Sofort nach der Besetzung des Baltikums durch die deutsche Wehrmacht und Schaffung des Reichskommissariats Ostland bemächtigten sich die Besatzungsbehörden der Ressourcen der Region. Textilien, Fasern, Metallprodukte, Kerosin, Güter des täglichen Bedarfs, wie Zucker, Sonnenblumenöl oder Tabakwaren wurden ins Reich geliefert, während all diese Produkte für die einheimische Bevölkerung rationiert wurden und nur gegen entsprechende Bezugsscheine zu erhalten waren.
Mancher Sammler von Papiergeld nimmt entsprechende Bezugsscheine in seine Sammlung auf, vor allem dann, wenn sie wie Geldausgaben daherkommen. Dies gilt besonders für die Ostland Spinnstoffwaren-Punktwertscheine. Sie wurden als Prämie für die Ablieferung von Flachs und Wolle abgegeben und ermöglichten so den Kauf von rationierten Stoffen und Kleidungsstücken. Diese Bezugsscheine wurden durch Erlass des Reichskommissars für das Ostland, Heinrich Lohse, geschaffen. Ab Juli 1942 beauftragten die Generalkommissare in Reval (Tallinn), Riga, Wilna (Vilnius) und Minsk die örtlichen Handelsabteilungen Punktwertscheine auszugeben. Zur Ausgabe gelangten Scheine mit den Punktwerten 1, 3, 5 und 10, wobei 4 Punkte mit 125 g Wolle bewertet wurden. Beim Kauf von Spinnstoffen mussten dem Händler neben den Punktwertscheinen ein sog. Bezugsbüchlein vorgelegt werden, das auf den Namen der berechtigten Person ausgestellt war und in dem die Punktwertscheine eingetragen waren. Benutzte Scheine wurden durch Abschneiden der rechten oberen Ecke ungültig gemacht. Hier findet sich bei vollständigen Scheinen der zweizeilige Hinweis: „Bei Warenabgabe durch / Abschneiden zu entwerten“.
Abb. 1.1: Estland, Ostland Spinnstoffwaren-Punktwertschein, Verfallsdatum: 30. April 1945, 10 Punkte, Vorderseite.
Abb. 1.2: Estland, Ostland Spinnstoffwaren-Punktwertschein,
Verfallsdatum: 30. April 1945, 10 Punkte, Rückseite.
Abb. 2.1: Lettland, Ostland Spinnstoffwaren-Punktwertschein,
Verfallsdatum: 30. April 1945, 1 Punkt, Vorderseite.
Abb. 2.2: Lettland, Ostland Spinnstoffwaren-Punktwertschein,
Verfallsdatum: 30. April 1945, 1 Punkt, Rückseite.
Abb. 3.1: Litauen, Ostland Spinnstoffwaren-Punktwertschein,
Verfallsdatum: 30. April 1945, 1 Punkt, Vorderseite.
Abb. 3.2: Litauen, Ostland Spinnstoffwaren-Punktwertschein,
Verfallsdatum: 30. April 1945, 1 Punkt, Rückseite.
Die Vorderseite der Spinnstoffwaren-Punktwertscheine ist bei den vier Generalkommissariaten des Ostlands gleich, Sie unterscheiden sich lediglich in der Bezeichnung in der linken oberen Ecke; entweder Estland, Lettland, Litauen oder Weissruthenien (Weißrussland, Belarus). Alle Scheine sind zweisprachig. Neben Deutsch wurde die jeweilige Landessprache benutzt, wobei in Weißrussland auf den Punktmarken mit dem Verfallsdatum 30.06.1943 zunächst die russische Sprache verwendet wurde und erst bei der späteren Ausgabe (Verfallsdatum 31.12.1944) die weißrussische.
