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Notaphile Gedanken zum Martinstag

Aktualisiert: 15. Sept. 2022



„Laterne, Laterne, …“. Jedes Jahr ziehen Scharen von Kindern mit bunten Laternen Martins- und Laternenlieder singend durch die dunklen Straßen zu einem Platz, wo das Martinsfeuer entfacht wird. Hier verteilt Sankt Martin Stutenkerle (Wecken) aus Hefeteig an Kinder mit strahlenden Augen.


Die Szene des Lampionumzugs vor der Stadtsilhouette mit dem voranreitenden Heiligen Martin, der seinen Mantel teilt und ihn einem frierenden Bettler gibt, hat der 50-Pfennig-Kriegsnotgeld-Schein vom 20. Oktober 1918 der Stadt Erfurt stimmungsvoll festgehalten. Er wurden ab dem 5. Februar 1919 ausgegeben und blieb bis zum 2. Januar 1922 im Umlauf. Unterzeichnet sind sie von Oberbürgermeister Dr. Hermann Schmidt und Stadtrat Wallis. In einer kleinen runden, weißen Aussparung befindet sich ein kleiner Trockenstempel mit dem Stadtsiegel. Der mehrfarbige Gutschein ist 86 x 52 mm groß und wurde auf Papier mit dem Wasserzeichen „Stern-Sechseckmuster“ von der Druckerei Ohlenroth in Erfurt gedruckt. Die Auflage betrug eine Million Exemplare. Hierfür berechnete die Druckerei ca. 9.000 Mark. Der Entwurf stammt von Prof. Friedrich Sass (1873 – 1925). Er war Oberlehrer ab der Kunstgewerbeschule in Erfurt.[1]


Abb. 1.1: Erfurt, Stadt, 20. Oktober 1918, 50 Pfennig, Vorderseite.


Abb. 1.2: Erfurt, Stadt, 20. Oktober 1918, 50 Pfennig, Rückseite.


Meines Wissens ist dies der einzige Geldschein, der den Martins-Umzug thematisiert.

Dies kommt nicht von ungefähr. Erst um die Wende zum 20. Jahrhundert entwickelte sich im Rheinland der Brauch der Martins-Umzüge, bei denen der heilige Martin als Soldat oder Bischof mitreitet. Die Laternenumzüge selbst gehen auf Lichterprozessionen zurück, die am Vorabend hoher kirchlicher Feste stattfanden und das Martinsfeuer dürfte ein Überbleibsel eines vorchristlichen, germanischen Erntedankfestes sein. In der christlichen Symbolik kommt dem Licht eine besonders wichtige Bedeutung zu. Es steht für die Heiligkeit Gottes und für Christus, während die Dunkelheit den Teufel und das Böse versinnbildlichen.


Wer war eigentlich der Heilige Martin, an den jährlich am Martinstag (Martini) am 11. November – besonders in katholischen Gegenden – auch mit Gänsebraten erinnert wird? Martin ist einer der bekanntesten Heiligen und der erste, dem diese Würde nicht als Märtyrer, sondern als Bekenner des christlichen Glaubens zugesprochen wurde. Um ihn ranken sich verschiedene Legenden. Er wurde um das Jahr 316 als Sohn eines römischen Militärtribuns in Savarin, dem heutigen ungarischen Szombathely (Steinamanger) geboren. Bereits im Alter von 15 Jahren wurde er Soldat im römischen Heer. Ab 334 diente er bei der Reiterei der Kaiserlichen Garde in Amiens (Gallien). Hier spielte auch die allseits bekannte Geschichte. An einem Wintertag begegnete er vor dem Stadttor einem spärlich bekleideten Bettler, der ihn um eine Gabe anflehte. Da Martin außer seinem Schwert nur einen Militärmantel bei sich hatte, teilte er diesen und gab eine Hälfte dem frierenden Mann.


Abb. 2.1: Schweizerische Nationalbank, 7. März 1973, 100 Franken, Rückseite.


Abb. 2.2: Schweizerische Nationalbank, 7. März 1973, 100 Franken, Vorderseite.


Zu Beginn der 1950er Jahre entschloss sich die Schweizerische Nationalbank, eine neue Banknotenserie zu emittieren. „Man wollte sich neuer Methoden der Papierherstellung, des Druckverfahrens und der Farbmischung bedienen und natürlich dem Zug der Banknotengestaltung in anderen Ländern folgen und die Scheine moderner und gefälliger gestalten.“[2] Ab 1955 gelangte die ersten Noten der neuen Serie in den Umlauf.

Sie bestimmten die nächsten 20 Jahre das Notenbild des Schweizerfranken. Entworfen wurde die 5. Serie vom Grafiker Pierre Gauchat [* 5. Januar 1902 in Zürich; † 26. Februar 1956 in Kairo]. Der Künstler thematisiert Werden und Vergehen mit der Darstellung des „Totentanzes“ auf der Rückseite des Tausenders und des „Jungbrunnes“ beim Fünfhunderter.

