Ein Bündel Reichskreditkassenscheine aus Eger (Cheb) von 1945
- Sven Gerhard
- vor 1 Tag
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Ein vor kurzem in der Tschechischen Republik aufgetauchter Banknotenfund gibt Einblicke
in die Kassenbestände der Reichsbankfilialen im Sudentenland bei Kriegsende 1945.
Neben Behelfszahlungsmitteln der Deutschen Wehrmacht der Ausgabe 1942 (Grabowski DWM-2/Ro. 501 bis DWM-7/Ro. 506) in der Regel in gebrauchten Erhaltungen, sowie Verrechnungsscheinen für die Deutschen Wehrmacht vom 15. September 1944 (Grabowski DWM-8/Ro. 511 bis DWM 11/Ro. 514) enthielt der Fund auch Bestände von Reichskreditkassenscheinen, die in verschiedenen Filialen der Reichsbank im Sudetenland verwahrt worden waren. Besonders schön für Sammler waren dabei druckfrische Originalbündel zu 100 Stück der Reichskreditkassenscheine zu 1 Reichsmark (Grabowski ZWK-2/Ro. 551) teilweise noch in der Originalverpackung der Reichsdruckerei.
Ein Bündel aus diesem Fund soll hier vorgestellt werden. Es ermöglicht interessante Einblicke in die Kassentätigkeit der Reichsbanknebenstelle in Eger (Cheb) kurz vor und nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Zugleich wirft es viele Fragen auf, auf die im Rahmen dieses Beitrags Antworten gesucht werden sollen.
Das Bündel enthält 100 Reichskreditkassenscheine zu 5 Reichsmark (ZWK-4/Ro.553) aus-schließlich in der Variante mit Prägestempel und 7-stelliger Kontrollnummer, also der frühen Ausgabe, in fast kassenfrischer bis kassenfrischer Erhaltung. Teilweise kommen fortlaufende Nummern vor. Es wurde ausweislich der Banderole am 12. Januar 1945 (einem Freitag) von der Reichsbanknebenstelle Eger gepackt und mit den üblichen zwei Kontrollunterschriften (vorgezählt, nachgezählt) versehen. Ein rückseitiger Stempel weist das Paket als „Tresorpaket“ aus, daneben befindet sich ein Stempelaufdruck mit Datum 15. Januar 1945 (einem Montag), vermutlich dem Tag, als das Paket in den Tresor gelegt wurde. Das Bündel war also nicht für den laufenden Kassenbestand der Reichsbanknebenstelle bestimmt.


Was hatte ein Bündel Reichskreditkassenscheine im Januar 1945 im Tresor der Reichsbanknebenstelle in Eger zu suchen?
In den von der Wehrmacht besetzten Gebieten kam es ab Kriegsbeginn zur Gründung von Reichskreditkassen, die Reichskreditkassenscheine in den Wertstufen zu 50 Reichspfennig und zu 1, 2, 5 und 20 Reichsmark sowie – ab 1940 – auch zu 50 Reichsmark ausgaben[1]. Diese Scheine wurden in den einzelnen Ländern zu einem festgelegten Kurs von Reichsmark gegen Landeswährung in Umlauf gesetzt. Ihre Umlaufzeit in den einzelnen Ländern war höchst unterschiedlich und hing davon ab, wie schnell sich Truppen und Militärverwaltung mit lokalen Zahlungsmitteln versorgen konnten. In Deutschland selbst waren Reichskreditkassenscheine keine gesetzlichen Zahlungsmittel.
Die Stadt Eger lag in dem im Oktober 1938 dem Deutschen Reich angegliederten Sudentenland. Sie war Sitz der Kreisverwaltung des gleichnamigen Kreises und hatte 1939 etwa 32.000 Einwohner. Eger war zugleich Sitz der Reichsbanknebenstelle 596[2].

Mit der Verordnung über die Einführung der Reichsmark in den sudetendeutschen Gebieten vom 10. Oktober1938[3] wurde ab 11. Oktober 1938 die Reichsmark neben der tschecho-slowakischen Krone gesetzliches Zahlungsmittel im Sudetenland. Eine zweite Verordnung nur wenige Tage später[4] beendete die Eigenschaft der Tschechoslowakischen Krone als Zahlungsmittel in diesen Gebieten zum 31. Oktober 1938. Da Eger zum innerdeutschen Währungsumlaufgebiet der Reichsmark gehörte, liefen dort keine Reichskreditkassenscheine im Zahlungsverkehr um.
Reichskreditkassenscheine dienten bis zur Einführung der Verrechnungsscheine für die Deutsche Wehrmacht im Oktober 1944 zudem als Reisezahlungsmittel für Angehörige der Wehrmacht und der deutschen Behörden. Wer in ein besetztes Land reiste oder aus diesem zurückkehrte, musste mitgeführte Bargeldbestände in Reichs- und Rentenmark bzw. in Landeswährung in Reichskreditkassenscheine umtauschen, die dann im Land verwendet (oder in Landeswährung umgewechselt) bzw. bei Banken in Deutschland in Reichs- und Rentenmark-Noten gewechselt wurden. Daher waren auch bei den Filialen der Reichsbank in Deutschland Reichskreditkassenscheinen verfügbar. Entsprechend kann daher auch die Reichsbanknebenstelle Eger über Kassenbestände dieser Scheine verfügt haben. Ebenso denkbar wäre jedoch auch etwa eine Deponierung der vorliegenden Scheine durch rückfließendes deutsches Militär bei der Reichsbank in Eger Anfang 1945.
