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Wahre Verbrechen: The Biggest Robbery in UK

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„Der größte Raub im Vereinigten Königreich“: Nein, nicht der spektakuläre sog. Postzugüberfall von 1963 ist gemeint. Das Geschehen an der Bridego-Eisenbahnbrücke ist bekannt – aus Filmen, Büchern und Reportagen.


Am 8. August 1963 hatte in den Morgenstunden eine Gangsterbande den Zug der West Coast Main Line von Glasgow nach London nahe Mentmore (Buckinghamshire/England) angehalten und aus dem Waggon der Royal Mail 120 Geldsäcke u.a. mit Banknoten der Bank of England, der Midland Bank, der Barclays Bank, der Royal Bank of Scotland und der Currency Commission Ireland gestohlen. Die Beute enthielt Scheine von Ausgaben zu 10 Shillings bis 50 Pounds; die meisten waren gebrauchte, nicht registrierte Noten zu 1 und 5 £.


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Abb. 1: Szenenbild aus dem Zweiteiler der Filmproduktion „The Great Train Robbery“ (© BBC 2013) – acht Geldsäcke mit vermutlich 131.000 £ wurden dabei aus „Zeitgründen“ zurückgelassen; der damalige Polizist John Woolley aus Buckinghamshire schätzte das Gesamtgewicht der Geldsäcke auf zweifelhafte zweieinhalb Tonnen.


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Abb. 2: Titelseite des Londoner „Evening Standard“ vom 8. August 1963 – etwa 15 Gauner erbeuteten 636 Geldbündel mit Banknoten jedoch mit der höheren Summe von 2.631.684 £ (Presseangaben) bzw. 2.595.997 £ 10 sh (Polizeiangaben) – bis heute konnte die Gesamtmenge nicht beziffert werden – ursprünglich sollten Banknoten in Höhe von nur 300.000 £ transportiert werden; da jedoch in Schottland ein Feiertagswochenende war, betrug die Gesamtsumme wesentlich mehr.


Der Großteil der Beute aus dem Raub an der Bridego Railway Bridge, Ledburn, wurde nie wiedergefunden. Lediglich bei den Verhaftungen einzelner Täter wurden erhebliche Mengen der gestohlenen Geldscheine sichergestellt.


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Abb. 3: Zwei Geldsäcke der Royal Mail mit etwa 50.000 £, die in einer Telefonzelle an der Great Dover Street in Southwark im Zentrum von London nach einem anonymen Anruf bei der Polizei entdeckt wurden (© National Science and Media Museum).


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Abb. 4: Nahaufnahme mit schottischen Banknoten und 1-£-Scheinen (Fotos: Ron Burton vom „Daily Herald“).


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Abb. 5: Banknote der Bank of England zu 1 £ – Originalschein aus dem Raub vom 8. August 1963 – Beweisstück No. 441 S; am 15. November 2019 wurde diese Banknote bei Bristol Auctions angeboten, zusammen mit weiteren Gegenständen, die im Zusammenhang mit dem Postraub standen (© Somerset County Gazette).


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Abb. 6: 5-Pfund-Note der Bank of England aus der Adam Partridge Auctioneers & Valuers Auktion vom 7. Juli 2021, bei einer Schätzung von 100 bis 150 £ erlangte der Graffiti-Schein das Höchstgebot von 460 £ – es unterschrieben Ronnie Biggs (mit der Inschrift „Rio 1998“), Buster Edwards, Bruce Reynolds, Tommy Wisbey, Gordon Goody und Jimmy Hussey; Beschreibung des Auktionshauses: „Dieser Artikel stammt aus einer sehr guten lokalen Privatquelle und obwohl wir die Echtheit dieser Unterschriften nicht garantieren können, haben wir allen Grund, an ihre Richtigkeit zu glauben. Die Banknote weist einige Knicke und Falten auf, mit ein paar braunen Flecken an den Rändern, aber dies tut diesem unglaublich einzigartigen Artikel keinen Abbruch.“


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Abb. 7: 500-£-Spielgeld, mit Unterschriften von Bruce Reynolds und Ronnie Biggs; die Räuber spielten Monopoly aus Zeitvertreib in der ersten Fluchtunterkunft im Landhaus der Leatherslade Farm; im Internet werden unterschiedliche Graffiti-Scheine als Reprint offeriert (© https://www.ebay.co.uk).


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Abb. 8: 10 Shillings, Rs., eine der Originalnoten, mit Unterschriften der Haupttäter (Bruce Reynolds, Bob Welch, Gordon Goody, Charlie Wilson, Roger Corderey, Buster Edwards, Jimmy White, Tommy Wisbey, Jim Hussey und Roy James – am 27. September 2023 vom Auktionshaus Chaucer in Folkestone mit einem Schätzwert von 40 £ versteigert.


