Wechselfahrscheine und Fahrmarken 1947/48 als Notgeld
- Michael H. Schöne
- vor 34 Minuten
- 5 Min. Lesezeit
Eine einfache Fahrt mit den örtlichen Straßenbahnen in Westdeutschland kostete 1947 in der Regel 10 bzw. 20 Reichspfennig für eine „Geradeausfahrt“ – je nach Fahrstrecke. Durch den damals herrschenden Kleingeldmangel waren die Schaffner oftmals nicht in der Lage, nötiges Wechselgeld an die Fahrgäste herauszugeben.

So wurde die Idee geboren, sog. „Wechselfahrscheine“ auszuhändigen ... die gern im normalen Geschäftsleben als Notgeld verwendet wurden. Solches Ersatzgeld lief vor allem im Rheinland, in Westfalen, Niedersachsen und Hessen, aber auch in Sachsen-Anhalt in den Jahren 1947 bis zur Währungsreform im Juni 1948 um. Bekannt sind:
Wechselfahrscheine
Aachen
10 (Reichspfennig) – a: Wertziffer grün, b: Wertziffer rot
20 (Reichspfennig)

Bochum-Gelsenkirchen
10 (Reichspfennig); 60 × 41 mm, o. D. – ab 22. Juli 1947 ausgegebene Wechselfahrscheine der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG (BOGESTRA), hergestellt bei der Druckerei J. Granderath in Düsseldorf, da die bisherige Heinrich Fasbender GmbH (Berlin, Wallstraße 11) nicht mehr ausreichend liefern konnte; die Scheine wurden durch die Ausgabe von Wechselmarken ergänzt – ein Vorschlag des Bochumer Stadtkämmerers, „Stadtgutscheine“ anstelle von Fahrmarken auszugeben, wurde nicht umgesetzt
Düsseldorf
20 (Reichs-)Pfennig o. D. – a: KN 5stellig, b: KN 6stellig – im August 1947 ausgegeben

Gladbach-Rheydt
50 Reichspfennig, o. D. (1947) – Notgeld-Fahrscheine der Städtischen Straßenbahnen Gladbach-Rheydt mit 10 Feldern zu je 10 Pfennig, lt. Dr. A. Keller „doch Gesamtpreis 50 Pfg.“
Halle-Merseburg
10 Pfennig – a: Druckzeile „11 47“ (November 1947), b: Druckzeile „3 48“ (März 1948)
25 Pfennig, Druckzeile „3 48“ (März 1948)

Hamm
10 (Reichspfennig)
20 (Reichspfennig)




Hannover
(20 Reichspfennig), o. D. (1947), Druckzeile „8 47“ (August 1947)


Herne-Castrop-Rauxel
(10 Reichspfennig), o. D. (1947), Wechselfahrscheine der Straßenbahn Herne–Castrop-Rauxel GmbH
die Scheine waren ab 28. Juli 1947 in Umlauf
Krefeld
10 (Reichspfennig), o. D. (1947), Fahrscheine der Krefelder Verkehrs-AG
20 (Reichspfennig), o. D. (1947), die Rückseiten wurden mit „Vorkaufsschein“ gestempelt
Münster
20 Reichspfennig, o. D., (1947), Fahrscheine der Stadtwerke Münster, ausgegeben von der Abt. Verkehrsbetriebe
Neuss
20 Reichspfennig, o. D., (1948), Teilstrecken-Fahrscheine Stadtwerke Neuss GmbH/Verkehrsbetriebe
Remscheid
10 Reichspfennig, o. D. (1947)
20 Reichspfennig, o. D. (1947)