Die Reichskreditkassenscheine wurden zum 1. Januar 1945 für ungültig erklärt. Es verwundert daher, dass die Reichsbanknebenstelle die Scheine im Januar 1945 noch sorgsam bündelte und in den Tresor legte. Über die Gründe hierfür kann heute nur noch spekuliert werden. Trotz Ungültigkeitserklärung gab es keine Anordnung zur Vernichtung dieser Scheine, und die Überlegung, sie im Bedarfsfall als Notgeld verwenden zu können[5] (wie in Schleswig-Holstein im Mai 1945, sowie in Kärnten und Tirol im April 1945[6]), mag ein Grund dafür gewesen sein, Reichskreditkassenscheine in den Reichsbankstellen vor Ort zu verwahren und nicht an die Hauptstelle in Berlin zurückzusenden – eine Option, die im Januar 1945 wegen der nur noch eingeschränkt funktionierenden Postverbindungen möglicherweise sowieso nicht mehr erwogen werden konnte[7].
Interessant ist ein weiterer Datumstempel auf der Vorderseite des Bündels, nämlich vom
22. Mai 1945 (einem Dienstag), sowie ein drittes Handzeichen links daneben. Das Bündel wurde also zwei Wochen nach Kriegsende in der Reichsbanknebenstelle Eger erneut bearbeitet. Kann das sein?
Eger wurde am 25. April 1945 durch Soldaten der 97. US-Infanteriedivision eingenommen und besetzt. Zu einer Ablösung der US-amerikanischen durch sowjetische Truppen kam es erst Ende Mai 1945. Die US-amerikanische Besetzung ließ die deutsche Zivilverwaltung zunächst bestehen. Erst im Laufe des Mai 1945 erreichten tschechoslowakische Soldaten und Freischärler die Stadt und es kam zu ersten Verbrechen an der deutschen Bevölkerung.
Die Bearbeitung des Bündels am 22. Mai 1945 noch durch die Reichsbanknebenstelle in Eger belegt, dass die Leitung der auf dem Gebiet des Sudetenlandes bestehenden Reichsbankhaupt- und -nebenstellen erst im Laufe des Mai 1945 durch von der Nationalbank aus Prag entsandte Mitarbeiter übernommen wurde[8].
Das Bündel wurde sodann noch ein drittes Mal bearbeitet, nämlich ausweislich eines Stempels auf der Rückseite am 6. Juli 1947[9] durch die Hauptkasse (Hlavni Pokladna) der Nationalbank der Tschechoslowakei. Leider ist kein Ort angegeben, so dass nicht zu erkennen ist, ob hier eine Bearbeitung noch in Eger, oder bereits in Prag erfolgte.
Auf letzteres deutet der Text „Hauptkasse“ auf dem Stempel hin. Auch hier stellt sich die Frage: Warum bearbeitete die Tschechoslowakische Nationalbank ungültige deutsche Reichskreditkassenscheine noch zwei Jahre nach Kriegsende? Bestände an Reichs- und Rentenmark-Noten hätten nach Deutschland abgeschoben und dort verwendet werden können; sowjetische Truppen in der Tschechoslowakei haben das mit den beschlagnahmten Kassenbeständen der Reichsbankfilialen möglicherwiese auch getan[10].
Für Reichskreditkassenscheine bestand diese Möglichkeit nicht. Denkbar wäre etwa, dass auf dem Staatsgebiet der Tschechoslowakei gesammelte Bestände an diesen Scheinen (der Fund enthielt Bündel von Reichskreditkassenscheinen aus verschiedenen Orten des ehemaligen Sudetenlandes) durch die Tschechoslowakische Nationalbank zentral aufbewahrt und bei anderer Gelegenheit – etwa im Rahmen von Reparationsforderungen – den Nachfolgestaaten des Deutschen Reichs durch die Tschechoslowakei präsentiert werden sollten.
Dazu ist es nicht gekommen. Der Bestand an Reichskreditkassenscheinen auch aus der Reichsbanknebenstelle Eger verschwand nach 1947 für viele Jahrzehnte an einem unbekannten Ort, bevor er jüngst seinen Weg in den Sammlermarkt fand.
Dr. Sven Gerhard
Anmerkungen
Zum nachfolgenden sehr instruktiv Rittmann, Deutsche Geldgeschichte seit 1914, München 1986, S. 255 ff.
Compass. Kommerzielles Jahrbuch 1942: Sudetenland. - Seite 70, abrufbar unter https://portal.zedhia.at/page/public/cpa_000369-70/compass-kommerzielles-jahrbuch-1942-sudetenland
Reichsgesetzblatt 1938 I S. 1393
Reichsgesetzblatt 1938 I S. 1430
Die Deutsche Reichsbank beschäftigte sich bereits im Oktober 1944 in einem internen Papier mit der Notwendigkeit der Herausgabe von Notgeld im Reichsgebiet für den Fall, dass die Bargeldversorgung durch die Reichsbank in einzelnen Gebieten etwa durch feindliche Besetzung nicht mehr möglich sein sollte.
Dazu Bronnert, Reichskreditkassenscheine als Ersatz für fehlende Reichsbanknoten in Kärnten und Tirol im April 1945, https://www.geldscheine-online.com/post/reichskreditkassenscheine-als-ersatz-f%C3%BCr-fehlende-reichsbanknoten-in-k%C3%A4rnten-und-tirol-im-april-1945
S. dazu die Berichte in der Eger Zeitung Januar 1945, abrufbar unter http://www.eger-und-egerland.de/eger-und-egerland/Geschichte_Egerer_Zeitung_Januar.html
Tomsik, 100 Years of the koruna, Prag 2018, S. 136 f.
Das Jahr 1947 ist nur teilweise lesbar. Anhand anderer Bündeln desselben Fundes zeigt sich, dass diese Stempel 1947 aufgebracht wurden
S. Tomsik, a.a.O.