Bruce Richard Reynolds war der Rädelsführer der Bande, aber sein Mittäter Ronald Arthur „Ronnie“ Biggs erlangte eine unrühmlichere Bekanntheit durch seine Flucht aus dem Londoner Wandsworth-Gefängnis. Anschließend entkam er über Frankreich und Australien nach Brasilien – stellte sich aber aus Alters- und finanziellen Gründen 2001 in London der Polizei und verbrachte bis zu seiner Begnadigung 2009 eine Reststrafe im berüchtigten Belmarsh-Gefängnis.


Damals wurde eine Belohnung von insgesamt 260.000 £ für die Ergreifung der Diebe ausgesetzt; u.a. fand die Polizei auf dem Monopoly-Spiel viele Fingerabdrücke der Täter. Noch im Jahr 1963 wurden die meisten Räuber verhaftet und 1964 und erhielten sie vor dem Schwurgericht von Aylesbury ihre Urteile, die meist auf 30 Jahre Gefängnis lauteten.

Drei Räuber wurden nie gefunden.


Der tatsächlich bis heute größte Geldraub in Großbritannien geschah jedoch 2006 im englischen Tonbridge – in der britischen Statistik als „Securitas Depot Robbery“ geführt.


Das Verbrechen verlief wie folgt:

Der 51-jährige Colin Dixon fuhr in den frühen Abendstunden in seinem Nissan Almera

am 21. Februar 2006 auf der Fernverkehrsstraße A 249 von Tonbridge in Richtung seines Wohnortes Herne Bay. Auf halber Strecke der einstündigen Heimfahrt wurde er von der Polizei gestoppt und zwei Uniformierte baten den Filialleiter des Wachdienstes Securitas Co. Kent den Motor abzustellen, den Zündschlüssel im Auto zu lassen und auszusteigen.

Die Verhaltensregeln der Sicherheitsfirma sahen vor, dass keiner seiner Angestellten die Wohnadresse wissen durfte, die Heimfahrt auf unterschiedlichen Routen und abwechselnd in unterschiedlichen Autos erfolgen und er nie aussteigen sollte. Im Falle eines Stopps durch die Polizei sollte Dixon den Beamten ein Schreiben vorzeigen, das ihn als Manager der Securitas Co. auswies. Er aber stieg aus, in Handschellen gefesselt wurde er gezwungen,

in den bereitstehenden Volvo S 60 zu steigen. Anschließend fuhren die Täter zu Dixons Haus, forderte seine Ehefrau Lynn Dixon auf, mit ihrem 8-jährigen Sohn Craig ins benachbarte Krankenhaus mitzukommen, da ihr Ehemann angeblich einen Autounfall hatte. Lynn Dixon erkannte bald, dass es kein echtes Polizeifahrzeug war, in das sie gezwungen wurde.


Alle fuhren zurück zur Securitas-Filiale nach Tonbridge; unter vorgehaltener Waffe musste Dixon mit seiner Karte und dem erpressten Code den Haupteingang des Depots öffnen und ein Angestellter ließ den falschen Bobby und den Manager ins Gebäude. Dort lagerten in großen Stahlbehältern Banknoten in farbigen Paketen, wie ein unscharfes Video einer Überwachungskamera zeigt. Davon stahlen die Gangster Banknoten im Gesamtbetrag von 53.116.760 Pfund.


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Abb. 9: Videoaufnahme vom 22. Februar 2006, 02:01.27 Uhr; in den Gitterboxen lagen die farbigen Pakete mit Banknoten: grün mit 5-Pfund-Noten zu je 2.500 £, blau mit 10-Pfund-Noten zu je 5.000 £, rot mit 20-Pfund-Noten zu je 5.000 £ und gelb mit 50-Pfund-Noten zu je 12.500 Pfund £ (© ShowTime).


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Abb. 10: Aufnahmen der Überwachungskameras zeigen den Renault-Lastwagen und den Abtransport der geraubten Banknoten in 17 Stahlbehältern, sog. Käfige (Foto: Press Association).


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Abb. 11: 2001 errichtete die Barclay Bank im Medway House in der Vale Road vonTonbridge nahe des Discounters „Angel“ ihr Zwischenlager für gebrauchte und bankfrische Banknoten (wikipedia.com).