Für Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe steht die Rückseite der 100-Franken-Banknoten, auf der der Heilige Martin seinen Mantel teilt. Scheine zu 50 Franken, die mit der Abbildung der Apfelernte die Fruchtbarkeit symbolisieren, vervollständigen die Serie. Gedruckt wurden die Noten in Kupferdruck und Offsetdruck in London bei Thomas de la Rue. Der Erstausgabetag der 100-Franken-Note war der 14. Juni 1957. Sie wurden am 1. Mai 1980 zurückgerufen und waren noch bis zum 30. April 2000 gültig. Insgesamt wurden 250 Millionen Noten mit verschiedenen Ausgabedaten gedruckt (25. Oktober 1956 – 7. März 1973).


Abb. 3.1: Meiningen, Kleinrentner-Nothilfe, o. D., 75 Pfennig, Rückseite.

Abb. 3.2: Meiningen, Kleinrentner-Nothilfe, o. D., 75 Pfennig, Vorderseite.


Im thüringischen Meiningen ließ die Kleinrentner-Nothilfe 1922 vier farbenfrohe Spendenscheine zu 75 Pfennigen bei der Firma Offsetdruck Arthur Kirchner in Erfurt drucken. Die Rückseite eines Scheins zeigt in einem blätterbekränzten Halbkreis die bekannte Szene. Unter dem Bild zweizeilig „Der Heilige Martin / teilt seinen Mantel mit dem Armen“. Die Vorderseite ist dreigeteilt. Im oberen Feld ein Bibelzitat aus dem Alten Testament: „Wohltun ist wie ein gesegneter Garten / und Barmherzigkeit bleibt ewiglich. Sir 40,17.“ Im unteren Feld dreizeilig: „Dieser Schein ist lediglich der / Wohltätigkeit gewidmet, nicht / für den Zahlungsverkehr bestimmt“. In der Mitte links und rechts von der Wertzahl „75“ eingerahmt der vierzeilige Text „Notgeld der / Kleinrenter- / Nothilfe in / Meiningen“.


Nach der barmherzigen Handlung erschien Martin in der folgenden Nacht Jesus Christus im Traum, bekleidet mit dem halben Mantel des Bettlers. Seine Worte „… ich war nackt und ihr habt mir Kleider gegeben … Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ [Matthäus Evangelium, 25, 35–40] sind der Auslöser für Martin, sich taufen zu lassen, seinen Soldatendienst aufzugeben und Schüler des berühmten Kirchenlehrers Hilarius zu werden.


Um das Jahr 370 wählten ihn die Bürger von Tours zum Bischof. Da er sich selbst als unwürdig empfand, versteckte er sich im Gänsestall. Jedoch verrieten ihn die aufgeregt schnatternden Gänse und so musste er das Bischofsamt annehmen. Nach einer anderen Legende watschelten die Gänse während eines Gottesdienstes in die Kirche und störten durch ihr Geschnatter Martins Predigt – zur Strafe wurden sie gebraten. Historiker sind sich einig, dass die Tradition des Martinsgans-Essens darauf beruht, dass am 11. November die Steuer oder Lehensabgabe fällig wurde und diese meist in Naturalien – etwa einer Gans – erbracht wurde. Zugleich war der 11. November der letzte Tag vor der 40-tägigen Fastenzeit vor Weihnachten. Die letzte Gelegenheit, noch einmal einen deftigen Braten zu genießen.


Am 8. November 397 starb der Bischof von Tours im Alter von 81 Jahren bei einem Besuch in Candes. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde er am 11. November in Tours beigesetzt. Bereits wenige Jahre nach seinem Tod wurde sein Grab im Kloster Primulacum und hier besonders sein Mantel zum Pilgerziel. Um 480 legte Perpetuus, der dritte Nachfolger Martins als Bischof von Tours, den Gedenktag des heiligen Martin auf den Tag seiner Beisetzung.


Zahlreiche Gemeinden, wie z. B. die Stadt Bingen und die Stadt Lorch, führen in ihrem Wappen den Heiligen Martin. Von diesen beiden Städten sind einige Notgeldscheine bekannt, bei denen dieses Wappen ein bestimmendes Gestaltungselement ist. Die Stadt Lorch gab unter dem Datum vom 20. August 1920 Serienscheine zu 10, 25 und 50 Pfennigen aus, die auf der Vorderseite jeweils groß das Stadtwappen mit dem Heiligen Martin zeigen.


Abb. 4.1: Lorch, Stadt, 20. August 1920, 50 Pfennig, Vorderseite.

Abb. 4.2: Lorch, Stadt, 20. August 1920, 50 Pfennig, Rückseite.


Vielleicht noch auffälliger ist diese Darstellung auf der Vorderseite der Gutscheine zu 50 Pfennig sowie 5 und 10 Mark der Stadt Bingen vom 25. Oktober 1918. Ausgegeben wurden sie wegen des Zahlungsmittelmangels am Ende des Ersten Weltkriegs. Den Druck der Scheine besorgte J. Maulbach & Co in Frankfurt am Main.


Abb. 5.1: Bingen, Stadt, 25. Oktober 1918, 10 Mark, Vorderseite.

Abb. 5.2: Bingen, Stadt, 25. Oktober 1918, 10 Mark, Rückseite.


Uwe Bronnert


Anmerkungen [1] Angaben nach Hans-Peter Brachmanski, Torsten Pappler, Ringo Staudt, Erfurter Papiergeld und geldähnliche Belege von 1814 bis 2001, Selbstverlag 2020, S. 29.

[2] Herbert Rittmann, Schweizer Münzen und Banknoten, Zürich und München 1980, S. 47.

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