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Leserpost: Moderne Serienscheine aus Thüringen?

Aktualisiert: 3. Nov.

Vor einigen Jahren konnte ich drei Notgeldscheine der Stadt Weißensee in Thüringen von 1921 kaufen, die so nicht in ihrem Katalog der deutschen Serienscheine zu finden sind.

Es handelt sich um Werte zu 1, 5 und 10 Mark von 1921 auf Karton.

Handelt es sich evtl. um Probedrucke oder Muster, die nicht ausgegeben wurden?

Könnten Sie mir bitte mitteilen, um was es sich dabei genau handelt und ob die Scheine einen höheren Sammlerwert haben als die normalen Serienscheine der Stadt?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Mühe.

H. Weiss




Antwort der Redaktion:

Ich selbst konnte vor ca. zehn bis 15 Jahren diese drei Scheine für meine Sammlung erwerben. Natürlich stellte sich damals auch mir die Frage, was es damit auf sich hat, zumal es sich um meine Heimatstadt handelt, in der ich geboren und aufgewachsen bin.

Nach einer Rückfrage beim Stadtarchiv war klar, dass es hier keine Belege dazu gab und man von einem Nachdruck zum Stadtjubiläum in den 1960er Jahren ausging. Henning Huschka führt deshalb die Scheine in seinem Katalog "Ersatzgeld und geldähnliche Belege in der DDR" unter GS 310 auf und schreibt:

Gutscheine während der Feiern zu 700 Jahre Stadtrecht – Nachdruck des Notgeldscheines zu 1 M von 1921, sowie Änderung der Druckplatten bei den Scheinen zu 5 und 10 M. Die Scheine konnten für MDN [Mark der Deutschen Notenbank] umgetauscht werden und dienten als Bezahlungsmittel für Buden und Kioske während der Feierlichkeiten. Nicht eingelöste Scheine verblieben als Andenken beim Käufer.

Bei der Verleihung des Stadtrechts ging man früher auf das Jahr 2012 zurück (1962 fand also eine 750-Jahr-Feier statt!), heute aber auf das Jahr 1265, was die Abweichung bei den Angaben zu den Feierlichkeiten zum Stadtjubiläum ausmacht. Es gibt deswegen auch Angaben zu einer 700-Jahr-Feier 1965, die aber so nicht stattgefunden hat.


Die sehr schönen Serienscheine der Stadt Weißensee wurden vom Erfurter Grafiker und Maler Alfred Hanf (1890-1974) gestaltet, der auch Notgeld für Erfurt und weitere Städte entworfen hat.



Stadt Weißensee in Thüringen: Serienschein zu 1 Mark vom 1. August 1921, Original, Vorderseite mit der heiligen Elisabeth von Thüringen und dem sog. "Rosenwunder" und Rückseite mit der Wartburg oben und deren Schwesterburg, der Runneburg in Weißensee, unten.


Spätestens seit der sehr lesenswerten Veröffentlichung "Erfurter Geld- und Medaillengeschichte, Band III – Alfred Hanf: 100 Jahre künstlerisches Notgeld für Erfurt, Gebesee, Sömmerda und Weißensee – Entwürfe, Proben und Geschichte(n)" von Hans-Peter Brachmański und Ringo Staudt aus dem Jahr 2021 ist klar, dass es sich um Nachdrucke handelt, die vom ehemaligen Runneburgverein der Stadt zur 825-Jahr-Feier der Runneburg im Jahr 1993 ausgegeben worden sind. Die auf festem Karton ausgeführten und von ihrer Gestaltung ausschließlich am 1-Mark-Schein von 1921 orientierten Nachdrucke waren 1993 während eines Burgfestes gültig, das zu diesem Jubiläum veranstaltet wurde.

Druckplatten wurden hierfür jedoch mit Sicherheit nicht geändert, da die Bearbeitung der Vorlage auch schon in den 1990er Jahren digital möglich war. Auch für den Druck selbst benötigte man zu dieser Zeit schon keine Druckplatten mehr.


Im Juni diesen Jahres besuchte ich meine alte Heimatstadt und sowohl im Stadtarchiv als auch durch Sammler des ehemaligen Vereins der Briefmarken- und Münzfreunde von Weißensee, die sich immer noch regelmäßig treffen, wurde die Verwendung zum Burgfest 1993 bestätigt. Es gibt wohl keine Bestände dieser Nachdrucke mehr, der Runneburgverein hat sich leider 2010 aufgelöst. Es gibt auf der Burg seither kein Museum mehr (abgesehen von ehrenamtlichen Führungen an Wochenenden), auch Gastronomie, Burgfeste, Mittelalterfeste und das beliebte Steinschleuderschießen mit dem Nachbau einer mittelalterlichen Blide wurden leider eingestellt. Von den Nachdrucken dürften aber noch einige Stück als Souvenir aufbewahrt worden sein. Sie sind auf alle Fälle deutlich seltener als die Original-Serienscheine von 1921 und verdienen es, in Regional- oder Notgeldsammlungen aufbewahrt zu werden.


Nach Rücksprache mit Herrn Thomas Stolle vom ehemaligen Runneburgverein, wurden die Nachdrucke definitiv zum Burgfest 1993 angefertigt. Der Originalschein zu 1 Mark von 1921 wurde dazu als Vorlage genutzt und vom Grafiker und Zeichner Fleischmann aus Sömmerda abgeändert. Es handelte sich um eine größere Auflage, da zum Burgfest etwa 10.000 Besucher kamen. Zur 750-Jahr-Feier 1962 (2012-1962) gab es lediglich runde Plastikmünzen.



Weißensee/Thür., 1 Runneburg-Taler (Plastik, Durchmesser ca. 57 mm), ausgegeben zur 750-Jahr-Feier der Stadt 1962, Vorderseite mit Wertangabe im Lorbeerkranz, Rückseite mit Runneburg.


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Titel des Festheftes mit Programm zum Stadtfest "750 Jahre Stadt Weissensee Thüringen 1212 – 1962" für die Festwoche vom 30. Juni bis 8. Juli 1962.

Vielen Dank an Manuela Pilz, Weißensee/Thür. für die Bereitstellung der Vorlage für diese Abbildung.














Hans-Ludwig Besler (Grabowski)


Abbildungen

  • Geldscheine: Archiv für Geld- und Zeitgeschichte

  • Plastikmünze: Thomas Stolle


Literaturempfehlungen


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Hans-Ludwig Grabowski | Manfred Mehl

Deutsches Notgeld, Band 1 und 2:

Deutsche Serienscheine 1918 – 1922


Titel: Gietl Verlag

ISBN: 978-3-86646-518-3

Auflage: 3. völlig überarbeitete und neu bewertete Auflage 2009

Format: 14,8 x 21 cm

Abbildungen: zahlreiche farbige Abbildungen

Cover-Typ: Broschur

Seitenanzahl: 960

Preis: 45,00 Euro





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Hans-Peter Brachmański / Ringo Staudt:


Erfurter Geld- und Medaillengeschichte, Band III

Alfred Hanf – 100 Jahre künstlerisches Notgeld für Erfurt, Gebesee, Sömmerda und Weißensee, Entwürfe, Proben und Geschichte(n)


100 Seiten, durchgängig farbig bebildert, Format 21 cm x 29,7 cm, Harteinband, Erfurt, 2021

Preis: 19,90 Euro

ISBN: ohne



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