Überschrieben sind die Scheine zweizeilig mit „OSTLAND SPINNSTOFFWAREN-PUNKTWERTSCHEIN / für Flachs- und Wollablieferung“; darunter die Bezeichnung in der jeweiligen Landessprache. In der Scheinmitte der Punktwert, darüber klein „Inhaber dieses Scheines / ist berechtigt Spinnstoffwaren / für X Punkte zu kaufen“ und darunter die Wiedergabe in der Landessprache. Am unteren Rand das Siegel des Reichskommissars und links davon dreizeilig „Ausgegeben auf Grund der / Anordnung des / Reichskommissars für das Ostland“ und rechts die entsprechende Angabe in der Landessprache. Auf der linken Scheinseite befindet sich eine Vignette mit der Darstellung eines Mannes beim Kardieren (Kardätschen, Krempeln) von Flachs und auf der rechten eine Frau beim Schafscheren, beide umschrieben mit „FLACHS UND WOLLE – SEGEN DES LANDES“.
Auch der Text der Rückseite ist sowohl in Deutsch als auch in der Landessprache angegeben. Hier werden die für einen Erwerb benötigten Punktzahlen für acht Beispiele genannt. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass alle Spinnstoffwaren in einem Warenverzeichnis aufgeführt sind, das in jeder Textilverkaufsstelle eingesehen werden kann. Das Verfallsdatum ist entweder der 30. Juni 1943, der 30. April 1944, der 31. Dezember 1944 oder der 30. April 1945. Am unteren Rand wird außerdem meist die Druckerei genannt: „Lettlands Wertpapierdruckerei, Riga“ mit und ohne Genehmigungsnummer „6308“. Bei einigen Ausgaben mit dem Verfallsdatum 30. April 1945 wird die Druckerei in lettischer statt deutscher Sprache genannt: „Rigas litografija un ofset spiestuve atl 3173“. Während die Scheine mit dem Verfallsdatum 30. April 1945 auf Papier mit dem Wasserzeichen „OST – OST“ gedruckt wurden, sind die anderen Ausgaben auf Papier ohne Wasserzeichen hergestellt worden. Unterschiede der einzelnen Emissionen gibt es bei der sechsstelligen Kontrollnummer: mal mit, mal ohne vorgesetzten Buchstaben.
Abb. 4: Wasserzeichen OST – OST
Quelle: https://notescollector.eu/pages/en/notes.php?noteId=1008 (28.03.2022)
Der Schein des Generalkommissariats Weißruthenien mit dem Verfallsdatum 31.12.1944 fällt aus den Rahmen.
Zunächst ist er überschrieben mit „SPINNSTOFFWAREN-PUNKTWERTSCHEIN“; die Wertangabe lautet „1 TEXTILPUNKT“ und ausgegeben wurde er aufgrund der Anordnung des Generalkommissars in Minsk, daher auch das Siegel des Generalkommissars.
Ähnliches gilt auch für Spinnstoffwaren-Punktwertscheine, die auf Anordnung der „Wi In Nord Chefgr. La“ (Hauptverwaltung für Wehrwirtschaftsfragen Nord) in Nordrussland (Region um Pskov und Leningrad) ausgegeben wurden. Die Scheine sind nur einseitig deutsch und russisch bedruckt mit dem Verfallsdatum (30.4.44) auf der Vorderseite.
Abb. 5.1: WI IN Nord, Spinnstoffwaren-Punktwertschein,
Verfallsdatum: 30.4.44, 10 Punkte, Vorderseite.
Abb. 5.2: WI IN NORD, Spinnstoffwaren-Punktwertschein, Verfallsdatum: 30.4.44, 10 Punkte, Rückseite.
Quelle: https://notescollector.eu/pages/en/notes.php?noteId=1008 (28.03.2022)
Leider werden seit einigen Jahren bei ebay und selbst im Fachhandel verstärkt Fälschungen der Punktwertscheine angeboten. Daher ist beim Kauf größte Sorgfalt geboten.
Bereits am 24. Juni 2019 eine Warnmeldung hier im Blog:
Uwe Bronnert
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