Wiesbaden
20 (Reichspfennig), o. D. (1947), Fahrscheine der Stadtwerke Wiesbaden AG, 95 × 50 mm
Wie erwähnt: Wenn den Schaffnern das knappe Wechselgeld ausging, gaben sie den Fahrgästen den fehlenden Betrag in Form nicht entwerteter Fahrscheine aus. Ein großes Problem war das weiche Papier der Fahrscheine; sie rissen leicht ein oder waren zerknüllt. Oftmals wurden sie deshalb nicht mehr akzeptiert. Schaffner und Fahrgäste gerieten manchmal in Streit darüber, ob die Fahrscheine noch neuwertig waren und für eine Fahrt anerkannt werden konnten. Die „Westfälischen Rundschau“ vom 23. Juli 1947 stellte klar, dass die Fahrscheine nur bedingt Notgeld waren: „Ein Umtausch in Bargeld an der Kasse der Straßenbahn oder beim Schaffner wird nicht vorgenommen.“ Vielerorts gab es außerdem Lieferprobleme der Druckereien. Wie die Berliner Fasbender GmbH konnte auch die Billettfabrik Franz Straubel in Wuppertal (Elberfeld, Trooststraße 5) nicht mehr zuverlässig liefern. Die Situation ausnutzend forderte bspw. die Düsseldorfer Druckerei J. Granderath
in Verhandlungen mit der Stadt Bochum einen Vertrag mit 10-jähriger Laufzeit.
Solche Schwierigkeiten wurden mit der Ausgabe von münzähnlichen Marken umgangen.
Am 9. Juni 1947 führte die Städtische Straßenbahn Solingen Wertmarken in Messing ein. Andere Städte gaben ähnliche Marken aus:
Fahrmarken
Bochum-Gelsenkirchen
10 (Reichspfennig), o. D. (1947), Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG;
a: 3,5 mm stark mit einem Punkt hinter „A-G · “ – b: 4 mm stark mit einem Strich hinter „A-G -“

Duisburg
10 (Reichspfennig), o. D. (1947), Duisburger Verkehrsgesellschaft A. G.,
a: Wertzahl 5 mm – b: Wertzahl 5,5 mm – c: Wertzahl 6 mm

Hagen
10 (Reichspfennig), o. D. (1947), Hagener Straßenbahn AG (HST)

Solingen
(20 Reichspfennig), o. D. (1947), Städtische Straßenbahnen Solingen GmbH – a: Messing –
b: Kupfer

.
Die Fahrmarken hatten mit 21 mm den gleichen Durchmesser wie die damals geltenden 10-Reichspfennig- und 10-Rentenpfennig-Münzen. Von allen Fahrmarken sind Varianten vorhanden, die durch die groben Prägungen entstanden. Auch wurden unterschiedliche Abarten wie Fehllochungen, Kehrprägungen oder Stempeldrehungen bekannt.
Weitere Marken wurden bisher nicht gemeldet. Die Fahrmarken hatten ein überregionales Verbreitungsgebiet weit über ihre Ausgabeorte hinaus. Manche Betriebsbahnhöfe gewährten einen Umtausch der Marken in gültige Reichsmark. Insgesamt sind die Fahrmarken nicht häufig; durch den sehr begrenzten Sammlerkreis und den wertlosen Materialwert ist der Sammlerwert aber gering.
Offiziell galten die umfunktionierten Fahrscheine nur als Wechselscheine, wenn sie nicht entwertet waren und wurden dann auch entsprechend beim örtlichen Bäcker oder Fleischer usw. als Ersatzgeld akzeptiert. Bei den Wechselfahrscheinen hingegen hat es wahrscheinlich weitere Ausgabestellen gegeben, da der Kleingeldmangel in allen Teilen des besetzten Deutschlands herrschte. Ähnliche Scheine könnte es bspw. nicht nur im niedersächsischen Braunschweig gegeben haben. Der abgebildete 20-Pfg.-Schein der Straßenbahn Braunschweig zeigt in der Drucknorm außer dem bekannten Herstellerbetrieb Dreske & Krüger auch die von den Alliierten zugeordnete Lizenznummer CDH 11. Interessant ist jedoch das Herstellungsdatum: November 1946.

Auch vor und nach der Ersatzgeldperiode 1947/48 waren deutschlandweit Fahrscheine in Gebrauch, die sich in der Gestaltung manchmal ähneln. Das war mitunter auch den ausführenden Druckereien geschuldet.


Michal H. Schöne
Quellen:
Günter Fritz: „Fahrmarken – deutschsprachige Marken und Zeichen“, 2016
Dr. Arnold Keller: „Das Notgeld der deutschen Währungsreform 1947/1949“,1957
Michael H. Schöne: „Das Papiergeld im besetzten Deutschland 1945 bis 1949“, 1994