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Abb. 12: „Rücksichtsloser Überfall“ – Schlagzeile der „Irish Sun“ vom 27. Februar 2006, abgebildet sind das fensterlose Gebäude des Securitas-Depots, die Übersichtskarte und ein zur Entführung genutztes Fahrzeug (© https://www.thesun.ie).


Die Ermittlungen zum Raubüberfall führten schnell zur Aufklärung: am 27. Februar 2006 informierte die Polizei von Kent, dass vier Männer bei mehr als zehn Einsätzen festgenommen wurden. Anfang März wurden in dem zur Tat benutzen weißen Transit-Lieferwagen die ersten 3 Mio. Pfund gefunden – zusammen mit Waffen, Sturmhauben und Splitterschutzwesten. Fünf weitere Fahrzeuge, die mit dem Überfall in Verbindung standen, wurden ebenfalls entdeckt.

Fünf Verdächtige wurden bald gefasst und ihnen konnte die gemeinsame Tat auch wegen ihrer vielen Fehler nachgewiesen werden; Jetmir Buçpapa, Roger Coutts, Emir Hysenaj, Stuart Royle und Lea Rusha waren geständig. Die beiden Beteiligten und Drahtzieher Lee Murray und Paul Allen flüchteten vier Tage nach dem Überfall nach Marokko.


Wie sich später herausstellte: Der illegal nach England eingewanderte und im Securitas-Depot beschäftigte Albaner Emir Hysenaj galt als Insider. Mit einer Minikamera am Gürtel machte er heimlich Aufnahmen von den Innenräumen und versorgte die Bande mit weiteren Informationen. Alle 14 Mitarbeiter, Frau Dixon und ihr Sohn wurden in leere Gitterboxen eingesperrt. Ein Alarm wurde nicht ausgelöst, erst eine halbe Stunde nach Abmarsch der Räuber erfuhr die Polizei vom bisher größten Geldraub in Großbritannien.


Eine Woche nach dem Raub wurden die meisten Fluchtfahrzeuge gefunden, eines enthielt Banknoten im Wert von 1,3 Mio. Pfund. Bei Razzien wurden weitere 9 Mio. Pfund in Welling und 8 Mio. Pfund in Southborough sichergestellt.


Am 26. Juni 2007 begann der Strafprozess im Londoner Central Criminal Court of England and Wales, dem bekannten Old Bailey. Die Angeklagten Buçpapa, Coutts, Royle und Rusha wurden zu lebenslänglicher Haft und Hysenaj zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Lee Murray wurde im Juni 2006 in Rabat, Marokko, verhaftet und wegen seiner marokkanischen Staatsbürgerschaft dort erst im Juni 2010 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, Nach einem gescheiterten Fluchtversuch aus dem Gefängnis und einer erfolglosen Berufung erhielt er am 30. November 2010 eine auf 25 Jahre verlängerte Haftstrafe.

Der nach Großbritannien ausgelieferte Paul Allen kam 2008 mit einer Strafe von 18 Jahren Gefängnis davon. Die meisten kamen vorzeitig aus der Haft.


Bis 2016 waren 32 Mio. Pfund noch nicht wieder aufgetaucht. Ein Großteil davon befand sich angeblich in Marokko und Nordzypern. Das Fazit auch hier: Verbrechen lohnen sich nicht!


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Abb. 13: Teil der Beute in Höhe von 10 Mio. Pfund; bis zum 9. März hatte die Polizei über

21 Mio. Pfund sichergestellt – man ging davon aus, dass ein Großteil des sichergestellten Bargelds von der Bande absichtlich zurückgelassen worden war, da es sich um neue und nachverfolgbare Banknoten handelte, während der Rest aus gebrauchtem, nicht registrierten Scheinen bestand (© https://www.bbc.com.uk).


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Abb. 14: Ein Großteil des gestohlenen Geldes gehörte der Bank of England, Securitas erstattete noch am selben Tag 25 Mio. Pfund und versprach, etwaige zusätzliche Verluste auszugleichen. Securitas und ihre Versicherer boten außerdem eine Belohnung von 2 Mio. Pfund für Informationen, die zur Ergreifung der Bande führten (© ShowTime).


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Abb. 15: Da aus Sicht der Täter der Abtransport schleppend verlief, beluden sie drei Einkaufswagen; 154 Millionen Pfund passten jedoch nicht in den Lkw und wurden zurückgelassen; die Pakete mit bankfrischen Scheinen waren meist die Ausgaben mit der Unterschrift von Andrew John Baily, von Januar 2004 bis April 2011 Chief Cashier der Bank of England unter Mervyn King (© https://www.reuters.com).


Michael H. Schöne


Quellen:

www.geldscheine-online.com | Regenstauf

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