorderseite.


Abb. 2.2: DEU-76, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Reichsdruckerei, Rückseite.


Die erste Ausgabe zeigt auf der Vorderseite zwei siebenstellige Kennziffern mit vorangestelltem Buchstaben sowie einen Unterdruckbuchstaben, während dieser bei der zweiten Ausgabe, die am 21. Februar 1923 in Umlauf gelangte, fehlt. 10.000 Mark waren jetzt nur noch 0,43 US-Dollar wert. Beide Ausgaben sind 210 mm x 124 mm groß und zeigen im Schaurand ein verschlungenes Band mit „10000 M“ als Wasserzeichen. Jedoch wurde das Design der Rückseite stark vereinfacht.


Abb. 3.1: DEU-77, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Reichsdruckerei, Vorderseite.


Abb. 3.2: DEU-77, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Reichsdruckerei, Rückseite.


Die dritte Auflage entspricht der zweiten Auflage, wurde jedoch erheblich verkleinert (180 mm x 100 mm) und auf Papier mit dem Wasserzeichen „Vierpass“ gedruckt. Sie gelangte ab 7. März 1923 in Umlauf. Neben der Reichsdruckerei beteiligten sich auch mehrere private Druckereien an der Herstellung. Die Reichsdruckerei verwendete sieben- bzw. achtstellige Kennziffern, während bei den Firmendrucken sechs- und siebenstellig vorkommen. Darüber hinaus variieren sie in der Größe (3,5 – 4,5 mm).


Abb. 4.1: DEU-78b, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Reichsdruckerei, Vorderseite.


Abb. 4.2: DEU-78 b, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Reichsdruckerei, Rückseite.


Abb. 5.1: DEU-78c, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Privatdruckerei, Vorderseite.


Abb. 5.2: DEU-78 c, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Privatdruckerei, Rückseite.


Hin und wieder werden Noten angeboten, bei denen der Schaurand mit dem Ornament auf der rechten, statt auf der linken Seite zu finden ist. Hierbei handelt es sich um manipulierte Scheine, die aus Druckbögen geschnitten wurden. Der Abstand zwischen Ornament und Rahmen beträgt hier ca. 18 mm statt 9 mm.


Von der dritten Auflage gibt es eine seltene Variante auf braunem Papier. Sie wurde mit dem Firmenbuchstaben B (R. Oldenbourg, München) und N (C. G. Naumann, GmbH, Leipzig) gedruckt. Leider werden auch hier Manipulationrn zum Schaden der Sammler angeboten.

Das Papier wurde bei diesen entsprechend eingefärbt.


Abb. 6.1: DEU-79, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Privatdruckerei, Vorderseite.


Abb. 6.2: DEU-79, 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Privatdruckerei, Rückseite.


In meiner Sammlung befindet sich auch ein Schein, bei dem der Firmenbuchstabe fehlt.


Abb. 7.: DEU-(78), 10.000 Mark, 19. Januar 1922, Vorderseite.


Abb. 8: Kopfeines jungen Mannes nach einem Gemälde von Albrecht Dürer.


Schon bald nach der Ausgabe des Scheins, meinte das Publikum in der der Darstellung des jungen Mannes (nach einem Gemälde von Albrecht Dürer) einen „blutsaugenden Vampir“ zu erkennen. Viele Zeitgenossen deuteten dies so, dass die französische Regierung das deutsche Volk durch die Reparationsleistungen bis zum letzten Blutstropfen aussaugen wolle. Natürlich bestätigte weder Reichsbank noch Reichsdruckerei diese Deutung. Aber sicherlich hatte man auch nichts dagegen.


Abb. 9: Vexierbild: Der „Blutsauger“.


In der oben erwähnten Zeitungsmeldung heißt es:

„In der rechten Ecke der Zehntausendmarknote befindet sich das Kopfbild – bis über die Schulter – eines deutschen Arbeiters (wie bekannt, Nachbildung eines Bildnisses von Albrecht Dürer). Auffallend ist sein wehleidiger Gesichtsausdruck. Man drehe den Schein herum, daß sich das Arbeiterbild links oben befindet. Die gesamte Halspartie zeigt nun ein deutliches spitzes Gesicht mit etwas langer Nase (Nasenspitze bis zum linken Ohrläppchen des Arbeitergesichts); die linke Rockpartie bildet eine weiche runde Mütze, die rechte Rockpartie bildet einen Halsschal, die Weste stellt die Haare (oder ein Kopftuch) dar. Der Mund des Vexierkopfes[2], dessen eingefallene Backen sichtlich Saugbewegungen des Mundes darstellen, liegt an der Halsschlagader des Arbeiterkopfes! Nun weiß man doch, warum der Arbeiter ein so wehleidiges Gesicht mach. Das Vexierbild ist in dem Bildnis so deutlich, daß man, wenn man es einmal erkannt hat, ohne weiteres immer die beiden Köpfe sieht.“

So kam die 10.000-Mark-Banknote zu ihrem Namen: Vampir- oder Blutsauger-Schein.


Uwe Bronnert


Anmerkungen [1] Fünfzig Jahre Reichsdruckerei 1879 – 1929, Mit einem Rückblick auf den Berliner Buchdruck für Hof und Staat bis zur Begründung der Reichsdruckerei. Verfasst und herausgegeben von der Direktion der Reichsdruckerei unter Mitwirkung von Dr. Ernst Crous, Berlin 1929, S. 161 f.

[2] Anm. d. Verf.; Ein Vexierbild ist ein Bild, auf dem eine oder mehrere versteckt eingezeichnete Figuren zu suchen sind.

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